15.20

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf wie folgt auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Pilz eingehen: Herr Abgeordneter, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! (Abg. Pilz: Gerne!) Sie haben mir gleich zu Beginn vorgehalten, wir würden uns nur dann europäisch verhalten, wenn es um so wichtige Themen wie Saudi-Arabien geht, aber bei anderen nicht.

Vielleicht haben Sie auch nachgelesen, dass ich am 8.10. bereits eine ganz klare Auf­forderung ausgesprochen habe. Als die ersten Elemente dieses barbarischen Aktes über die Medien bekannt wurden, habe ich am 8.10. öffentlich zu einer umfassenden, vollständigen und unabhängigen Aufarbeitung dieses Falles aufgefordert. Wann haben die sogenannten E3 – London, Paris und Berlin – agiert? Am 14.10., das heißt, ich habe hier nicht den Gleichklang gesucht. Ich habe nicht abgewartet, wann die Euro­päische Kommission, wann Federica Mogherini etwas sagt. Ich habe das bereits am 8.10. getan. Am 20.10. habe ich in einer ausführlicheren Stellungnahme, da wir über weitere Elemente verfügten, ebenso klar und deutlich Stellung bezogen. Ich habe da nicht, wie Sie mir vorwerfen, ängstlich abgewartet, bis andere etwas tun. Nein, ich war eine Woche schneller, als man es in vielen anderen europäischen Hauptstädten war, um klare Handlungsaktionen zu setzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe auch sofort nach Bekanntwerden der allerersten Sachverhaltsdarstellungen, die sich dann im Laufe der Tage immer wieder geändert haben, meine Reise nach Saudi-Arabien abgesagt, die für Mitte Dezember geplant war. Unter diesen Um­ständen, bei diesen unklaren Sachverhaltsdarstellungen, bei derartigen Vertuschungs­aktionen kann man – obwohl ich immer dafür bin, im Gespräch zu bleiben, die Kanäle offen zu halten – nicht im Gespräch bleiben, sondern da muss man abwarten, bis eine unabhängige Aufklärung des gesamten Falles vorliegt. Erst dann kann man wieder die direkten Kanäle benutzen. Das heißt, ich habe meine Reise abgesagt, die bereits in Planung und Ausarbeitung war. Das war die zweite Aktion, die ich gesetzt habe.

Sie haben den Jemen angesprochen. Ich habe in weiterer Folge bei meiner Gene­ralversammlungsrede – die heute netterweise von einigen Abgeordneten bereits aufge­griffen wurde –, im arabischen Teil und auch im englischen Teil zwei Schwerpunkte gesetzt. Ich habe nicht, wie das bei Generalversammlungsreden so üblich ist, eine Ansammlung von Wald- und Wiesenfeststellungen gemacht, wo man wie großartig agiert, sondern ich habe ganz klar zwei Themen herausgegriffen – darunter den Jemen. Ich habe in meiner Rede vor der Generalversammlung gesagt: Der Jemen ist die größte humanitäre Katastrophe seit 1993. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe dazu auch in der Folge weitere Aktionen von österreichischer Seite angekündigt. Wir haben uns, was humanitäre Hilfe anbelangt, im Jemen in diesem Jahr bereits mit einigen Millionen beteiligt. (Zwischenruf des Abg. Pilz.– Bitte? (Abg. Pilz: Eine Million!) – Ich habe noch weitere in Ausarbeitung.

Sie haben ganz konkret die Problematik der Waffenexporte angesprochen. Auf Basis des Kriegsmaterialgesetzes, für dessen Umsetzung zwei andere Ressorts zuständig sind – nicht das meine federführend –, geben die Mitarbeiter des Außenministeriums die außenpolitische Analyse an das Wirtschaftsministerium und an das Innenminis­terium weiter. Wir haben in unserer Analyse, was den Jemenkrieg anbelangt, genau auf die von Ihnen angesprochene Stellvertreterkriegsproblematik hingewiesen. Meiner Meinung nach ist der Jemenkrieg genauso wenig wie der Krieg in Syrien ein Bür­gerkrieg, sondern es handelt sich um Stellvertreterkriege. Wenn man sich die Genese dieses Krieges anschaut, der am 24. März 2015 vor dem Hintergrund der damals laufenden Gespräche zwischen den US-Unterhändlern und den iranischen Unter­händlern in Lausanne begann, dann handelte es sich zweifellos um einen Krieg, um genau diese Gespräche zu torpedieren. Daher hat damals Österreich den Export von allem, was im Sinne des Kriegsmaterialgesetzes derartiges Material ist, nach Saudi-Arabien gestoppt. Sie haben den Vorwurf erhoben, dass es um Kriegswaffenexporte in die gesamte Region geht. Über die Definition der Region des Nahen Ostens streitet man sich trefflich seit Jahrzehnten: Wo ist dieser Nahe Osten? (Abg. Pilz: Abu Dhabi!) Der beginnt für manche am Horn von Afrika und endet in Afghanistan. Das heißt, man kann darüber streiten, was diese gesamte Region ist. Die österreichische Bun­des­regierung hat damals im Sinne des Kriegsmaterialgesetzes die Waffenexporte nach Saudi-Arabien gestoppt.

Sie haben andere Waffen angesprochen. Die fallen nicht unter das Kriegs­material­gesetz und dafür ist auch nicht mein Ressort zuständig. Sie haben mich und meine Verantwortung angesprochen. Ich habe nicht das geringste Problem, meine Verant­wortung wahrzunehmen. Zu dieser Verantwortung stehe ich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was den Waffenhandel insgesamt anbelangt, so darf ich Sie kurz informieren, was der allerletzte Stand innerhalb wesentlicher Staaten der Europäischen Union ist: Es gab gestern ein Votum im spanischen Parlament, das ein Waffenembargo abgelehnt hat. Sie kennen die Genese in Spanien, da geht es um einen Auftrag für eine große Werft. Die spanische Verteidigungsministerin hat ersucht, diesen Auftrag zu stoppen. Es gab aber den entgegengesetzten Wunsch der gesamten Regierung, und es gab vor allem den Wunsch dieser Region. Spanien hat gestern also in seiner Gesamtheit als Parla­ment gegen ein Waffenembargo votiert.

Ich bin mit meinem Kollegen Josep Borrell seit zehn Tagen immer wieder in Kontakt. Ich treffe ihn übermorgen bei einer gemeinsamen Konferenz und ich werde mit ihm auch die Frage unser beider Rollen im Kaiciid ansprechen. Er ist darüber informiert. Ich habe in den letzten Tagen mit dem Generalsekretär des Kaiciid ein sehr, sehr klares Gespräch geführt und habe ihm den Reformkatalog in Erinnerung gerufen, den das Außenministerium im Jänner 2015 vorgelegt hat.

Ich darf darauf verweisen: Es geht um eine „Erweiterung des Kreises der Vertrags­parteien“, wie im Gründungsabkommen vorgesehen. Derzeit sind, wie Sie richtig be­schrieben haben, Spanien, Saudi-Arabien und Österreich Vertragsparteien. Der Vati­kan ist Beobachter. Wir haben den Ausschluss der finanziellen Abhängigkeit von ein­zel­nen Vertragsparteien und ein stärkeres Auftreten bei Menschenrechtsverletzungen mit religiösem Zusammenhang gefordert; das haben wir eingefordert.

Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, was in diesem Zentrum vorgeht. Ich habe den Generalsekretär des Kaiciids darauf hingewiesen, dass ich nie gefragt habe: Was geht in Ihrem Zentrum vor? Ich habe gesagt, wir wollen eine zügige Umsetzung dieser Reformen. Meine Vorgehensweise hat jetzt nichts mit der berechtigten weltweiten Empörung rund um den barbarischen Akt der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi zu tun, sondern das ist in einem viel weiteren Kontext zu sehen, den Sie bereits angesprochen haben, mit dem Jemenkrieg, aber da fallen auch die Katarkrise und viele andere Krisen in der Region hinein, wo sich gegenwärtig geopolitisch vieles dreht, und ein Ende ist für uns noch nicht absehbar.

Das waren die Forderungen, die das Außenamt an das Kaiciid gestellt hat. Ich habe den Generalsekretär informiert, dass ich eine zügige Umsetzung dieser Reformen unter Einbeziehung einer Vertreterin des Außenministeriums erwarte, die in das Kaiciid hineingeht und die für die nächsten Monate diese Reformumsetzung – das heißt: Erweiterung der Vertragsparteien und ein Abgehen von dieser finanziellen Abhän­gigkeit – beobachtet. Sollte das nicht erfolgen, behalten wir uns weitere Optionen vor.

Der von Ihnen angesprochene Rücktritt ist zweifellos eine rechtliche Möglichkeit, aber das ist etwas, das ich in diesem Moment vor dem Hintergrund dessen, dass man als eine Möglichkeit anbietet, dass Reformen umgesetzt werden, noch nicht ergreifen möchte. Daher: Dunkelgelbe Karte nicht an den saudischen Botschafter – das habe ich nicht gemacht –, sondern Dunkelgelbe Karte an das Zentrum. Dem saudischen Botschafter habe ich sehr deutlich klargemacht, dass mich seine Argumente, seine Darlegungen, gerade was die Verhaftungen von Frauen anbelangt, die bei Kongressen waren, deren einziges Verbrechen vielleicht darin besteht, dass sie an Kongressen teilgenommen haben, nicht überzeugen. Das habe ich auch in den Nachrichten gesagt. (Abg. Pilz: ... Konsequenzen!)

Ich habe auch das Kaiciid darauf angesprochen, dass es sehr wohl darum geht, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte integraler Bestandteil der Arbeit des Kaiciid ist und dass da – gerade was die Rechte der Religionsfreiheit anbelangt – klarer, konsequenter gearbeitet werden muss. Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, was dort vorgeht, sondern ich fordere das Kaiciid noch einmal klar auf, diesen Forde­rungskatalog in den nächsten Monaten umzusetzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwi­schenruf des Abg. Pilz.)

Was die Situation in der Region insgesamt anbelangt, haben Sie auch gefordert, die Bun­desregierung möge eine Neuausrichtung, eine neue Definition ihrer Position vornehmen. Es dreht sich im Nahen Osten gewaltig vieles. Dass wir da eine euro­päische Handlungsoption gegenwärtig nicht in dem Umfang haben, wie wir sie gerne hätten, erklärt sich aus vielen Gründen. Ich habe vor zwei Tagen einen kritischen Gast­kommentar zum neuen E3-Format geschrieben, das vielleicht auch den Brexit über­leben wird. – Danke.

15.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Alma Zadić. – Alle folgenden Redner haben 5 Minuten Redezeit zur Verfügung.