16.03

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Ich möchte mit einem Zitat beginnen: Bleiben Sie bei der Wahrheit! – Das hat Klubobmann Wöginger gesagt. (Abg. Meinl-Reisinger: Ein großer Philosoph! – Zwischenruf bei der FPÖ.) Am 14. September dieses Jahres sind sie vorne gestanden – der Bundeskanzler, der Vizekanzler, die Frau Sozialministerin und Klubobmann Wöginger – und haben der Republik erklärt: Wir sparen 1 Milliarde Euro ein!

Natürlich wollten sich die interessierten Beobachter das anschauen, wo diese Milliarde ist und wie das funktioniert. Das war aber gar nicht so einfach, denn der Gesetzentwurf mit den Beilagen ist an jenem Freitag erst um 20.20 Uhr online gegangen. Da war die Zeitung vom nächsten Tag schon gedruckt, da war die „Zeit im Bild 1“ schon gesendet, die „ZIB 2“ war schon fertig redigiert. Man ist mit dieser Zahl, die nicht der Wahrheit entsprochen hat, perfekt durchgekommen, reichseinheitlich waren die Österreicherin­nen und Österreicher informiert. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Um 20.20 Uhr hat man sich das dann anschauen können. Aus den Unterlagen des Ministeriums, in denen das also die eifrigen, die beflissenen, pflichtbewussten Beamten ausgerechnet haben, ist herausgekommen, dass 33 Millionen Euro eingespart werden, also 0,033 Milliarden Euro. Damit war klar, die vier Herrschaften haben eben nicht die Wahrheit gesagt.

Wie wollten Sie das erreichen, diese Milliarde einzusparen? – Man wolle Personal re­duzieren, wurde erklärt, nämlich 30 Prozent des Verwaltungspersonals in den Kassen. Gleichzeitig wurde eine Jobgarantie abgegeben, und gleichzeitig wurde eine Standort­garantie abgegeben. Und natürlich werden die Leistungen harmonisiert – aber die wer­den alle nach oben harmonisiert, niemand bekommt weniger als vorher. Irgendwie spart man damit 1 Milliarde Euro. Das wird sich alles schon ausgehen. Die Ministerin hat in der „ZIB 2“ erklärt: Das haben schon so viele Leute ausgerechnet, das müssen wir nicht mehr ausrechnen. – Heute haben Sie gesagt, dass niemand weiß, wie hoch die Fusionskosten sind. Also Sie haben den betriebswirtschaftlichen Blindflug hier schon gestanden. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Vizekanzler Strache hat in dieser grandiosen Pressekonferenz, von der ich schon ge­sagt habe, sie hätte eigentlich auf dem Balkon des Belvedere stattfinden sollen (Abg. Höbart: Danke für die Blumen! Sie haben recht!), gesagt: Wir machen aus der Funk­tionärsmilliarde eine Patientenmilliarde. – Klubobmann Wöginger hat auf eine Frage ei­nes Journalisten geantwortet: Die Versicherten werden von dieser Reform nichts mer­ken. – Und damit ist er seinem eigenen Grundsatz treu und bei der Wahrheit geblie­ben: Die Versicherten werden von dieser Reform nichts merken! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Schon beim Ministerratsvortrag haben Sie, Frau Ministerin, damals gesagt, sparen werde man beim Verwaltungspersonal, beim Einkauf und bei der IT, und so komme man auf die Milliarde. – Schauen wir uns das beim Personal genau an: Die Pensions­versicherung bleibt so, wie sie ist, die Unfallversicherung bleibt so, wie sie ist, wir müs­sen also nur die Krankenversicherung anschauen, und dort macht das Verwaltungsper­sonal über alle Träger hinweg 8 100 Mitarbeiter aus. Jetzt nehme ich die Bezüge sehr hoch an, damit dort drüben (in Richtung SPÖ weisend) jetzt niemand schreit, und neh­me an, Sie würden diese Einsparung in der Höhe von 30 Prozent zustande bekommen. Damit haben Sie kumuliert bis 2023 immer noch erst 380 Millionen Euro gespart. (Abg. Höbart: Aber hallo!) Wie man aber in drei Jahren bei einer Jobgarantie 30 Pro­zent Personal reduziert, das können Sie niemandem vorrechnen, denn diese Fluktua­tion hat ein Sozialversicherungsträger nicht! Wo sehr viele Mitarbeiter unkündbar sind, da bleiben sie auch länger. Und auch wenn sie über 50 Jahre alt sind: Bei einem Pensionsantrittsalter von 65 ist über 50 überhaupt kein Hinweis auf einen baldigen Pensionsantritt. (Beifall der Abg. Doppelbauer.)

Beim Einkauf werden Sie einsparen. Ja, was kaufen denn so Krankenversicherungs­träger groß ein? – Medikamente, und die hat aber bis jetzt schon der Hauptverband für alle gemeinsam eingekauft. Also die großen Brocken sind unter Dach und Fach, und andere große Einkäufe wurden über die Bundesbeschaffung GmbH organisiert. Wo Sie dann noch grandioses Potenzial sehen, mit dem Sie auf 1 Milliarde Euro kommen, bleibt Ihr persönliches Geheimnis.

Auch bei der IT werde eingespart. – Es gibt schon eine ITSV, in der die Kassen ge­meinsam die Server laufen haben. Man macht also schon sehr viel gemeinsam – auch da bleibt die Milliarde ein Geheimnis.

Mein Lieblingsargument, das Sie gebracht haben, war folgendes: Die Burgenländer werden im Schnitt 63 Jahre gesund alt und die Tiroler werden 70 Jahre gesund alt, deswegen müssen wir die Kassen reformieren. – Holy (mit den Fingern schnippend) Dings. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Also bitte, wenn die Burgenländische Kasse so schlecht arbeitet, dass dort die Leute sieben Jahre früher krank sind als die anderen, dann gehören die sofort weg, aber ratzeputz. Das glaubt aber auch niemand im Ernst. Ich bin ein großer Kassenkritiker, aber dass die Kassen schuld sind, dass die Burgenländer früher krank werden, das un­terstelle ich ihnen sicher nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schimanek: Ich glaube, das haben Sie falsch verstanden, Herr Kollege! Ich glaube, das haben Sie falsch verstanden!)

Was in dieser – unter Anführungszeichen – „Reform“ nicht drinnen ist, ist auch ein per­sönliches Versprechen von Bundeskanzler Kurz an einen Journalisten. Der Journalist hat damals in der Pressekonferenz gefragt, ob die Mehrfachversicherungen abge­schafft werden. Und Kurz hat gesagt: Ja! Sie sind als Journalist ja Angestellter, und ich weiß, dass Sie auch Bücher publizieren, Sie werden nur noch bei einem Träger versi­chert sein! – Das entspricht nicht der Wahrheit; das zutreffende Wort darf man hier he­rinnen ja nicht sagen, ohne dass man einen Ordnungsruf bekommt.

Dann schließe ich bei Kollegen Wimmer an, der gesagt hat, es beginne jetzt richtig schwarz zu werden. Die VAEB ist schwarz. Es gibt eine Rotation bei den Trägern, die nicht schwarz sind (Zwischenruf bei der ÖVP), bei den schwarzen rotiert der Vorsitz nicht. Anteilig gibt es mehr Wirtschaftskammerfunktionäre als bisher, weniger Arbeiter­kammerfunktionäre – mehr schwarz! Fit-&-proper-Prüfungen gibt es jetzt zuerst einmal für alle; ausgenommen sind dann die, die zum Beispiel einmal Geschäftsführer einer GmbH waren. Also die Wirtschaftskammerfunktionäre müssen keine Fit-&-proper-Prü­fung machen, die Arbeiterkammerfunktionäre müssen eine machen.

Wie bekommt man jetzt aber die ganzen Freiheitlichen in die Sozialversicherung? (Hei­terkeit bei den NEOS.) – In § 718 Abs. 17 steht, wie die dienstrechtlichen Vorausset­zungen für eine Spitzenfunktion in den Kassen heruntergefahren werden. Es wird also künftig leichter sein, dass man Direktor eines Trägers, einer Krankenkasse wird, als es bisher war. So kann man die Tür für die Freiheitlichen, die die notwendige Ausbildung nicht haben, öffnen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Jarolim: Sehr elegant gesagt! – Abg. Vogl: Und trotzdem verständlich! – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Weiters wurde gesagt, es gibt einen Ärztemangel. Wir haben zu wenig niedergelas­sene Ärzte, und dagegen muss man jetzt etwas tun. – Ja, da haben Sie recht mit Ihrer Analyse, Frau Kollegin Belakowitsch, nur ändert dieses ganze Reformspektakel am Ärztemangel genau gar nichts – genau gar nichts! (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Da bin ich wieder beim Kollegen Wöginger, der gesagt hat: Bleiben Sie bei der Wahr­heit!

Das muss ich jetzt zur roten Seite auch noch sagen: Bitte, bleiben auch Sie bei der Wahrheit! – Es ist natürlich keine Zerstörung – da zitiere ich wieder Wöginger –, die Versicherten werden von dieser Reform nichts merken. Da können Sie cool bleiben! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Knes: Jetzt habe ich ausnahmsweise nicht mehr ge­klatscht ...!)

16.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rossmann. – Bitte.