10.24

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­deskanzler! Geschätzter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! In den letzten Jahrzehnten hat sich Österreich zu einem zuverlässigen und glaubwürdigen Partner in der internatio­nalen Staatengemeinschaft entwickelt. Genau diesen Ruf wollen Sie, liebe Bundesre­gierung, mit Ihrer unverantwortlichen Außenpolitik schädigen.

Viele der wichtigen Fragen der letzten Jahrzehnte haben wir versucht, international zu lösen. Da geht es um Menschenrechte, um die Abschaffung der Todesstrafe, um das Atomwaffenabkommen, aber auch um den Klimaschutz. Die nächste Herausforderung, die vor uns steht, ist die Herausforderung der Migration. Auch das Thema Migration müssen wir gemeinsam mit allen Staaten dieser Welt lösen, und dazu gehören die Her­kunftsländer, die Transitländer und die Zielländer.

Migration ist aber kein Phänomen, das wir alleine angehen können. Es gibt keine Ar­mee dieser Welt, die es schafft, Grenzen so abzusichern, dass niemand reinkommt. Wenn man sich ansieht, wie das EU-Budget für den EU-Außengrenzschutz ausschaut, ist es illusorisch, zu glauben, dass diese Grenzen Europa hermetisch abkapseln kön­nen (Abg. Rosenkranz: Darum müssen wir das in Österreich machen!); daher brau­chen wir einen gemeinsamen, einen multilateralen Plan.

Die Initiative für diesen Plan, meine Damen und Herren, ging im Jahr 2015 von Europa aus, weil Europa festgestellt hat, dass es die Migrationsströme – diese Ströme, die un­geordnet und chaotisch waren – alleine nicht bewältigen kann. Daher hat Europa die UN gefragt, ob wir uns nicht mit allen Staaten an einen Tisch setzen wollen, um ge­meinsam einen Vertrag auszuhandeln. 190 Staaten haben sich an einen Tisch gesetzt, 190 Staaten haben gemeinsam Lösungswege vorgeschlagen und gemeinsam Chan­cen erarbeitet.

Dieser Pakt will auch diese internationale Zusammenarbeit fördern, die Fluchtursachen bekämpfen und Migration regeln und ordnen. All dem erteilen Sie eine Absage. All dem, was in der heutigen Zeit so wichtig wäre, erteilen Sie eine Absage. Dieser politi­sche Diskurs darf nicht populistisch und polemisch geführt werden. Der politische Dis­kurs muss in diesen wichtigen Fragen der Zukunft gemeinsam erfolgen. (Beifall bei JETZT.)

Lassen Sie mich mit einigen dieser haarsträubenden Argumente, die auch in der heuti­gen Diskussion gefallen sind, aufräumen: Es geht um die Vermischung von Migration und Flucht. – Dieser Vertrag vermischt Migration nicht mit Asyl. Es gibt zwei Pakte, der eine regelt Migration und der andere regelt Asyl.

Es geht um das Thema Völkergewohnheitsrecht. – Es zeugt von völliger Ahnungslosig­keit der Regierung, uns zu erklären, dass durch diesen Pakt Völkergewohnheitsrecht entstehen könnte. Es ist eingangs ganz klar festgehalten, dass dieser Pakt nicht bindend ist. (Abg. Gudenus: Wozu unterschreiben wir ihn dann? – Abg. Höbart: Des­halb regelt er Migration, weil er nicht bindend ist! – Abg. Hauser: Wir verpflichten uns!)

Auch wenn im Vertragstext die Wörter „Wir verpflichten uns“ enthalten sind (Abg. Ro­senkranz: Wir verpflichten uns! Das ist unglaublich!), heißt das nicht, dass das ver­pflichtend ist, weil eingangs klar festgehalten ist, dass dieser Vertrag nicht bindend ist.

Außerdem möchte ich hier mit einer weiteren Unwahrheit aufräumen: Es handelt sich hierbei nicht um einen Vertrag, es ist lediglich eine Absichtserklärung, die nicht einmal unterzeichnet wird. (Abg. Rosenkranz: Es ist keine Verpflichtung, nein!)

Ein Punkt, der mir ganz besonders wichtig ist – weil das immer wieder vorkommt –: Immer wieder wird erwähnt, dass die Migranten ja nicht in unser Sozialsystem zuwan­dern sollen und unser Sozialsystem nicht von Arbeitsmigranten unterwandert werden soll. Eine Sache möchte ich schon festhalten: Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass unsere europäischen und menschenrechtlichen Standards sehr wohl Mindest­standards für arbeitende Drittstaatsangehörige und auch Diskriminierungsverbote vor­sehen. (Abg. Deimek: Ja, genau! Aber unser Sozialsystem ist ein bisschen besser als das von Burkina Faso! Das ist der Unterschied! – Abg. Höbart: Somalia wäre zu empfehlen! Ich empfehle Ihnen das von Somalia! – Abg. Deimek: Ich empfehle Ihnen das saudische Sozialsystem, inklusive der saudischen Frauenrechte!) Das heißt: All das, was in diesem Vertrag festgehalten wird, haben wir in Europa großteils schon. Das, was dieser Vertrag aber vorsieht, ist, dass andere Staaten sich auch zu diesen Mindeststandards bekennen. Wenn sich andere Staaten zu diesen Mindeststandards bekennen, fällt der Druck, nämlich der Migrationsdruck, von Österreich, fällt der Druck von anderen europäischen Staaten. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wer gegen den internationalen UN-Migrationspakt stimmt, handelt gegen die nationa­len Interessen Österreichs, und das muss einmal gesagt werden. – Vielen Dank. (Bei­fall bei JETZT.)

10.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.