14.12

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich folge dem Ar­gument meines Vorredners, Herrn Kollegen Siebers, für einen Moment und sage, dass diese Initiative tatsächlich eine Frage der Gerechtigkeit oder der Fairness ist, dass wir Kindern, deren Eltern in Österreich arbeiten, die aber im Ausland leben, eine geringere Familienbeihilfe zuteilwerden lassen als den Kindern, die in Österreich leben.

Dem müsste man dann aber weiter folgen und sagen: Es gibt einen Unterschied zwi­schen der Ostslowakei und dem Westen, denn im Großraum Bratislava sind die Le­benshaltungskosten deutlich höher als beispielsweise im Großraum Wien; in Wien ist es deutlich teurer als in Oberkärnten, und in Südwestfrankreich ist es deutlich teurer als im Elsass. All diese unterschiedlichen Regionen, diese unterschiedlichen Lebens­haltungskosten finden sich nicht wieder. Warum finden sie sich nicht wieder? – Weil wir gemeinsame europäische Richtlinien, gemeinsame europäische Spielregeln vereinbart haben; weil wir eben genau diese Diskussion hintanstellen und eine gemeinsame Lö­sung voranstellen wollten.

Es gibt zwei ganz grundsätzliche Bereiche, weshalb die vorgelegte Fassung der In­dexierung der Familienbeihilfe schlicht nicht europarechtskonform ist.

Der erste Punkt ist die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Si­cherheit. Was steht da drinnen? Was betrifft die Familienbeihilfe? – Der erste Teil ist: Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat woh­nen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates – so weit ist ja alles gut –, „als ob“ die Familienangehörigen „in diesem Mitgliedstaat wohnen würden“. Das bedeutet ganz, ganz konkret: Wir müssen Kinder, die in Rumänien leben, genauso behandeln wie jene, die in Österreich leben. Das ha­ben Sie, die ÖVP – bei der FPÖ bin ich mir nicht so sicher –, jedenfalls bisher immer mitgetragen.

Der zweite Punkt, ebenfalls europarechtlich relevant – noch relevanter, will man sagen, nämlich Primärrecht betreffend –, ist die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit. Dort ist klar festgehalten, dass sämtliche offenen und versteckten Diskriminierungen von Arbeitneh­merInnen aus anderen Mitgliedstaaten verboten sind. Das heißt also, Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer müssen in Österreich genauso behandelt werden, als wären sie Österreicher, wenn sie Unionsbürger oder -bürgerinnen sind. All das berücksichtigen Sie nicht.

Was passiert dadurch? – Da Sie das nicht berücksichtigen, schicken Sie ein Gesetz auf den Weg, das judiziert, beeinsprucht werden wird; es wird eine europarechtliche Auseinandersetzung darüber geben, wer recht hat. Damit bringen Sie uns auch in die Gefahr – jetzt unabhängig vom Gedanken der Fairness –, dass wir als Republik Öster­reich sehr hohe Nachforderungen für Kinder vor allem aus südosteuropäischen Staa­ten haben werden. Es ist europarechtlich jedenfalls extrem schwach – das ist das Ein­zige, was mir, ohne einen Ordnungsruf zu riskieren, dazu einfällt.

Ein anderer zentraler Punkt, der sehr wichtig ist: Es ist auch aus ostösterreichischer Sicht wirklich eine schwierige Situation. Wir wissen, dass gerade im Bereich der häus­lichen Pflege, der häuslichen Betreuung, um konkret zu sein, der 24-Stunden-Betreu­ung, sehr viele Menschen aus Rumänien, aus Ungarn, aus der Slowakei, aus Kroatien kommen. Insgesamt arbeiten 45 234 Menschen in dieser häuslichen Betreuung. Von diesen mehr als 45 000 sind in Summe nur 100 österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Genau da wiederum setzen wir an. Der Großteil dieser Mitarbeite­rInnen sind Frauen, die genau jene Ansprüche haben.

Wir wissen nicht, wie sich das auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Wir wissen nicht, ob diese PflegerInnen, BetreuerInnen in Zukunft lieber in Deutschland als in Österreich oder in Italien statt in Österreich arbeiten, weil – und das ist jetzt vielleicht auch eine falsche Interpretation – die Familienbeihilfe als Teil des Gesamteinkommens der Fami­lie betrachtet wird. Wir haben die Familienministerin an mehreren Punkten aufgefor­dert, vorher eine Studie zu machen und herauszufinden, welche Auswirkungen das Ganze hat. Das haben Sie nicht gemacht. Das heißt, wir haben einerseits die Proble­matik, dass die Indexierung europarechtlich nicht halten wird, andererseits riskieren Sie, dass die Älteren in unserer Gesellschaft künftig schwieriger eine Betreuung be­kommen werden.

Ein weiterer Punkt – und das ist für mich der zentrale –, weshalb wir diese Indexierung ablehnen: Es ist ein Angriff auf die gemeinsamen europäischen Werte. Es ist ein An­griff auf Europa (Ruf bei der FPÖ: Ist es nicht!), wenn Sie in der Zeit, in der Sie die Ratspräsidentschaft innehaben, nicht einmal fähig sind, eine europäische Lösung anzustoßen. Das hätten wir von Ihnen erwartet. Wir sind strikt dagegen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.17

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mühlberghuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.