12.05

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Effektiver EU-Außen­grenzschutz ist definitiv ein wichtiges Anliegen, kein Zweifel, aber ist das wirklich un­sere größte Sorge, Ihre größte Sorge, Herr Minister?

Schauen wir uns einmal die Zahlen an (die Rednerin zeigt eine Grafik mit dem Titel „Number of illegal border crossings in the EU“): Wir können uns alle sehr gut an das Jahr 2015 erinnern, an die große Flüchtlingswelle. 1,8 Millionen Menschen haben da­mals die Außengrenzen der Europäischen Union überschritten. Im Jahr 2018 taten das bis jetzt – Tendenz sinkend – nur mehr 91 000 Menschen. Wir sprechen von einem Rückgang von 95 Prozent an illegaler Immigration in die EU. Warum wird angesichts dieser Zahlen weiterhin Panik verbreitet? Wir sprechen von einer Anzahl Menschen, die nicht einmal das Camp-Nou-Stadion in Barcelona füllen würde, weil da nämlich 99 000 Menschen hineinpassen. Ich und viele andere Menschen in diesem Land sind überzeugt, dass wir vor einer derart überschaubaren Anzahl von Menschen keine Angst zu haben brauchen, solange es sich um Neue-Heimat-Suchende handelt und nicht um eine feindliche Armee.

Wenden wir unsere Aufmerksamkeit doch endlich dem drängendsten Problem zu, das vor unserer Haustür steht, dem Klimawandel! Drei der fünf weltweit größten Bedrohun­gen für die Menschheit stehen damit im Zusammenhang. Der Extremsommer 2018 hat auch uns gezeigt – Sie alle haben auch geschwitzt –, dass sogar wir hier in Österreich eines Tages zu Binnenklimaflüchtlingen werden können. Hören Sie nicht die Alarmglo­cken? Sehen Sie nicht die Zeichen? Wenn wir die globalen Treibhausgasemissionen nicht in den Griff bekommen, dann können wir bis 2050 mit 200 Millionen Klimaflücht­lingen rechnen.

Die Internationale Organisation für Migration spricht von 26,4 Millionen Menschen pro Jahr, die aufgrund von Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen müssen. Diese Men­schen wird niemand und nichts aufhalten können, keine Grenze, kein Zaun, keine Mauer. Es muss jetzt gehandelt werden, bevor es dazu kommt. Es geht um die Ursa­chen- und nicht um die Symptombekämpfung. Einige wenige Vorredner haben davon gesprochen, auch von unfairen Handelsbedingungen.

Herr Bundesminister, zum Handeln und zum Bekämpfen von Ursachen, genau dazu fordert Sie Ihr nigerianischer Amtskollege auf. Herr Dambazau, der Innenminister Ni­gerias, sagte am Rande der Wiener Migrationskonferenz im Oktober 2017: Die EU muss den Klimawandel thematisieren. Der Klimawandel zieht extreme Armut und Hun­ger nach sich und in Folge auch Kämpfe um Ressourcen und Land. – Zitatende.

Werte FPÖ, verstehen Sie das aber bitte nicht als Aufforderung, dem Migrationsdruck mit militärischen Mitteln zu entgegnen. Das mag zwar die Fantasie des Wehrsprechers der FPÖ, des Kollegen Reinhard Bösch beflügeln, gehört aber wohl eher in das Ka­binett politischer Absurditäten und im Land der geschlossenen Geschichtsbücher ver­ortet. (Abg. Hafenecker: Dort, wo Sie schon sind! – Abg. Haider: Da kennen Sie sich aus, Frau Kollegin!) Sie mögen ja Gründe für Ihre Asylpolitik haben, geschätzte Kol­legen von der FPÖ. Ich fordere aber Sie, Herr Innenminister, auf, sich der wichtigsten Aufgabe, Ihrer wichtigsten Aufgabe zu widmen, für Sicherheit im Land zu sorgen, und zwar nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen.

Klimaflüchtlinge verleihen dem Klimawandel zusätzlich zur volkswirtschaftlichen und umweltpolitischen auch eine sicherheitspolitische Dimension, und deshalb fällt dieser Bereich auch in Ihre Zuständigkeit, Herr Innenminister. Wir haben leider noch keine übergeordnete Weisungsstelle für Klimaschutz und einen Bundeskanzler, der sich für das Thema nicht sonderlich interessiert. Umso wichtiger ist es, Herr Bundesminister, dass Sie die großen Zusammenhänge thematisieren. Wagen Sie es, intersektoral zu denken, und sorgen Sie für die Sicherheit unserer Kinder und Enkelkinder, und setzen Sie nicht nur auf kurzfristige Lösungen wie Asylzentren außerhalb der EU und Zehn­tausende Grenzpolizisten an den Grenzen der EU, die zukünftig Millionen Klimaflücht­linge nicht mehr aufhalten werden können.

Nur der Politiker, der bei der Lösungsfindung an die Zukunft denkt, wird auch in Zu­kunft das Vertrauen seiner Wähler genießen können. Genau dieses Vertrauen verspie­len Sie mit Ihrer Politik täglich, Herr Bundesminister (Präsidentin Bures gibt das Glo­ckenzeichen) – BVT-Affäre, Angriff auf die freien Medien, Abputzen von Verantwortung auf Ihre Mitarbeiter. Mich deucht, Sie stehen kurz vor dem Rücktritt.

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie müssen jetzt den Schlusssatz for­mulieren. – Bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Vielleicht können Sie aber mit einer ganzheitlichen Asylpolitik gerade noch die Kurve kratzen.

12.10

Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordne­ter Efgani Dönmez. – Bitte.