15.02

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Ministerinnen Schramböck und Hartinger-Klein! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Die Zeiten sind gut, und mit vereinten Kräften werden sie noch besser werden.

Es ist dem herausragenden Sachverstand, den Menschen in unserem schönen Land und der Kompetenz vorangegangener Regierungen zu verdanken, dass Österreich im internationalen Vergleich immer noch so gut aufgestellt ist. Es gibt Verbesserungs­potenzial, aber grundsätzlich wissen wir und sind wir uns alle einig, dass wir auf der viel zitierten Insel der Seligen wohnen dürfen.

Was jetzt die Zukunft der Arbeitswelt betrifft, ist es aber so: Wenn wir die Zeichen der Zeit nicht erkennen, wird es bald nicht mehr ganz so selig sein. Es fehlt in der heutigen Debatte eine ganze Dimension, deren Betrachtung ich mit Ihrem Einverständnis gerne nachholen würde: Die Digitalisierung verändert bereits heute unsere Arbeitswelt massiv. Im Zuge der Digitalisierung erleben wir im Gegensatz zur Industrialisierung, dass die Märkte nicht mehr wachsen, sondern effizienter werden. Wir können davon ausgehen, dass in 10 bis 20 Jahren viele Berufe durch Computerprogramme, Roboter, Automatisierung und künstliche Intelligenz ausgeübt werden. In 20 Jahren werden wir keine niedrigst bezahlten Menschen mehr unter schwerstem körperlichem Einsatz ihre Gesundheit hinter Maschinen aufs Spiel setzen sehen. Roboter werden in Zukunft bei Wind und Wetter 24 Stunden am Tag unermüdlich einen Ziegel auf den anderen set­zen, und der Beruf des Maurers wird nur noch in Spezialfällen in Erscheinung treten.

Wenn wir über neue Arbeitszeitmodelle diskutieren, müssen wir daher die Situation der Menschen, die zukünftig durch die Digitalisierung ihre Jobs verlieren, in den Vorder­grund stellen. Ich habe meine Zweifel, dass das neue Arbeitszeitgesetz mit dem heute kritisierten Passus der Freiwilligkeit, der eine Farce zu sein scheint, die richtige Antwort auf diese tiefgreifende Veränderung in der Arbeitswelt ist. Wir in Österreich wissen: In der Wirtschaft besteht die Bereitschaft, soziale Verantwortung zu übernehmen, denn nicht umsonst haben wir uns international den Ruf erworben, ein wohlhabendes Land mit fairen Löhnen, fairen Arbeitszeiten und hohem Lebensstandard zu sein. Es ist anzunehmen, dass die Wirtschaft auch zukünftig ihren sozialen Verpflichtungen nach­kommen wird.

Die Tatsache, dass Sozialphilosophen wie Konrad Paul Liessmann bei Veranstaltun­gen wie dem Forum Alpbach über das bedingungslose Grundeinkommen diskutieren, bekräftigt diese Annahme. Das bedingungslose Grundeinkommen ist daher keine Frage von Präferenz oder Option, sondern eine zwangsläufige Konsequenz der Digita­lisierung, eine Conditio sine qua non. Die großen Philosophen und Publizisten unserer Zeit, etwa Richard David Precht, sind überzeugt, dass das bedingungslose Grundein­kommen die großen Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen vermag.

Wir müssen über Arbeitszeitflexibilisierung reden. Die heutige Debatte ist wichtig, aber es sei uns bewusst, damit operieren wir am bestehenden System herum – sei es Ver­kürzung, Flexibilisierung oder Verlängerung von Arbeitszeiten –, wir müssen es aber wagen, auch den Systemwandel zu denken, zu erschaffen und umzusetzen, und damit kommen wir am Grundeinkommen nicht vorbei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei so vielen klugen Köpfen und herausragenden Denkerinnen und Denkern in diesem Land und auch in diesem Hohen Haus ist eine gemeinsame Lösung möglich. Dazu sollten wir aber alle zusammenstehen und an einem Strang ziehen.

Sämtliche Rednerinnen und Redner bei den Feierlichkeiten anlässlich 100 Jahre Re­publiksgründung dieser Tage sprechen genau dieses Miteinander an. Um unseren Bundespräsidenten zu zitieren: „Das Talent, Gemeinsamkeit herzustellen, ist etwas, was im Herzen das Österreichische ausmacht“. – Eines ist nämlich sicher: Die Folgen der Digitalisierung, negative wie positive, betreffen uns alle.

Es gibt heute in Österreich schon Dutzende Vereine und Organisationen, die sich das Thema auf die Fahnen geschrieben haben:  SOL, Generation Grundeinkommen, der Runde Tisch, Attac oder die kürzlich gegründete Akademie der Begegnung, der ich vorsitzen darf. Das Thema bewegt zu Recht. Es kursieren einige Modelle am Markt, vom liberalen Bürgergeld der NEOS über das Attac-Modell, das mehrwert­steuerfinan­zierte Modell nach Götz Werner oder das 2 500-Euro-BGE-Modell. Wir werden diese mit vereinten Kräften studieren müssen, Vergleichsanalysen aufsetzen, um die Einfüh­rung des Grundeinkommens in naher Zukunft möglichst im Konsens zu ermöglichen und damit eine brandneue, eine glänzende Gesellschaft zu schaffen. Es wird allerdings nicht genügen, sich in 10, 20 oder 30 Jahren mit diesem Thema auseinanderzusetzen, denn wir digitalisieren jetzt und die Folgen sind unmittelbar spürbar.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Zeiten sind gut, sie können noch besser werden. Mögen unsere Nachfahren in hundert Jahren genauso viel Grund zum Feiern haben, wie wir dieser Tage, lassen Sie uns sicherstellen, dass uns die gemeinsame Zukunft gelingt! Daher lade ich Sie ein, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht all unsere Energien in der auseinanderdriftenden Lagerdebatte um das neue Arbeitszeitgesetz aufzuwenden, sondern bei diesem Thema den Dialog und den Konsens zu suchen und Österreich auch beim Grundeinkommen abermals als einen internationalen Leuchtturm zu positionieren, ganz so, wie es unseren Sitten und der guten Tradition in Österreich entspricht.

In diesem Sinne mögen Sie die Worte Bruno Kreiskys ins Wochenende begleiten: „Ich bin sehr froh [...], dass ein neuer österreichischer, sehr ruhiger und stiller Patriotismus entstanden ist“. Ich hoffe, dass uns dieser Geist immer wieder aufs Neue zusammen­führen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.09

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubob­mann Dr. Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.