10.47

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Hohes Haus! Ich bin sehr froh über diese europapolitische Stunde, weil ich glaube, dass die gesamte Migrations- und Asylfrage in Wahrheit eine Schick­salsfrage der Europäischen Union und darüber hinaus auch von ganz Europa ist. Die richtige Antwort auf diese Frage ist der Schlüssel dazu, dass wir in Zukunft ein Leben in Sicherheit führen können, in Freiheit, in einer Demokratie, unter Aufrechterhaltung der Grundwerte, die auch Ihnen so wichtig sind wie mir (Ruf bei der SPÖ: Vor allem für die Zeitungen!), und dass es ein Leben in Wohlstand für unsere Kinder und für die kommenden Generationen gibt. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Dieser Schlüs­sel sperrt viele Schlösser! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Obernosterer.)

Weil es heute angesprochen wurde, fange ich gleich am Beginn an: Das Thema Gren­zen wurde angesprochen. Ich werde als Innenminister in ein paar Wochen – wieder ein­mal, sage ich dazu – einen Brief an die Europäische Kommission abschicken. Ich wer­de in diesem Brief an die Europäische Kommission ankündigen, dass Österreich wei­terhin die Notwendigkeit sieht, seine eigenen Grenzen nach eigenem Ermessen zu kontrollieren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Ich schreibe das deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir in diesen Grenzkontrollen einen unverzichtbaren Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit der öster­reichischen Bevölkerung sehen, weil wir darin einen Beitrag zum Schutz gegen die Bedrohung durch die illegale Migration, zum Schutz gegen das Schlepperunwesen und die organisierte Kriminalität, die damit im Zusammenhang steht, sehen – und nur Träu­mer können glauben, dass wir in all diesen Fragen über den Berg sind. Natürlich geht es dabei auch um den Schutz der österreichischen Bevölkerung gegen die Infiltration von terroristischen und extremistischen Elementen, IS-Rückkehrern, diejenigen, die glauben, ihren sogenannten Heiligen Krieg auf europäischen Boden oder gar nach Ös­terreich tragen zu können. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Taschner.)

Ich habe natürlich schon mitbekommen und gehört, dass das nicht alle freut (Abg. Scherak: Die kritischen Medien!), hier im Haus – es gab schon die ersten Anmerkun­gen in Form von Zwischenrufen –, aber natürlich auch in Brüssel. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass mich das relativ wenig beeindruckt. Das, was mich wirklich beeindruckt, ist das Schutzbedürfnis der österreichischen Bevölkerung – und dem komme ich nach, und das erfülle ich! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf Ihnen auch sagen, dass Österreich dabei in guter Gesellschaft ist, da werden viele andere Länder mitziehen. Ich darf Ihnen sagen, dass ich das auch deshalb so handhabe, weil mir niemand meine mir verfassungsmäßig aufgetragene Verantwortung für die innere Sicherheit in diesem Land abnehmen kann, auch nicht die Kommission der Europäischen Union. Ich werde auch deshalb so vorgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir in dieser Frage kein Bittsteller sind, sondern weil wir uns auf unser gutes Recht berufen, und dieses gute Recht ist im Artikel 3 des EU-Vertra­ges festgelegt. Ganz eindeutig heißt es dort, dass der Wegfall der Grenzkontrollen im Inneren an Voraussetzungen gebunden ist, und diese Voraussetzungen sind unter an­derem ein funktionierender Außengrenzschutz und geordnete Maßnahmen im Asylbe­reich. Das ist interessant, denn dieses Papier hat schon einige Jahre auf dem Buckel, aber es zeigt, dass es hier schon eine Kombination zwischen diesen beiden Faktoren gibt: Außengrenzschutz und geordnete Maßnahmen im Asylwesen. Dass wir von ei­nem Zustand der Ordnung in diesem Bereich meilenweit oder Lichtjahre entfernt sind, das wird, glaube ich, jeder zugestehen, der mit offenen Augen durch diese Welt geht.

Ich bin aber ein Optimist, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil uns mit dem Antritt dieser neuen Bundesregierung und mit der freiheitlichen Übernahme des Innen­ressorts vieles gelungen ist. Es wird jetzt Dampf gemacht in diesem ganz, ganz wich­tigen Bereich der Asyl- und Migrationsfragen, und zwar sowohl auf europäischer Ebene als auch im Inneren der Republik Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind hier Vorreiter, wir sind hier Impulsgeber, wir sind hier Motor einer ganz, ganz neuen Entwicklung in eine Richtung, die sich die Bevölkerung längst erwartet. Das ist das, was ich immer als Paradigmenwechsel in der Asylpolitik bezeichne: nach innen hin nichts anderes als eine restriktive Asylpolitik, bei der wir die Anreize kappen, die Verfahren beschleunigen und Schluss machen mit einer Einstellung – insbesondere von Links propagiert –, die man zusammenfassen könnte mit „Asyl à la carte“ – das wird es mit uns nicht geben! –, und nach außen hin und auf der Ebene der Europäi­schen Union ein Ende, ein Wegkommen von einer Debatte rund um den Begriff der So­lidarität, bei der Solidarität im Wesentlichen nur mit der Frage der zwangsweisen Ver­teilung von Asylwerbern quer über den Kontinent gleichgesetzt wurde. Dafür wurde in Kauf genommen, dass es zu Entwicklungen kommt, die ich als unerfreulich im Zusam­menspiel der europäischen Völkerfamilie bezeichnen möchte. Das ist der Holzweg, auf dem die Europäische Union unterwegs ist, und deshalb ist es notwendig, diesen Para­digmenwechsel herbeizuführen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Solidarität braucht es nicht dort, wo es um die zwangsweise Verteilung von Menschen geht – die im Übrigen gar nicht zwangsweise verteilt werden wollen, weil sie ihre Wunschdestinationen ohnehin haben, sodass wir damit jedes Mal in das Problem der Sekundärmigration mit allen negativen Konsequenzen kommen –, sondern Solidarität braucht es dort, wo es um den Außengrenzschutz geht. Das ist der Dreh- und Angel­punkt einer entsprechend verantwortungsbewussten Asylpolitik, und ich glaube, dass das die Bevölkerung genauso sieht.

Schutz der Außengrenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Ge­samtpaket. Das bedeutet ein wirksames Kontrollsystem, um sehr rasch herauszufin­den, wer wirklich unseren Schutz verdient, das bedeutet aber auch ein restriktives Ab­haltesystem und ein konsequentes Rückführungssystem für diejenigen, die keinen An­spruch auf Schutz haben. Ich sage Ihnen, das ist die einzige Möglichkeit, mit der es uns gelingen wird, das inhumanste aller Asylsysteme zu beenden – und das inhu­manste aller Asylsysteme ist jenes, das wir jetzt haben. Wir nennen es das Tausen­dersystem, und zwar deshalb, weil Tausende Menschen sich auf den Weg machen aus Gebieten, die Tausende Kilometer von uns entfernt sind, dafür Tausende Dollar oder Euro an Schlepperbanden und die organisierte Kriminalität zahlen und zu Tausenden ihr Leben in der Sahara oder im Mittelmeer lassen. Das ist die Unmenschlichkeit – und nicht das, was wir auf europäischer Ebene vorantreiben wollen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Staats- und Regierungschefs haben uns hier klare Vorgaben gemacht: starker Au­ßengrenzschutz, Ende der Pull-Faktoren und eine Zerschlagung des Geschäftsmodells der Schlepperei – und daran halten wir uns. Wir haben auch einen Beitrag dazu ge­leistet, dass es so weit gekommen ist. Und jetzt freue ich mich darüber, dass es auch ein Umdenken in den Köpfen der Europäischen Kommission gibt. Das, was die Men­schen schon lange in ihren Herzen und in ihren Köpfen haben, kommt jetzt auch bei den Eliten der Europäischen Union an, und das ist gut so. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen dem, was jetzt gedacht wird, und dem, was vorher war. Da gehören Dinge dazu wie Frontex stärken – das wurde schon genannt –, eine europäi­sche Asylagentur mit einem verstärkten Auftrag, wobei es darum geht, die Kontrolle an den Außengrenzen schon entsprechend zu verbessern, dazu gehört aber auch die Rückführungsrichtlinie, die jetzt vorliegt, weil darin auch notwendige Verschärfungen festgeschrieben sind, im Zusammenhang etwa mit Mitwirkungspflichten im gesamten Asylverfahren und in der Frage des etwaigen In-Schubhaft-Nehmens, zu dem es in Zu­kunft leichtere Zugänge geben wird, schlicht und ergreifend deshalb, um Rechtsstaat­lichkeit durchzusetzen.

Aber ein Punkt ist dabei ganz, ganz wichtig (Zwischenruf des Abg. Jarolim): Es geht bei all den Maßnahmen darum, dass es keinen Eingriff in die staatlichen Souveränitäts- und Hoheitsrechte gibt. Das ist der entscheidende Punkt. Und deswegen bin ich Walter Rosenkranz auch sehr, sehr dankbar, weil er gesagt hat, wir müssen ein bissl vorsich­tig sein dort, wo durch internationale Verpflichtungen und neue Verträge, sei es direkt oder durch die Hintertür, wieder ein Angriff auf unsere Souveränität und Entschei­dungsfreiheit und damit auf unsere Freiheit vonstattengeht.

Wir haben uns jetzt sehr darum bemüht, Asyl und Zuwanderung auseinanderzuhalten, und ich werde keine Entwicklung unterstützen, die dazu beiträgt, die Dinge, die nicht zusammengehören, wieder miteinander zu vermanschen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Außengrenzschutz bedeutet auch Ausschiffungsplattformen. An dem Begriff hängt es nicht, es hängt an der Verantwortung, die diese Staaten, wo man sich einschifft, dann auch dafür haben, dass man die Leute, die man aus dem Meer holt, wiederum zu­rücknimmt – das steckt hinter dem Begriff der Ausschiffungsplattform –, und dieser Verantwortung können sich diese Staaten nicht entziehen. Wir müssen es nur richtig anlegen: keine europäischen Institutionen, sondern Unterstützung für diese Staaten – so, wie wir auch am Balkan Unterstützung geleistet haben und jetzt zu einem Punkt ge­kommen sind, wo die einzelnen Staaten merken, dass es auch für sie eine Entlastung gibt, wenn sie selbst einen effektiven Außengrenzschutz betreiben. Das ist wichtig.

Die zweite Komponente sind die sogenannten kontrollierten Einrichtungen an den Au­ßengrenzen der EU für diejenigen, die es zu uns schaffen – mit raschen Entschei­dungen und mit einer konsequenten Rückführung derer, die keinen Anspruch auf Asyl haben, entweder in ihr Herkunftsland oder in einen entsprechenden Drittstaat. In diese Richtung muss es als nächsten Schritt gehen, und ich bin ehrlich gesagt einigermaßen enttäuscht, dass der EU-Kommissar, der für diese Fragen zuständig ist, nach zweiein­halb Monaten die Flinte ins Korn geworfen und gesagt hat, wir finden keinen afrikani­schen Staat, der uns das macht. Ich hätte mir anstatt dieses Freispruchs aus der Ver­antwortung, dieses Entlassens aus der Verantwortung erwartet, dass man das gesam­te Gewicht der Europäischen Union dort hineinlegt, um diese Dinge entsprechend um­zusetzen. Das ist unsere Stoßrichtung! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Jarolim: ... des Herrn Bösch! ..., der Herr Bösch und der Herr Rosenkranz!)

Aber insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren – und das ist ein wesentli­cher Punkt –, ist auch das nur ein Zwischenschritt, und ich werde nicht müde, es zu be­tonen, damit wir wissen, wohin die Reise gehen muss: Wir werden das Problem der il­legalen Migration und des Asylmissbrauchs nur dann lösen, wenn wir insgesamt zu ei­nem System kommen, wo man nur noch als Nachbar der Europäischen Union oder als jemand, zwischen dem und der Europäischen Union nicht ein sicheres Land liegt, über­haupt einen Antrag auf dem Boden der Europäischen Union stellen kann. Es muss Schluss gemacht werden mit einem System, wo Abertausende Menschen Länder durchqueren, in denen sie nicht verfolgt werden – wo es zwar wirtschaftlich nicht so an­genehm ist wie in der Europäischen Union, aber wo der Schutz allemal gegeben ist –, um dann auf dem Boden der Europäischen Union um Asyl anzusuchen. Das ist der Weg in die falsche Richtung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir den Paradigmenwechsel haben wollen, dann müssen wir konsequent bis zum Ende gehen.

Das, was ich sage, ist nicht unmenschlich, es ist vernünftig und es ist eine Rückfüh­rung von Asyl auf das, was es in Wahrheit ist, meine sehr geehrten Damen und Her­ren.

Wenn man glaubt, die gigantische Problematik der Migration insgesamt in Kombination mit der Bevölkerungsentwicklung und mit den Krisenherden auf dieser Welt – politi­scher Art, militärischer Art – dadurch in den Griff zu bekommen, dass man Menschen nach Europa holt und hier verteilt, dann ist man aus meiner Sicht in einer verantwor­tungsvollen Position an der falschen Stelle. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich die Besucher aus der Kopernikusschule Freigericht, ebenfalls in der Bundes­republik Deutschland gelegen, recht herzlich auf unserer Galerie begrüßen. (Allgemei­ner Beifall.)

Die nachfolgenden Debattenredner haben gemäß der Geschäftsordnung eine Redezeit von 5 Minuten.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Amon zu Wort. – Bitte.