15.16
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Wir haben ja in den letzten Monaten seit der Angelobung der schwarz-blauen Regierung immer wieder Situationen erleben müssen, die einigermaßen irritierend waren, die einigermaßen erschreckend waren und die einigermaßen beunruhigend waren. (Rufe bei der FPÖ: Na, na, na! – Abg. Zanger: Auffassungsvermögen!) Jedes Mal, wenn man eine solche Situation erlebt hat, hat man sich als Beobachter irgendwie überlegt, ob es noch schlimmer gehen kann, und jedes Mal, wenn man sich überlegt hat, ob es noch schlimmer gehen kann, haben Sie – oder hat jemand von Ihnen – noch eins draufgelegt.
In vielen dieser Situationen hat das Innenministerium mit Ihnen an der Spitze, Herr Bundesminister, eine nicht unwesentliche Rolle gespielt – eine nicht unwesentliche Rolle dann, wenn es um den Verlust des Vertrauens in die demokratischen Institutionen in Österreich geht, eine nicht unwesentliche Rolle, wenn es um die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte der Österreicherinnen und Österreicher geht (Abg. Belakowitsch: Blödsinn! Das Gegenteil ist der Fall!), wenn es um die Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit geht oder wenn es um die Aushöhlung oder die vermeintliche Aushöhlung der Gewaltenteilung geht.
Immer wieder waren es entweder Sie selbst, Herr Innenminister, oder es war Ihr Generalsekretär oder – seit Neuestem – ein Mitarbeiter Ihres Ministeriums. Deswegen, muss ich zugeben, hat es mich jetzt auch nicht verwundert, dass es zum wiederholten Male Sie beziehungsweise Ihr Ministerium waren, die uns Anlass zu, würde ich einmal sagen, mehr als berechtigter Kritik gegeben haben.
Was uns aber schon verwundert hat, war der Anlass, den Sie uns gegeben haben, und was uns noch mehr verwundert hat, war in diesem Fall die Tragweite der Grenzüberschreitung, die in den letzten zwei Tagen aus Ihrem Ministerium gekommen ist. Ja, Herr Innenminister, ich habe Ihre Aussendung gestern Abend gelesen, in der Sie sich durchgerungen haben, sich ein bisschen davon zu distanzieren, was in diesem Mail gekommen ist. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich – und ich glaube, wir können ehrlich zueinander sein –: Wenn Sie 24 Stunden dazu brauchen, sich ein Bekenntnis zur Pressefreiheit abzuringen, dann wundern Sie sich nicht, dass Ihnen in diesem Staat niemand mehr glaubt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Belakowitsch: Millionen aber schon!)
Ich sage Ihnen auch: Wenn Sie als Bundesminister dieser Republik 24 Stunden dazu brauchen, um Interesse am Weiterbestehen der Grund- und Freiheitsrechte zu zeigen, dann sollten Sie sich vielleicht auch einmal selbst infrage stellen und sich fragen, ob Sie sich überhaupt selbst noch glauben, wenn Sie Aussendungen machen. (Abg. Lausch: Die Bevölkerung steht hinter dem Innenminister, nur die paar NEOS nicht, aber das sind nicht viele!)
Herr Bundesminister, ich habe es schon gesagt: Immer wenn etwas passiert ist, haben wir eigentlich geglaubt, dass es nicht mehr schlimmer gehen kann, und wir waren dann jedes Mal aufs Neue überrascht – und, wie gesagt, in dieser Tragweite ein weiteres Mal.
Aus dem Innenministerium unter Ihrer Führung ist ein E-Mail an die Kommunikationschefs der Landespolizeidirektionen gekommen, in dem ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit geritten wurde und in dem vorgeschlagen wurde, dass gegenüber kritischen – zu kritischen aus Ihrer Sicht – Medien in Zukunft Informationen beschränkt werden sollen. (Abg. Zanger: Aber geh! – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Schimanek.)
Damit nicht genug, ist auch dazu aufgefordert worden, dass in Zukunft die Staatsbürgerschaft beziehungsweise der Aufenthaltstitel von verdächtigen Personen bewusst (Abg. Belakowitsch: Das ist der Wunsch der Bevölkerung!) genannt wird. Es wurde auch dazu aufgerufen, dass über Sexualdelikte, insbesondere dann, wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht, proaktiv informiert werden soll und dass der Opferschutz in Wirklichkeit eher außen vor gelassen werden soll. (Abg. Gudenus: Das stimmt ja gar nicht! – Abg. Belakowitsch: Wo steht das?)
Sie haben das Mail offensichtlich nicht gelesen, Herr Kollege Gudenus! Ich werde es Ihnen nachher noch einmal genau zitieren. Schauen Sie sich das an! Ich komme nachher im Detail, damit auch die FPÖ-Fraktion weiß, worum es geht, zu den Fragen des Opferschutzes. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Gudenus: Der Opferschutz wird betont! Der wird betont! Das ist ja unglaublich!)
Für alle, die da schon beim Dazwischenbrüllen sind: Auf die Frage, ob der Innenminister dafür verantwortlich ist, sage ich Ihnen gleich: Selbstverständlich ist der Innenminister verantwortlich dafür. Der Innenminister ist Chef seines Ministeriums (Zwischenruf des Abg. Gudenus), und alles, was in seinem Ministerium passiert, liegt natürlich in seiner Verantwortung. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Wir haben dann aufgrund dieses Schreibens angekündigt, dass wir eine Dringliche Anfrage an den Innenminister einbringen werden, und siehe da: Es hat nur 1 Stunde gedauert, bis wieder ein Schreiben aus dem Innenministerium kam, in dem drinstand, dass sich der Innenminister bei dieser Sitzung von seiner Staatssekretärin vertreten lassen will. (Abg. Belakowitsch: Ja, haben Sie es nicht gelesen? – Abg. Wurm: Sind beide da!) – Schauen Sie, Frau Kollegin Belakowitsch, ich weiß nicht, welches Schreiben Sie lesen. Im ersten Schreiben aus dem Ministerium stand drin (Abg. Gudenus: Sie können nicht lesen anscheinend!), dass sich der Herr Bundesminister die gesamte Sitzung heute von seiner Staatssekretärin vertreten lassen (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Steger – Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja gar nicht!) und nicht seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe nachkommen will, nämlich dem Parlament hinsichtlich dieser Vorwürfe Rede und Antwort zu stehen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenruf des Abg. Haider. – Abg. Schieder: Hört! Hört!)
Ich gebe zu, dass nur eine Stunde später (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) der Herr Bundesminister offensichtlich doch draufgekommen ist, dass es seine Aufgabe ist, hier ins Parlament zu kommen und sich hier unseren Fragen zu stellen und entsprechend auch Rede und Antwort zu stehen.
Ich weiß nicht, warum Sie den Kopf schütteln, Herr Kollege Rosenkranz! (Abg. Rosenkranz – auf Bundesminister Kickl deutend –: Da sitzt er!) Sie bekommen offensichtlich andere Schreiben als ich; ich bringe es Ihnen nachher. Das erste Mail aus dem Innenministerium, 1 Stunde, nachdem wir angekündigt haben, dass wir eine Dringliche Anfrage machen, lautete: Der Herr Bundesminister lässt sich heute für die gesamte Nationalratssitzung entschuldigen. – Das war das erste Mail; dass er jetzt hier ist, ist darauf zurückzuführen, dass ein Druck in der Öffentlichkeit aufgebaut wurde (Abg. Rosenkranz: Na, hör auf! – Widerspruch bei der FPÖ – Abg. Rosenkranz: Nimm dich nicht zu wichtig! Nimm dich nicht zu wichtig!) und er plötzlich der Meinung ist, dass er doch hier Rede und Antwort stehen muss. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Herr Bundesminister, auch wenn Sie diese Distanzierung – und die habe ich ja gestern schon angesprochen – ausgeschickt haben, die einigermaßen klein und sehr zurückhaltend war: Ich sage Ihnen, das ändert an der grundsätzlichen Problematik schlichtweg gar nichts. Das ändert nichts daran, dass Sie die Verantwortung dafür haben, was in Ihrem Ressort passiert, das ändert nichts an dem Schaden, der durch Ihr Ressort bereits entstanden ist, und das ändert auch nichts daran, dass hinter diesem Schaden natürlich ein System steht. Es ist nämlich das System, dass man zuerst einmal ausreitet und den Medien Angst macht (Abg. Rosenkranz: Die fürchten sich auch!), dass man versucht, den Medien klarzumachen, dass ihnen, wenn sie nicht das machen, was man ihnen sagt, entsprechende Informationen vorenthalten werden. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Dieses System hat einen Namen, es ist das System Viktor Orbán, der es in Ungarn genauso gemacht hat: zuerst die Medien unter Druck setzen, um sie einzuschüchtern, dann ein bisschen zurückrudern und den Schaden natürlich bewusst in Kauf nehmen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenrufe der Abgeordneten Höbart und Lugar.)
Kommen wir zu den Details, damit die FPÖ-Fraktion auch weiß, was in diesem Schreiben gestanden ist! Es wird zuerst in diesem Schreiben ersucht, dass in Zukunft die Staatsbürgerschaft eines mutmaßlichen Täters, einer mutmaßlichen Täterin in einer Aussendung der Landespolizeidirektion benannt werden soll. (Beifall und Bravorufe bei Abgeordneten der FPÖ.) Es soll auch in Zukunft bei Fremden so sein, dass deren Aufenthaltsstatus genannt wird (Abg. Belakowitsch: Ja, das ist wichtig!) und dass dazugesagt werden soll, ob es sich um eine Asylwerberin oder einen Asylwerber handelt. (Abg. Zanger: Umfassende Information!) Es wird weiters angeführt, dass diese Sprachregelung auch in Interviews umgesetzt werden soll. (Abg. Rosenkranz: Damit endlich mit der Mär aufgeräumt wird ...!)
Herr Bundesminister, zu dieser Aufforderung aus dem Mail hat es in Ihrer Pseudodistanzierung überhaupt kein Wort gegeben, das heißt, ich muss davon ausgehen, dass Sie das gutheißen, so wie Ihre Kollegen in Ihrer ehemaligen Parlamentsfraktion, dass Sie diese Ideen teilen und dass das auch weiter so gilt.
Ich frage Sie einmal ganz im Ernst: Was wollen Sie damit erreichen? (Abg. Höbart: Die Wahrheit ist zumutbar!) Ist Ihnen überhaupt bewusst, dass Menschen, die einer Straftat verdächtig sind, nicht gleichzusetzen sind mit denen, die von einem Gericht verurteilt wurden? Ist Ihnen so etwas überhaupt bewusst? Kennen Sie das Grundrecht auf Unschuldsvermutung (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Neubauer), dass man nicht Menschen, die einer Tat verdächtig sind, in der Öffentlichkeit anprangert? (Abg. Rosenkranz: Ihre Medien sollen sich das hinter die Ohren schreiben!) – Ich glaube, ehrlich gesagt, nicht. Ich glaube, das Einzige, was Sie damit erreichen wollen, ist, Menschen gegeneinander aufzuhetzen und diese Gesellschaft in Österreich zu spalten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Des Weiteren – man glaubt ja, es geht nicht schlimmer – wurden die Landespolizeidirektionen in Bezug auf Sexualdelikte in diesem Mail aufgefordert, dass in Zukunft vor allem bei Taten, die in der Öffentlichkeit begangen wurden, oder Taten, bei denen „besondere Modi Operandi“, wie in diesem Schreiben steht, angewendet wurden, oder dann, wenn zwischen Tätern und Opfern keine Verbindung besteht, „proaktiv“ Aussendungen gemacht werden sollen. Auch dahin gehend gab es von Ihrer Seite absolut keine Distanzierung, keine Äußerung, und deswegen muss ich auch in dem Zusammenhang (Abg. Rosenkranz: Interessiert Sie das alles nicht, was in diesem Staat zugeht?) davon ausgehen, dass Sie dahinterstehen und dass Sie das gutheißen und dass das auch weiterhin so gilt.
Jetzt frage ich Sie wirklich etwas ganz im Ernst (Abg. Gudenus: Täterschutz ist das! – Abg. Höbart: Täterschutz!): Was für einen Unterschied macht es, wo ein Sexualdelikt begangen wurde? Wieso ist es aus Ihrer Sicht relevant, wo ein Sexualdelikt begangen wurde, und wieso soll nur dann über Sexualdelikte eine Aussendung gemacht werden, wenn es in der Öffentlichkeit passiert? – Herr Bundesminister, es ist eine vollkommen absurde Idee, dass es irgendeinen Vorteil gäbe, wenn Sie dann Aussendungen machen, wenn Sexualdelikte in der Öffentlichkeit begangen wurden. (Abg. Rosenkranz: Das ist Ihre Einzelmeinung! – Zwischenruf des Abg. Gudenus.)
Noch viel heftiger ist es – und das ist das, was Sie offensichtlich nicht glauben, was man aber erkennt, wenn man die Passage zu Ende liest –, wenn es um den Opferschutz geht. Da steht zwar drinnen, dass der Opferschutz zwar ein „heikles Thema“ ist, man aber „dennoch“ solche Aussendungen machen soll. – Ich sage Ihnen etwas, Herr Bundesminister: Ich halte das für unglaublich, ich halte das (Abg. Höbart: Sie schützen die Täter!) für eine unglaubliche Frechheit, dass für einen Bundesminister der Republik Österreich der Opferschutz offensichtlich nur so lange relevant ist, solange er Ihren propagandistischen Aussendungen, solange er Ihrer Parteipolitik nicht im Wege steht. Ich halte das für unerträglich. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Was dem Fass den Boden ausschlägt, ist, wenn man weiterliest, Folgendes – auch davon haben Sie sich übrigens nicht distanziert –, ich zitiere wörtlich: „Wenn es sich um eine [...] familieninterne Tat handelt, oder opfer-, bzw. datenschutzrechtliche Bedenken bestehen, so kann selbstverständlich nach wie vor von einer Veröffentlichung abgesehen werden.“
Herr Bundesminister, das ist unglaublich. Was geht in Ihrem Ministerium eigentlich vor? Wissen Sie, was das bedeutet? – Das heißt, dass aus opfer- oder datenschutzrechtlichen Gründen davon abgesehen werden kann, und ich bin überzeugt davon, dass sowohl Ihre Mitarbeiter im Ministerium als auch Sie an und für sich den Gesetzen verpflichtet sind und dass von einer Aussendung nicht abgesehen werden kann, sondern dass Sie davon absehen müssen (Abg. Lausch: Jessas!), wenn opferschutzrechtliche und datenschutzrechtliche Gründe dem entgegenstehen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Es ist schlichtweg unzulässig und nicht rechtmäßig, wenn Sie trotzdem eine Aussendung machen. Wenn Ihr Sprecher aussendet, man kann unter Umständen davon absehen, dann ist das nichts anderes als eine Verhöhnung der Opfer, und in Wirklichkeit sollte der Opferschutz oberste Priorität für einen Bundesminister dieser Republik haben.
Es geht dann natürlich noch weiter, und jetzt kommen wir zu dem Teil, in dem das autokratische Denken von Ihren Mitarbeitern - - (Abg. Rosenkranz: Ich würde eher schon den Zeitpunkt dort ansetzen, wo es gar kein Opfer gibt, nämlich in der Prävention, die würde ich noch ...!) – Ich bin auch sehr für Prävention, Herr Kollege Rosenkranz, aber es geht schon auch darum, dass man den Opferschutz weiterhin ernst nimmt und nicht Aussendungen macht, nur damit Sie Ihre billige Parteipropaganda machen können! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Es geht dann weiter, und das ist dann der Punkt, an dem wir zu dem autokratischen Denken kommen, das offensichtlich bei einigen Mitarbeitern in Ihrem Haus vorliegt. Da geht es nämlich um den Zugang zur Pressefreiheit und zur liberalen Demokratie an sich. Ich zitiere wieder wörtlich aus dem entsprechenden Schreiben: „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z.B.: Standard, Falter), sowie neuerdings auch seitens des Kuriers, eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben. Mittlerweile zählen keine Fakten und Erklärungen mehr, bzw. werden diese einfach ignoriert, da der jeweilige Artikel jedenfalls negativ wird, wie zahlreiche Artikel in jüngster Vergangenheit zeigen.“
Ein paar Zeilen später kommt Folgendes – ich zitiere wörtlich –: „Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“ (Abg. Belakowitsch: Ja und? ... Wo ist das Problem?) „und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert, bzw. die Möglichkeit einer neutralen oder gar positiven Berichterstattung.“
Herr Bundesminister, was für ein gestörtes Verhältnis haben Ihre Mitarbeiter eigentlich zur Pressefreiheit? (Ruf bei der FPÖ: Wieso? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Was für ein gestörtes Verhältnis haben sie, wenn sie solche Aussendungen machen? (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Ich frage Sie ganz ehrlich: Glauben Sie wirklich, dass es zulässig ist, dass in Zukunft Ihr Ministerium darüber entscheidet, mit welchen von ihm willkürlich ausgewählten Medien kommuniziert wird? (Abg. Stefan: Ich habe geglaubt, Sie haben das studiert! Ich habe geglaubt, Sie wissen, was Pressefreiheit ist! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Das Hauptproblem an der ganzen Sache ist, es geht nicht nur um die Medien, die hier drin angesprochen wurden. (Ruf bei der FPÖ: Scherak weiß nicht, was Pressefreiheit ist! Nicht genügend!) Das Problem ist, dass hier alle Medien in Verruf geraten (Abg. Belakowitsch: Schwache Rede!) und dass das für alle Medien ein Problem ist, denn das, was Sie den Medien mit diesem Schreiben signalisieren, ist Folgendes: Entweder ihr spurt und schreibt das, was wir haben wollen, oder wir schneiden euch in Zukunft einfach von den notwendigen Informationen ab. (Abg. Steger: Nicht von den notwendigen ...!) Das ist das, was Sie hier allen Medien in Österreich signalisieren, dass nur noch dann Informationen weitergegeben werden, wenn ordentlich berichtet wird, so, wie Innenminister Kickl sich das wünscht. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)
Ich habe es schon gesagt: Es ändert auch die halbherzige Entschuldigung nichts, weil der Schaden schon längst angerichtet ist, weil der Einschüchterungsversuch gegenüber den Medien schon längst da ist (Heiterkeit bei der FPÖ – Abg. Höbart: Die armen unabhängigen Medien!) und sich Medien natürlich in Zukunft überlegen werden, was sie schreiben (Abg. Haider: Beim „Standard“, genau! – Abg. Höbart: Die unabhängigen Journalisten!), weil sie ganz genau wissen, dass sie, wenn sie etwas schreiben, was Ihnen nicht gefällt, in Zukunft nicht mehr die notwendigen Informationen bekommen. Man kann sich in dem Zusammenhang nur bei den unabhängigen Journalisten in Österreich bedanken, die weiterhin klar Widerstand gegen solche Frontalangriffe auf die Pressefreiheit leisten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Ruf bei der FPÖ: Was kriegst du bezahlt für den Blödsinn?)
Noch skurriler und unerträglicher wird es dann, wenn man sich die Verteidigungsschreiben anschaut, die aus Ihrem Ministerium gekommen sind. (Ruf bei der FPÖ: ... Journalisten von Haselsteiner für die NEOS inseriert! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) In einer Ihrer ersten Aussendungen aus dem Ministerium wurde auf das Auskunftspflichtgesetz verwiesen und es wurde quasi gesagt: Na ja, wenn man sonst keine Informationen mehr kriegt, dann kann man sich eh nach dem Auskunftspflichtgesetz entsprechende Informationen holen.
Herr Bundesminister, ich sage Ihnen ehrlich: Entweder haben sich Ihre Mitarbeiter in dem Zusammenhang mit den Rechtsgrundlagen nicht so richtig auseinandergesetzt, was ich grundsätzlich nicht glaube, oder Sie wollen uns schlichtweg am Schmäh halten, denn wenn Sie wissen, dass das Auskunftspflichtgesetz an und für sich normiert, dass sich jede Österreicherin, jeder Österreicher an eine Behörde wenden kann, um Informationen über behördliches Handeln zu bekommen – wenn dem nicht gerade eine Verschwiegenheitspflicht entgegensteht –, und dass das mit der Freiheit der Presse und der Ausübung der Pressefreiheit so gut wie gar nichts zu tun hat, dann müssten Sie sich eigentlich für solche Aussendungen schämen. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Sie glauben ja nicht ernsthaft, dass die Antwort gegenüber einem unabhängigen Journalisten, der vielleicht einmal etwas schreibt, was Ihnen nicht gefällt, sein kann: Ach, ist total in Ordnung, ich gebe dir in Zukunft keine Informationen, aber du kannst eh nach dem Auskunftspflichtgesetz anfragen; du wartest halt acht Wochen darauf, dass du Informationen bekommst. – Also wenn Sie so einen Bezug zu freier Presse haben, dann wundert mich wirklich gar nichts mehr. (Abg. Gudenus: Das ist ja unfassbar, der Typ!) – Kollege Gudenus kommt offensichtlich wieder nicht mit bei dem, was ich sage; Sie werden nachher die Möglichkeit haben, sich zu Wort zu melden. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Wissen Sie, was das ist? – Eine Aussendung, die in dieser Art und Weise einem unabhängigen Journalisten entgegengebracht wird, ist nichts anderes als eine Verhöhnung von jeder Journalistin und jedem Journalisten in Österreich. (Die Abgeordneten Belakowitsch und Rosenkranz: Nein, nicht von jedem!) Ich sage Ihnen etwas: Unabhängige Medien sind ein unverzichtbarer Bestandteil in einer funktionierenden Demokratie. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Sie erfüllen die Aufgabe eines Public Watchdog und sind generell die vierte Macht im Staat. Dementsprechend ist es unglaublich, wenn Sie dieser staatspolitischen Verantwortung, die Medien in einem Land haben, entgegensetzen, dass dann, wenn Medien etwas berichten, was Ihnen nicht gefällt, man sich eh nach dem Auskunftspflichtgesetz mit einer achtwöchigen Frist weiterhin an eine Behörde wenden kann und dann acht Wochen später, wenn das Ganze überhaupt kein Thema mehr ist, eventuell eine Antwort bekommt.
In Ihrem Verteidigungsschreiben aus Ihrem Ministerium ist dann festgehalten worden: Na ja, das war ja eh keine Weisung und auch keine Leitlinie zur Medienarbeit. – Ich frage Sie, Herr Bundesminister, was soll denn so etwas sonst sein? Ich habe mir angeschaut, wie Ihr Ressortsprecher da die Dinge formuliert: Er ersucht in seinem Schreiben, er lädt dazu ein, er ersucht, die Sprachregelung umzusetzen, er regt an, er bittet, er schlägt vor. – Herr Bundesminister, was glauben Sie, was die Mitarbeiter Ihrer Landespolizeidirektionen machen, wenn sie so ein Mail kriegen? Glauben Sie, sie ignorieren es einfach und denken sich: Ach lustig, da kommt wieder ein Mail aus dem Innenministerium, ich pfeife doch darauf, ich lese es nicht, ich schmeiße es weg!? – Das kann ja nicht Ihr Ernst sein!
Wie ernst nehmen Sie sich, wie ernst nehmen Sie Ihr Ministerium, wenn E-Mails Ihrer Mitarbeiter seit Neuestem offensichtlich vollkommen irrelevant sind? Es werden Dinge ausgeschickt und die Antwort darauf ist: Hat eh keinen Weisungscharakter, ist eh keine Leitlinie, wir schicken das offensichtlich zum Spaß aus. – Das halte ich für einen bedenklichen Zustand, wenn das Ihre Herangehensweise an solche Dinge ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich frage Sie weiter: Wie oft passiert denn so etwas bei Ihnen im Ministerium? Werden oft E-Mails von Ihren Mitarbeitern verschickt, die irrelevant sind und an die man sich eh nicht halten muss? Also wie unterscheiden Mitarbeiter in Ihrem Ressort, was gerade relevant ist und was nicht? Muss ich mich daran halten, muss ich mich nicht daran halten? – Ich glaube, dass das einem Ministerium an und für sich so nicht würdig ist.
Das BMI hat in einer weiteren Reaktion auf die Vorwürfe noch nachgelegt, und ich zitiere wörtlich – und das ist schon einigermaßen heftig in diesem ganzen Zusammenhang –: „Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich übrigens auch anhand der aktuellen Berichterstattung“.
Herr Bundesminister, gratuliere: Sie haben es nicht nur geschafft, diesen Vorwurf, dass Sie etwas gegen Ihrer Meinung nach nicht so unvoreingenommene Medien haben, nicht zu entkräften, Sie haben ihn auch noch unterstrichen, weil Sie genau in dem Zusammenhang wieder gesagt haben, dass die Medien, die nicht das schreiben, was in Ihr Bild passt, natürlich weiter voreingenommen sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Steger.) Das heißt, Sie unterstreichen auch noch das, was vorher gesagt wurde, Sie unterstreichen das, was in diesem Schreiben drin war, und Sie haben sich nicht davon distanziert, sondern das Ganze mit dieser Aussendung in Wirklichkeit auch noch gutgeheißen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Herr Bundesminister, was mich auch noch interessieren würde, was wir Sie auch fragen, ist, was überhaupt die Konsequenz aus dieser ganzen Sache ist. Sie haben gestern in Ihrer Aussendung gesagt, Sie hatten ein Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter. Also ich sage Ihnen etwas (Abg. Rosenkranz: Das ist die Achtsamkeit, die Kollege Strolz immer einfordert!): Wenn in einem Ministerium ein Mitarbeiter ist, der ein offensichtlich gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit hat, und die Konsequenz daraus ist, dass es ein Gespräch gibt, halte ich das für zu wenig. Ich würde mir von Ihnen ernsthaft erwarten, dass Sie einmal klarstellen, was von diesen Dingen jetzt gilt, ob irgendetwas davon gilt, ob dieses absurde E-Mail offiziell von Ihnen zurückgenommen wird oder wie Sie weiterhin diesbezüglich vorgehen werden.
Herr Bundesminister, wenn Sie glauben, dass so ein Gespräch als einzige Reaktion reicht, dann gehe ich aufgrund Ihrer halbherzigen Entschuldigung davon aus, dass Sie eine ernsthafte Gefahr für die Presse- und Medienfreiheit in Österreich sind. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Heiterkeit bei der FPÖ.)
Dann gehe ich davon aus, dass Sie eine Gefahr für unser aller Freiheit in Österreich sind, und, Herr Bundesminister, ich gehe davon aus, dass Sie mit Ihrer Vorgehensweise eine Gefahr für die Demokratie an sich in Österreich sind. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Höbart: Maria, bitte!)
Das, was Sie hier machen, das kennen wir aus Ländern wie Polen, wie Ungarn und aus vielen anderen autokratischen Staaten. (Abg. Amesbauer: „Autokratische Staaten“? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dieser Weg zu einer illiberalen Demokratie, das ist das, was die Herren Trump, Salvini, Orbán wollen, das ist das, was Frau Le Pen will, und das ist offensichtlich auch das, was ein gewisser Herbert Kickl haben will. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Ruf bei der FPÖ: Salvini ist eh gut! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Herr Bundesminister, so ein Weg hat in einem liberalen Österreich schlichtweg nichts verloren, und genauso wenig hat ein Innenminister, der solche illiberalen Ideen verbreitet, verteidigt oder sie auch nur zulässt beziehungsweise ihnen unter Umständen, so wie Sie es offensichtlich tun, auch noch zustimmt, in Österreich schlichtweg nichts verloren. Herr Bundesminister, treten Sie endlich zurück! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Höbart: Sehr, sehr schwach!)
15.36
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Frau Abgeordneter Belakowitsch das Wort. – Bitte.