15.30

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst in wenigen Zahlen ausdrücken, wie hoch derzeit oder mittlerweile der Anteil der Wohnkosten, der Mietkosten am Haushaltseinkommen in Österreich in einigen Bundesländern und einigen Regionen bei uns ist.

Wenn wir uns zum Beispiel die Kosten in Tirol anschauen: Dort betragen sie mittler­weile 42 Prozent – 42 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens, die Familien für ihre Mietkosten aufbringen. In Salzburg liegt dieser Anteil bei 36 Prozent. Noch eklatanter ist es, wenn man sich das auf Bezirksebene anschaut: Im Raum Kitzbühel beträgt dieser Anteil zum Beispiel 73 Prozent vom Haushaltseinkommen. 73 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens gehen für Miete und Wohnen drauf.

Was fällt uns bei diesen Zahlen auf? – Sie zeigen, dass Wohnen in Österreich offenbar zu einem Luxus geworden ist – und das, obwohl wir wissen, dass Wohnen ein Grundbedürfnis, ein Grundrecht der Menschen ist und sein sollte.

Warum kommt es eigentlich dazu? – Wenn wir uns die letzten 20 Jahre anschauen, seit 1998, so sehen wir, dass die Inflation, die Preise in Österreich um etwa 41 Prozent gestiegen sind. Im selben Zeitraum sind die Mieten um 80 Prozent gestiegen – doppelt so hoch wie die Inflation, doppelt so hoch wie die durchschnittlichen Preise in Österreich. Das ist eine sehr eklatante Entwicklung, die wir hier im Mietbereich haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Preiserhöhung geschieht vor dem Hintergrund, dass gemeinnütziger Wohnbau und Gemeindebauten, sozialer Wohnbau diese Preise schon nach unten drücken. Wäre der soziale Wohnbau in Österreich nicht so gut ausgebaut, hätten wir hier noch eine viel stärkere Mietenentwicklung.

Das Segment privater Wohnungen hat die Mietpreise also in den letzten Jahren, in den letzten zwei Jahrzehnten dermaßen angetrieben, dass wir, ehrlich gesagt, sagen müssen, dass in einigen Regionen, in einigen Gebieten in Österreich eigentlich Woh­nen, Mieten für Normalverdiener unleistbar, eigentlich völlig unleistbar geworden sind. Eines dürfen wir dabei aber nicht vergessen – ich erwähne hier viele Zahlen, ich nenne Prozentsätze –: Hinter diesen Zahlen stecken Menschen, stecken Familien, stecken Pensionisten und Pensionistinnen, die tagtäglich vor der Frage stehen, wie sie sich das künftig noch leisten können, und die sich zu Recht fragen, warum ihre Wohnungen nicht schöner werden, nicht größer werden, und nur eines vor Augen haben, nämlich dass ihre Wohnungen immer teurer und ihre Mietpreise immer höher werden. Ja, die unendliche Suche nach halbwegs leistbaren Wohnungen oder Häusern wird für mehr und mehr Menschen in unserem Land zu einer alltäglichen Realität.

Jetzt ist die große Frage – und die Politik beobachtet das ganz genau –: Wie gehen wir damit um? Was macht die Politik in diesem Fall? Gut, man kann sich jetzt hinstellen und sagen: Das ist der freie Markt! Da kann man nichts tun, Pech gehabt! Preise steigen so, wie der Markt das eben „für uns“ regelt – für uns unter Anführungs­zeichen. – Ja, das ist die Haltung der Bundesregierung, oder vielleicht auch nicht.

Leider ist der Herr Finanzminister nicht hier, an den ich meine Aufforderung oder mein Ersuchen richte, aber der Herr Staatssekretär wird ihm das hoffentlich ausrichten (Abg. Rosenkranz: Bravo, Herr Staatssekretär!): Sehr geehrte Bundesregierung und Herr Finanzminister, senken Sie die Mieten jetzt! Sie können es, indem Sie die Mehr­wertsteuer auf Mieten abschaffen und damit 1,6 Millionen Haushalten das Leben we­sentlich erleichtern und leichter machen. Schaffen Sie damit ein Stück mehr Gerech­tigkeit in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber tut die Bundesregierung? – Ja, um das zu sehen, müssten wir ins Regie­rungsprogramm schauen, und das habe ich auch gemacht. Darin verstecken sich doch einige Ideen, die die Bundesregierung hier in den nächsten Monaten und Jahren umsetzen will. Ich will hier nur einige herausgreifen.

Im Regierungsprogramm steht unter anderem unter dem hübschen Schlagwort der marktkonformen Mieten durch ein Deregulierungspaket: Hiermit soll es zukünftig zu Zuschlägen bei Neuvermietungen kommen. – Macht das Sinn? Das macht in Wien etwa 1,36 Euro bis 3,34 Euro pro Quadratmeter Wohnung aus, also bei einer 80 Quadratmeter großen Wohnung in Wien eine Steigerung von etwa 100 bis 270 Euro Miete. Was macht die Bundesregierung? – Sie gehen den umgekehrten Weg, Sie entlasten hier nicht die Menschen während dieser Krise, sondern Sie machen Wohnen mit Ihren Vorstellungen, mit Ihren Plänen, die Sie uns ja im Regierungsprogramm be­reits angekündigt haben, teurer.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir machen Ihnen heute einen Vorschlag, ein Ange­bot an die Bundesregierung, die Menschen in Österreich sofort zu entlasten. Gehen wir dabei zum einen kurzfristige, aber auch langfristige oder mittelfristige Schritte!

Kurzfristig wollen wir, dass die Mehrwertsteuer auf Mieten gestrichen wird, abgeschafft wird. Sie wissen genau, das senkt die Mieten sofort und jetzt dauerhaft um 10 Prozent. Das gilt für 1,6 Millionen Haushalte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, sehr geehrte Bundesregierung, wir kennen Ihre Argumente, dass jetzt angeblich der Vorsteuerabzug im Neubau etwas schwierig wird und dass sich das alles gar nicht so leicht gestaltet. Aber stimmt das auch? – Nein, es stimmt nicht. Es ist falsch. Es ist ein vorgeschobenes Argument seitens der Regierungsfraktionen, um vielmehr ihre eigene Untätigkeit, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, hier zu verbergen.

Ich sage auch: In der Politik sind wir nicht dazu da, Menschen zu erklären, was alles nicht geht. Wenn etwas schwer ist, dann haben wir im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher die Aufgabe, Lösungen zu suchen. Die Lösung liegt auf dem Tisch. Ja, worauf warten wir noch? Runter mit den Mieten, Streichung der Mehrwertsteuer auf Mieten um 10 Prozent – das macht eine Monatsmiete im Jahr für alle Familien, für 1,6 Millionen Haushalte aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern Sie auf, auf europäischer Ebene in den Verhandlungen eine entsprechende Ausnahme im Neubausegment zu erwirken. Sie wissen, das ist möglich. Sie wissen, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie auf europäischer Ebene derzeit in Verhandlung ist. Es wäre nichts leichter, als dass Sie sich für Österreich einsetzen, als dass Sie das, was viele Länder in Europa hier schon erwirkt haben – nämlich eine Mehrwert­steuerbefreiung –, auch für uns im Bereich der Mieten ausverhandeln und erwirken. Das ist keine Hürde, wenn der politische Wille gegeben ist. (Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Eines muss uns allen klar sein: Wir müssen massiv – und das ist auch wichtig – auch in den Bau neuer Wohnungen investieren. Es geht hier nicht nur um die Mieten. Wir müssen die Länder, die Gemeinden dabei unterstützen, leistbaren Wohnraum zu schaffen, und zwar nicht irgendwann, sondern rasch. Auch diesbezüglich setzt aus meiner Perspektive die Bundesregierung nicht richtige, sondern falsche Anreize. Zum Beispiel ist Ihr Plan das Streichen der Haftungsübernahme von 500 Millionen Euro für die Wohnbauinvestitionsbank. Das ist so in Ihrem Regierungsprogramm angekündigt. Damit wird das Bauen leistbaren Wohnraums nicht leichter. Damit wird es auch nicht günstiger. Nein, sehr geehrte Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall, das macht das Schaffen leistbaren Wohnraums nur noch schwieriger.

Noch ein Punkt: Kein Mensch in Österreich, auch ich nicht, versteht, warum die Makler­gebühren automatisch und zwangsläufig in Österreich – eines der wenigen Länder, wo das so ist – von den MieterInnen bezahlt werden müssen. Das Einzige, was der Makler für die Mieter macht, ist, einmal die Türe aufzusperren. Das war auch schon die Leistung, die ein Makler hier für Mieter geleistet hat. Aus unserer Sicht hat die Makler­gebühr vom Vermieter bezahlt zu werden beziehungsweise von dem, der den Auftrag dafür gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Sie wissen genau, dass das eine schlagartige Entlastung von de facto einer Monats­miete im Jahr für viele Menschen bedeuten würde, wenn die zwei Punkte, nämlich dass die Maklergebühren künftig vom Vermieter und nicht vom Mieter bezahlt werden und auch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Miete, nicht erst in vielen Jahren, sondern rasch, innerhalb weniger Wochen beschlossen werden können.

Falls das aber alles für den einen oder anderen etwas zu sperrig ist, können wir das auch ganz klar an einem konkreten Beispiel festmachen. Vor einigen Tagen habe ich mir in einer Onlinewohnungsbörse die Inserate für Mietwohnungen genau angeschaut. Da wird eine Wohnung in Graz angeboten: drei Zimmer, 81 Quadratmeter, ordentliche Lage, aber weit entfernt von einer Luxuswohnung. Die Miete für diese Wohnung, die von dieser Onlineplattform angeboten wird, beträgt 945 Euro. Ja, wir wissen, in diese Wohnung wird wahrscheinlich in den nächsten Tagen oder Wochen eine Familie mit ein oder zwei Kindern einziehen. Wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen, ent­lasten Sie diese Familie im ersten Jahr um rund 3 000 Euro – 3 000 Euro! –, und junge Familien in Österreich können dieses Geld mehr als gut verwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, es ist heute auch Ihre Entscheidung – denn wir haben uns schon dafür entschieden –, ob Sie genau diese Familie, die sich hier 3 000 Euro beim Einzug in diese Wohnung ersparen soll, unterstützen, ob Sie den Familien entgegenkommen wollen und ihnen den Start in eine neue Wohnung am Beginn ihrer Familiengründung erleichtern wollen. Wissen Sie, was diese Familie mit 3 000 Euro anfangen kann? – Sie kann sich nicht nur die Wohnung endlich leisten, sondern sie kann sich vielleicht auch die Einrichtung für das Kinder­zimmer leisten, sie kann sich vielleicht auch die Kücheneinrichtung oder die des Schlafzimmers damit kaufen.

Genau das ist der Unterschied zwischen dem Status quo und dem, was wir vor­schlagen. Wir schlagen einen substanziellen Beitrag vor, damit das Leben der Men­schen im Bereich des Wohnens und gerade bei einer neuen Wohnung sofort und nicht erst in einigen Jahren leichter wird. Gehen Sie diesen Weg mit uns gemeinsam, um den Menschen das Leben ein Stück weit leichter und auch gerechter zu machen. Im Namen aller Mieterinnen und Mieter, 1,6 Millionen Haushalte mit Kindern und Familien, ersuche ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu und stimmen Sie für die Menschen in diesem Land! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

15.44

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Fuchs zu Wort ge­meldet. – Bitte schön, Herr Staatssekretär.