10.15

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ja, es ist wirklich schwer nachvollziehbar, wieso die FPÖ auf den Gedanken gekommen ist, diese Aktuelle Stunde anzuzetteln, weil es of­fenbar auch innerhalb der Koalition nicht ganz klar ist, was die Message sein soll. Ich erinnere mich, dass Klubobmann Wöginger am 14.9. in der Pressekonferenz gesagt hat, dass die Versicherten von dieser Reform nichts merken werden. Frau Dr. Povysil hat gerade gesagt, Sie hätten die Versicherten vergessen. – Die haben Sie nämlich vergessen, die Versicherten merken von dieser Reform gar nichts! (Beifall bei den NEOS.)

Daher ist es ein so großes Rätsel, warum Sie da so laut hupen (Abg. Herbert: ... auch noch nicht verstanden, worum es da wirklich geht!) und behaupten, diese – unter An­führungszeichen – „Reform“, ja, dieses Projekt, werde jetzt die Grundlage für weitere Reformen. Dieses Projekt war von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Man muss sich einmal Folgendes vor Augen halten: Bis 2017 war die SPÖ noch für eine Abschaffung der AUVA. Die 180-Grad-Wendung, die die SPÖ vollzogen hat, ist dem hatscherten Vorgehen der Frau Ministerin und der FPÖ zu verdanken; so war ei­gentlich von Beginn an einer sinnvollen Reform der Boden entzogen, weil die Elefanten in Horden durch den Porzellanladen gezogen sind. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Wenn man diese Reform mit einem Schachspiel vergleichen würde, dann, Frau Minis­terin, müsste man sagen, Sie haben schon beim zweiten Zug die Dame verspielt. Das wird als die Hartinger-Klein-Eröffnung in die Schachgeschichte eingehen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS.) In Ihrem „ZIB-2“-Interview, als Sie gesagt haben: Ich muss das mit der Milliarde nicht nachrechnen, das haben schon so viele Leute ausge­rechnet, das passt schon!, haben Sie auch gleich den ersten Turm geopfert.

Und so ist es nahtlos weitergegangen: Aus der Funktionärsmilliarde wird eine Patien­tenmilliarde – es war jedem klar, dass das bestenfalls eine Fantastilliarde in den Köp­fen von Schwarz und Blau ist, dieses Geld gibt es nirgends. Die „ZIB 2“ hat dazu einen Faktencheck gemacht, der „Standard“ hat einen Faktencheck gemacht – da war der nächste Turm weg vom Feld.

Dann kommt der Verfassungsdienst Ihrer eigenen Regierung und sagt im Gleichklang mit vielen maßgeblichen Juristen, dass diese Reform über weite Strecken verfassungs­widrig ist. – Ja, da haben Sie gleich zwei Läufer mit einem Schlag verloren.

Dann kommt der Rechnungshof und spricht von einem „Spiel mit Zahlen“. Das ist eine Deutlichkeit seitens des Rechnungshofes, die wir sehr selten erleben. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Diese Fantastilliarde ist ein „Spiel mit Zahlen“, das ist auch für den Rechnungshof absolut nicht nachvollziehbar. – Und damit waren auch Ihre Springer vom Feld. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt steht der König der Frau Sozialministerin schon ziemlich alleine auf dem Schach­brett, ein paar kleine Bauern sind noch da. Dann kommt das Ministerium von Vizekanz­ler Strache und kritisiert die Reform, weil in den Unterlagen keine vernünftigen Kenn­zahlen zu finden sind. – Also mehr braucht es dann nicht mehr, jetzt fällt die letzte Fi­gur. Frau Ministerin, Sie stehen mit Ihrem König ganz alleine auf diesem Schachbrett. (Abg. Povysil: Wir sind aber in ..., nicht am Schachbrett!)

Dazu kommt, dass sich die FPÖ vor den schwarzen Karren hat spannen lassen. Die ÖVP näht sich die Macht in der Sozialversicherung voll ein. Die rote Eisenbahnerversi­cherung (sich mit dem Zeigefinger an die Nase fassend und ein Klickgeräusch ma­chend): Weg! Die roten Kassen bekommen hinsichtlich Vorsitz ein Rotationsprinzip, sodass immer wieder ein Schwarzer zum Zuge kommt. Die schwarzen Kassen bleiben unberührt. Es gibt eine Fit-&-proper-Prüfung für Funktionäre, aber die Wirtschaftskäm­merer sind außen vor, das müssen nur die Arbeiterkämmerer machen. Sie (in Richtung FPÖ) haben den Steigbügel gehalten, damit die Schwarzen mehr oder weniger die Al­leinherrschaft in der Sozialversicherung übernehmen, weil Sie, glaube ich, dieses Sys­tem auch nicht so wirklich durchblicken – aber dann hätte man es auch nicht anfassen sollen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Reform bringt nichts von dem, was angekündigt war. Es bleiben die 15 Kranken­fürsorgeanstalten, es bleiben vier von fünf Betriebskrankenkassen. Es bleiben die Leis­tungen so unterschiedlich wie sie seit jeher waren, wir BVA-Versicherten sind immer noch die Privilegierten. Es gibt keine gemeinsame Zahlstelle für die Lohnabgaben, es gibt kein Ende der Mehrfachversicherung.

Frau Ministerin, warum tun Sie sich das an (Abg. Rosenkranz: Lassen wir es so, wie es ist!), nach dem Desaster um die AUVA, nach der 150-Euro-Geschichte im Zusam­menhang mit der Mindestsicherung, nach dieser Reform, die eigentlich schon im An­kündigungsstadium steckenbleibt? Die Mindestsicherungsreform kommt nicht, die Ar­beitslosengeldversicherung kommt nicht. (Abg. Rosenkranz: Woher wissen Sie das? – Abg. Gudenus: Das ist ein Wunschdenken von Ihnen!) Wollen Sie sich nicht überle­gen, ob Sie etwas anderes machen wollen? Ich glaube, diese Geschichte ist einfach ei­ne Nummer zu groß. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Schachspielen wäre besser als Politikmachen! – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartin­ger-Klein.)

10.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rossmann. Ich darf ihm das Wort erteilen.