13.56

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Hohes Haus! Das, was von der freiheitlichen Fraktion bis jetzt zum Thema Arbeitszeit und Arbeitsrecht gekommen ist, könnte man auch in einem Halbsatz zusammenfassen. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt stehe ich als überzeugter Befürworter der Arbeitszeitflexibilisierung hier, Sie aber machen es einem wirklich schwer. Genau das habe ich vor vier Monaten gesagt, und es hat sich nichts daran geändert. (Beifall bei den NEOS.)

Was Sie mit der trampelhaften Art, mit der Sie dieses Gesetz durch das Parlament gewürgt haben (Beifall bei den NEOS – Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP), erreicht haben, ist das Chaos, das wir jetzt sehen. Wir haben verunsicherte Unternehmer, ver­ängstigte Arbeitnehmer und Rechtsunsicherheit auf beiden Seiten. Das ist das Ergebnis Ihrer Arbeit.

Frau Ministerin Schramböck hat in ihrer Rede darauf hingewiesen, dass manche Vorwürfe, die hier vorgebracht werden, mit der Realität nichts zu tun hätten. Jetzt möchte ich aber schon auch einmal darauf eingehen, was es mit der Realität zu tun hat, was Sie den Leuten erzählen.

Die von Ihnen groß propagierte Freiwilligkeit im Zusammenhang mit Überstunden existiert natürlich im realen Leben nicht. Jeder, der schon einmal gearbeitet hat, egal ob als Chef oder als Mitarbeiter (Abg. Rädler: Sie nicht!) – Kollege Rädler, ich meine, bei Ihrer Therme, die nur 28 Grad hat, muss man wenigstens keine Sorge haben, dass irgendjemand in zu warmes Wasser käme (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ) –, weiß, dass es die Freiwilligkeit in der realen Arbeitswelt nicht gibt. Ein Bundeskanzler, der nach der Matura nur ein Jusstudium abgebrochen hat und noch nie einem ernsthaften Job außerhalb der Politik nachgegangen ist, hat aber natürlich keine Ahnung davon, wie es in der Arbeitswelt ist, weder als Chef noch als Mitarbeiter. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Uh-Rufe bei der ÖVP.)

Wenn der Chef im Produktionsbetrieb sagt, nächste Woche müssen wir die Maschine 12 Stunden laufen lassen, damit wir die Aufträge abarbeiten können, dann gibt es keine Freiwilligkeit. (Abg. Winzig: Dann kommen Sie einmal zu uns in den Betrieb!) Das weiß jeder, der dort einmal gearbeitet hat.

Im wirklichen Leben können Sie Freiwilligkeit auf jeden Zettel schreiben – Papier ist geduldig –, doch diese Position hat der Arbeitnehmer nicht. Umgekehrt kann und darf es für Unternehmen natürlich auch keine Freiwilligkeit geben, wenn es darum geht, die Zuschläge zu diesen Überstunden zu bezahlen. Daher ist es gut und richtig, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Recht haben, zwischen dem Zeitzuschlag und dem Auszahlen in Euro zu wählen.

Noch einmal zusammengefasst: Wer einmal auch nur kurz, ein paar Wochen, reale Arbeitsweltluft geschnuppert hat, wüsste, die von ÖVP und FPÖ versprochene Freiwilligkeit kann es in dieser Form nicht geben. Sie haben aber nicht nur die Arbeiter und Angestellten am Schmäh geführt – okay, der Partei der Beamten und Bauern sind die Arbeiter und Angestellten ziemlich egal –, sondern Sie haben auch mit einem Federstrich jede Rechtssicherheit beseitigt. Die Bestimmung zu den Überstunden im § 6 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz, die Kollege Wöginger schon zitiert hat, gibt es seit den Siebzigerjahren. Diese Bestimmung findet sich auch in Kollektivverträgen der Metaller und im Handel wieder. Dazu gibt es Judikatur en masse. Das heißt aber auch: Es gibt Rechtssicherheit. Die Unternehmer wissen, wie sie dran sind, und die Arbeitnehmer wissen es.

Jetzt haben Sie etwas Neues drangestückelt: Sie haben für die 11. und die 12. Stunde eine neue Form des Ablehnungsrechts kreiert. Da ist es logisch, dass sich damit im ersten Moment gar niemand auskennen kann. Wie auch? – Es gibt keine Anhalts­punkte dafür. Rechtssicherheit wäre gewesen, wenn Sie eine einheitliche Regelung geschaffen hätten, die auf dem basiert, was die österreichische Rechtsordnung schon lange kennt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheit­liches Ablehnungsrecht für Überstunden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die unterschiedlichen Regime im Arbeitszeit­gesetz betreffend des Ablehnungsrechts für angeordnete Überstunden (§ 7 Abs. 6 AZG und § 6 Abs. 2 AZG) unter Verwendung der jahrzehntelang bewährten Rechtsbegriffe so zu vereinheitlichen, dass Rechtssicherheit für Arbeitnehmerseite und Arbeitgeber­seite besteht.“

*****

Zu dieser Rechtssicherheit hätten natürlich auch die Zwangskammern beitragen kön­nen, haben sie aber nicht. Die Wirtschaftskammer hat schlecht informiert, schlecht beraten, was dazu geführt hat, dass fehlerhafte Vertragsmuster kursieren, die dem Gesetz nicht entsprechen (Ruf bei der ÖVP: Ich glaub’, das war ein Steuerberater!), und die Arbeiterkammer hätte die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beraten kön­nen, das hat sie aber nicht, sondern sie hat sich zu einer Propagandamaschine der Verängstigung im Dienste der Sozialdemokraten degradiert. (Beifall bei den NEOS.)

Die Hauptschuld an der Misere tragen allerdings natürlich ÖVP und FPÖ. Sie haben dieses Gesetz hinter den Kulissen von der Industriellenvereinigung schreiben lassen, sie haben es nicht in Begutachtung gegeben, sie haben es mithilfe eines parteilich agierenden Nationalratspräsidenten am Fachausschuss vorbeigeschummelt und sie haben den Arbeitern und Angestellten das Märchen von der Freiwilligkeit erzählt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend einheitliches Ablehnungsrecht für Überstunden

eingebracht im Zuge der Debatte in der 47. Sitzung des Nationalrats über den Dring­liche Antrag

Im Zuge der beschlossenen neuen Arbeitszeitregelungen wurde unter anderem ein Ablehnungsrecht für die elfte und zwölfte Überstunde verankert. Dieses Recht auf Ablehnung wurde von der Bundesregierung gewissermaßen als „Freiwilligkeits­garan­tie“ vermarktet. War im ursprünglichen Entwurf noch die Rede von „überwiegenden persönlichen Interessen“, die der Leistung der zusätzlich angeordneten Arbeitszeit entgegenstehen müssten, so wurde dieser Passus aufgrund massiver öffentlicher Kritik folgendermaßen abgeändert:

§ 7 Abs. 6 AZG:

„Es steht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, Überstunden nach § 7 und § 8 Abs. 1 und 2 ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Über­stun­den die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stun­den überschritten wird. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten. § 105 Abs. 5 des Arbeits­verfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974 gilt sinngemäß. "

Damit wurde zwar legistisch eine echte Möglichkeit für Arbeitnehmer_innen geschaf­fen, die angeordnete elfte oder zwölfte Überstunde abzulehnen; es wurde aber ein neuer, noch unzureichend definierter Rechtsbegriff ins Arbeitszeitgesetz eingeführt. Durch die vielfach propagierte „Freiwilligkeitsgarantie“ hat man somit innerhalb eines Gesetzes zwei unterschiedliche Rechtsregime geschaffen, was das Ablehnungsrecht von angeordneten Überstunden von Arbeitnehmer_innen an-geht. Bisher ist nämlich im Arbeitszeitgesetz folgendes geregelt:

§ 6 Abs. 2 AZG:

„Arbeitnehmer dürfen zur Überstundenarbeit nur dann herangezogen werden, wenn diese nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zugelassen ist und berück­sichti­gungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Überstundenarbeit nicht entgegenstehen.“

Diese Bestimmung ist weiterhin Bestandteil des AZG. Dieselbe Textierung findet sich auch in großen Kollektivverträgen, wie beispielsweise dem Kollektivvertrag für Han­dels­angestellte („Sofern vertraglich nicht ausgeschlossen, sind Arbeitnehmerinnen im Falle rechtzeitiger Anordnung im Rahmen der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit­über­schreitungen zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn berücksichtigungs­wür­dige Interessen der Arbeitnehmerin nicht entgegenstehen.“), dem Kollektivvertrag der Metallindustrie oder dem KV für Bergbau und Stahl. Über Jahrzehnte hat sich eine solide Judikatur zu dieser Bestimmung entwickelt, sodass für Arbeitgeber- und Arbeit­nehmerschaft Sicherheit über das Verständnis dieser Textierung besteht.

Durch die unterschiedlichen Modi des Ablehnungsrechts, die im Zuge der AZG-Novelle geschaffen wurden, entsteht Rechtsunsicherheit sowohl für Arbeitgeber_innen, als auch für Arbeitnehmer_innen. Die Befürchtungen, wonach es deswegen zu einer Klagsflut vor Arbeits- und Sozialgerichten kommen wird, beginnen sich bereits zwei Monate nach Inkrafttreten der Novelle zu erfüllen. Es ist daher dringend notwendig, ein einheitliches Recht auf Ablehnung von Überstunden zu definieren - ganz gleich, ob es sich um die neunte und zehnte, oder die elfte und zwölfte Überstunde handelt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die unterschiedlichen Regime im Arbeits­zeitgesetz betreffend des Ablehnungsrechts für angeordnete Überstunden (§7 Abs. 6 AZG und § 6 Abs. 2 AZG) unter Verwendung der jahrzehntelang bewährten Rechts­begriffe so zu vereinheitlichen, dass Rechtssicherheit für Arbeitnehmerseite und Arbeit­geberseite besteht.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt (Unruhe im Saal) – ich darf um Aufmerksamkeit bitten, sonst geht das vielleicht verloren – und steht somit in Verhandlung.

Ich darf als nächstem Redner Herrn Abgeordnetem Rossmann das Wort erteilen. – Bitte.