14.57

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ja, 300 000 Unterschriften sind ein Zeichen, und ich bin mir auch sicher, so wie Kollege Mölzer das gesagt hat, es gibt noch sehr viel mehr Leute in diesem Land, die mit dem ORF unzufrieden sind.

Ich stimme auch Kollegin Gamon zu: Hier wurde ein Jahr lang nichts gemacht. Die Medienenquete war sehr groß, sie war sehr vielfältig, sie hat aber – ich habe Herrn Minister Blümel in der Aussprache im Verfassungsausschuss dazu gefragt – für ihn nur eines gebracht, nämlich dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Österreich aufgrund der Marktbedingungen öffentliche Unterstützung braucht. – Puh, das haben wir vorher auch schon gewusst.

Tatsächlich ist programmatisch, also was die Struktur des ORF betrifft, medienpolitisch gar nichts weitergegangen, und die erste Frage wäre doch, allgemein – nicht nur im stillen Kämmerlein – darüber zu diskutieren: Wozu brauchen wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und was soll dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten? Über das hinaus, was im ORF-Gesetz bis jetzt schon im § 4 als Programmauftrag enthalten ist, ist hier vonseiten der Regierungsfraktionen und auch von der Regierung bis jetzt nichts gekommen.

Gleichzeitig droht dem ORF nach Auskunft der Redakteure – Sie müssen sich nur die Erklärung der Redakteure von vor gut einem Monat durchlesen – ein interner Zerfall. Es wird an allen Ecken und Enden gespart, aber nicht dort, wo es notwendig ist, weil es da Beschränkungen gibt, die der ORF nicht kurzfristig aufheben kann. Es wird beim Programm gespart. Da bin ich bei Kollegen Nehammer: Wir müssen etwas tun, damit wir für das Geld, das die Leute bezahlen, mehr Programm bekommen – und es muss mehr bei der Technik und bei der Struktur gespart werden.

Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich zu stärken heißt zunächst einmal, dem ORF zu helfen, alte, verkrustete Strukturen zu überwinden. Ich glaube, das ist auch eine Gemeinsamkeit, die wir alle hier im Haus haben sollten. Tatsächlich sehen wir aber eine Umfärbung im ORF vonstattengehen, und die Bestellung von Herrn Kollegen Steger – der von Rundfunkpolitik ungefähr so viel Ahnung hat wie ich vom Liegenschaftsrecht von Botswana, nämlich gar keine – als Stiftungsratsvorsitzenden ist ein deutliches Zeichen, wohin die Reise hier gehen soll.

Wir sollten den Stiftungsrat verknappen, wir müssen ihn kleiner machen, wir müssen ihn aber tatsächlich aus der politischen Kuratel der jeweils Regierenden befreien. Die SPÖ hat hier viel gutzumachen, weil sie in vergangenen Jahrzehnten wenig dazu geleistet hat, dass da irgendetwas weitergeht.

Deshalb: Diskussion über die Zukunft des ORF – ja, gerne, nur sollte man sie auch mit aufgeklapptem Visier führen. Mein Verdacht ist ja nicht, dass Gernot Blümel nicht gescheit genug wäre, hier für sich selbst Perspektiven zu entwickeln, er hat ein Dilemma für die Regierungsparteien: Sie wissen nämlich ganz genau, ein schwacher ORF lässt sich nicht mehr so gut als Regierungsposaune verwenden, ein starker ORF tendiert aber dazu, unabhängig von der Regierung zu sein. Aus diesem Schisma hat er programmatisch noch nicht herausgefunden. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir diskutieren, dann müssen wir deshalb auch darüber diskutieren: Wer soll denn die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF überwachen? Wer ist der Wächter über die Erfüllung dieses öffentlich-rechtlichen Auftrages? – Solange wir diese Watchdogrolle nicht in die Hand einer unabhängigen, von politischen, wirt­schaftlichen und sonstigen Abhängigkeiten befreiten Redaktion legen, wird der ORF immer nur das Vehikel regierungspolitischer Sehnsüchte bleiben. Diesen Schritt zu gehen ist hoch an der Zeit, ich bin nur skeptisch, dass die Regierungsfraktionen diesen Schritt wirklich gehen werden. (Beifall bei JETZT.)

Wenn ich hier etwas höre, werde ich der Letzte sein, der dies nicht anerkennt. Wir haben als einzige politische Partei in den Stiftungsrat jemanden entsendet, der gänz­lich frei von jedem Verdacht ist, dass er unser politischer Vasall wäre. (Beifall bei JETZT.) Im Stiftungsrat ist Kompetenz gefragt und nicht politische Büttelmäßigkeit, wie es über Jahrzehnte hinweg gehandhabt wurde. (Abg. Martin Graf: Wie heißt die?)

Herr Kollege Graf, wenn Sie Frau Professorin Fengler nicht kennen, dann sollten Sie bei der weiteren Diskussion nicht mitreden! (Beifall bei JETZT. – Abg. Noll  auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Medienwissenschaftlerin! – Abg. Martin Graf: Ich habe nicht gewusst, dass ihr die entsendet habt!)

15.02

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Weidinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.