Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kündi­gung der Abkommen mit dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zen­trum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ (433/A(E))

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf, und wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 433/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine schriftliche Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Dr. Alma Zadić, LL.M., Freundinnen und Freunde

betreffend „Kündigung der Abkommen mit dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“

Begründung

Seit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi wird auch von Öster­reich eine klare und unmissverständliche Antwort an das saudische Regime erwartet. Wer Kritiker verhaften, foltern und ermorden lässt, kann nicht zur gleichen Zeit Partner eines „Dialogs“ über Menschenrechte und Religionsfreiheit sein.

Die Gründung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für inter­religiösen und interkulturellen Dialog (kurz „Zentrum“) war von Anfang an umstritten. Der Umstand, dass das Zentrum finanziell von der Gründungspartei Saudi-Arabien abhängig ist und die Religionsfreiheit gerade durch Saudi-Arabien nicht ausreichend gewährleistet wird, stand dabei im Mittelpunkt.

In der Präambel des Übereinkommens zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog heißt es, dass die Vertragsparteien „im Bestreben gegenseitigen Respekt und Verständnis zwi­schen den verschiedenen religiösen und kulturellen Gruppen zu fördern“, überein­gekommen sind, das Zentrum zu errichten und die „Grundsätze und Werte des menschlichen Lebens und der Menschenwürde, der Menschenrechte und Grund­frei­heiten für alle, ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion“ zu ach­ten.

Die wichtigsten Ziele des Zentrums sind laut Errichtungsübereinkommen:

•           „den interreligiösen und interkulturellen Dialog zu stärken“ und

•           „die aktuellen Herausforderungen für die Gesellschaft, wie die Würde des menschlichen Lebens (…) anzusprechen“.

In zahlreichen Fällen haben die saudischen Vertragspartner überzeugend doku­men­tiert, was sie unter „Dialog“ und „Würde des menschlichen Lebens“ verstehen. Im Fall „Khashoggi“ hat der Journalist sein Vertrauen in saudische Behörden mit dem Leben bezahlt.

Die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien hat sich seit Gründung des Zentrums weiter verschlechtert. Zwei Fälle stehen für viele andere:

•           Ali Mohammed Baqir al-Nimr wurde 2012 zum Tode verurteilt, weil er mit 17 Jahren an einer Demonstration gegen die saudische Königsherrschaft teilgenommen hat;

•           Raif Badawi wurde 2014 wegen Betreiben einer liberalen Website und seinem Plädoyer für die Religionsfreiheit zu 10 Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und der Zahlung einer hohen Geldstrafe verurteilt.

Auch wenn sich das Zentrum in einer Aussendung „über die Nachrichten zu den jüngsten Ereignissen im Konsulat des Königreichs Saudi Arabien in Istanbul sehr besorgt“1 zeigt, ändert dies nichts daran, dass das Gründungsmitglied Saudi-Arabien offenkundig nicht willens ist, die Unteilbarkeit und Interdependenz der Menschenrechte anzuerkennen und darüber hinaus auch deren Verwirklichung zu garantieren.

Im jüngsten Amnesty International Bericht wird die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien wie folgt zusammengefasst:

„Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2017 weiterhin empfindlich ein. Zahlreiche Menschenrechts­ver­teidiger und Regierungskritiker wurden in unfairen Gerichtsverfahren zu hohen Gefäng­nisstrafen verurteilt. Mehrere schiitische Aktivisten wurden hingerichtet; gegen viele weitere ergingen Todesurteile nach grob unfairen Gerichtsverfahren vor dem Sonder­strafgericht für terroristische Straftaten. Folter und andere Miss-handlungen von Gefan­genen waren weiterhin an der Tagesordnung. Trotz zaghafter Reformen wurden Frauen durch Gesetze und im Alltag systematisch diskriminiert und nicht ausreichend vor sexualisierter Gewalt und anderen Gewalttaten geschützt. Die Todesstrafe wurde häufig angewandt, und es gab zahlreiche Hinrichtungen. Die von Saudi-Arabien ge­führte internationale Militärallianz verübte im Jemen schwere Verstöße gegen das Völkerrecht.“2

Auf all diese Missstände gibt es eine klare und verständliche Reaktion Österreichs: die Schließung des Zentrums. Auf diese Forderung hat die Außenministerin in der ZiB 2 am 23. Oktober 2018 eine eindeutige Antwort gegeben: „Nein“. Und: „Sie können einfach eine internationale Organisation als solche nicht sofort schließen.“

Das ist prinzipiell richtig, da das Zentrum nur einstimmig von allen drei Vertrags­parteien aufgelöst werden kann.

Aber die Außenministerin weiß: Die Bundesregierung kann jederzeit vom Überein­kom­men zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für inter­religiösen und inter-kulturellen Dialog (kurz „Errichtungsübereinkommen“) zurück­treten (Art XVIII Errichtungsüberein-kommen) und das entsprechende Abkommen über den Sitz des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (kurz „Amtssitzabkommen“) kündigen (Art 23 Amtssitz­ab­kommen). Der erste Schritt wird drei Monate nach Erhalt, der zweite sechs Monate nach Kündigung wirksam.

Und eines ist offensichtlich: Ohne Amtssitz wird es kein Saudi-Zentrum in Österreich geben. Genau darum geht es jetzt.

Das Regime in Riad versteht nur eine klare und deutliche Sprache: Ohne Respekt vor dem Leben und der Würde von Menschen gibt es keinen Dialog. Diese Grenze muss auch die österreichische Politik in aller Deutlichkeit ziehen. Jetzt.

Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden    

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird – angesichts der schweren und fortdauernden Men­schen­rechtsverletzungen durch das Königreich Saudi-Arabien – ersucht,

1.         vom Übereinkommen zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (kurz „Errichtungs­übereinkommen“) zurückzutreten (Art XVIII Errichtungsübereinkommen) sowie

2.         das entsprechende Abkommen über den Sitz des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (kurz „Amts­sitzabkommen“) zu kündigen (Art 23 Amtssitzabkommen).

Die im Folgenden unterzeichneten Abgeordneten verlangen die dringliche Behandlung des obenstehenden Entschließungsantrags gemäß § 74a iVm § 93 Abs 1 GOG-NR.

1 https://www.kaiciid.org/de/news-events/news/kaiciid-condemns-all-forms-violence (24.10.2018).

2 https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/saudi-arabien (24.10.2018).

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich erteile nun Herrn Abgeordnetem Pilz als An­tragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Ich bitte Sie nun ans Rednerpult. (Abg. Jarolim: Ich bitte um nicht allzu große Zurückhaltung!)