9.51

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Die Staatengemeinschaft steht in diesem Jahrhundert vor drei großen Herausforderungen: dem Klimawandel, der sozialen Frage und der Migration; und es ist gerade die Migration, die auf das Allerengste mit dem Kli­mawandel und der sozialen Frage zusammenhängt.

Der Klimawandel wird, so er nicht einer Lösung zugeführt wird – und eine solche zeich­net sich nicht ab –, zu Klimaflüchtlingen führen, in einem Ausmaß, das wir bisher nicht gesehen haben. Auch die Ignoranz gegenüber der Lösung der sozialen Frage wird aber die Flucht vom Süden in den Norden begünstigen und erhöhen. Die Kluft zwi­schen Arm und Reich geht auseinander, ein rücksichtsloses Gewinnstreben einer aus­schließlich auf Gewinn ausgerichteten Handelspolitik zerstört die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort.

Die Ratspräsidentschaft wird nicht genützt, um die Fragen des Klimawandels, der Kli­makrise zu lösen. – Nein, Sie schauen da zu. Die Ratspräsidentschaft wird aber auch nicht dazu genützt, um die soziale Frage, die Frage der Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen der Ersten und der Dritten Welt zu lösen.

Ich halte es daher vor diesem Hintergrund für kurzsichtig, diesen UN-Migrationspakt abzulehnen. Migration muss gestaltet werden, und der Migrationspakt ist ein Versuch dieser Gestaltung.

Migration sollte niemals ein Akt der Verzweiflung sein, und auch Lösungswege dahin sollten niemals ein Akt der Verzweiflung sein, sondern sie brauchen ein Regelwerk. Ein solches Regelwerk liegt nun vor. Österreich hat an diesem Regelwerk mitverhandelt, distanziert sich aber nun unverständlicherweise von diesem Regelwerk und sitzt in einem Boot, agiert gemeinsam mit illustren politischen Figuren wie Donald Trump und Viktor Orbán.

Sie, Herr Kanzler, agieren aber nicht nur verantwortungslos in diesem Sinne, sondern Sie ruinieren damit auch den guten Ruf Österreichs als zuverlässigen Partner in der Staatengemeinschaft. Sie betonen im Zuge des Ratsvorsitzes immer wieder, dass Sie Brückenbauer sein wollen. – Sie sind aber nicht Brückenbauer, Sie nehmen diese Rol­le in Europa nicht wahr! (Beifall bei JETZT.)

Ganz im Gegenteil: Sie betreiben mit Ihrer Angst- und Panikmache eine Politik der Spaltung – gemeinsam mit Viktor Orbán, gemeinsam mit Horst Seehofer, gemeinsam mit Matteo Salvini und anderen. Sie lassen sich in dieser Frage, Herr Bundeskanzler, von der FPÖ vor sich hertreiben – leichtfertig, würde ich meinen, und aus einem innen­politischen Opportunismus heraus. Sie spielen die Klaviatur der Angst- und Panikma­che und wollen dabei politisches Kleingeld mit einer Sündenbockpolitik machen. (Abg. Deimek: Es ist ja schön, dass das die Arbeiterkammer nicht macht in den ... Arbeits­kämpfen!) Ich halte das für falsch.

Wenn ich gesagt habe, Sie lassen sich von der FPÖ vor sich hertreiben, dann meine ich das auch so und dann habe ich absolut kein Verständnis dafür, dass da mit fal­schen Argumenten und wiederum mit Panikmache vorgegangen wird: Der Pakt würde ein Menschenrecht auf Migration schaffen. – Sie wissen genau, Herr Bundeskanzler, dass das nicht so ist. Es gibt sehr viele Völkerrechtler, darunter der renommierte Völ­kerrechtsexperte Manfred Nowak, die sagen: Das ist nicht der Fall! (Abg. Gudenus: Der ist überhaupt der Beste!) Es ist auch bekannt, dass es viele andere Völker­rechtsexperten gibt, die sagen, dass andere Auslegungen höchst strittig sind.

Sie schweigen aber auch zu Inseraten der FPÖ, heute vor eine Woche in „Heute“, wo ungeniert behauptet wird – nämlich mit Bildern von Vizekanzler Strache und Ihnen, Herr Gudenus (die entsprechende Zeitungsseite zeigend) –: „Der Inhalt des UNO-Pak­tes besagt, dass Zuwanderung ein Menschenrecht werden soll.“ – Das ist schlicht falsch. (Abg. Rosenkranz: Das steht drin!) „Die Grenzen zwischen legaler und illegaler Migration sollen damit vermischt werden. Nicht mit uns!“, heißt es dann weiter. (Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Ihre Schwesterpartei CDU toleriert das nicht, würde das niemals tolerieren, denn sie hat eine Haltung in dieser Frage eingenommen, die folgenderma­ßen lautet: Wir klären auf – mit richtigen Argumenten, nicht mit falschen Argumenten. (Beifall bei JETZT. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Herr Bundeskanzler, für mich ist dieser Pakt eine humanitäre Verpflichtung. Überden­ken Sie Ihre Entscheidung, enthalten Sie sich nicht Ihrer Stimme in Marokko, wenn es darum geht, diesem Pakt zuzustimmen! – Danke sehr. (Beifall bei JETZT und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

9.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neham­mer. – Bitte.