13.23

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Herr Mölzer, ich habe jetzt schon schmunzeln müssen über Ihren Spruch: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis. (Abg. Mölzer: Das tun wir eben nicht!) – Wenn mich Evidenz nicht interessiert, dann bleibe ich stur und mache eine Bildungsdiktatur! (Beifall bei JETZT. – Abg. Mölzer: Politik muss auch Entscheidungen treffen!) Auf die Evidenz komme ich noch zurück.

Fangen wir bei den Gemeinsamkeiten an! (Ruf bei der FPÖ: Das ist immer gut!) Schule soll auf jeden Fall Werkzeuge mitgeben, damit wir Kinder und Jugendliche zu selbst­bewussten, mündigen Menschen bilden, damit wir ihnen die Möglichkeit geben, dann in Zukunft nicht nur gesellschaftlich beizutragen, sondern auch durch ihre Talente, Fä­higkeiten und Ideen. Ich hoffe, dass wir gleicher Meinung sind, dass die Schule dafür Nährboden sein sollte.

Wo wir uns aber unterscheiden, ist, wie wir dorthin kommen, wie wir zu diesem Ziel kommen, dass sie ein Nährboden sein kann. Bei den Grundkompetenzen denken wir beispielsweise, es ist klar, dass das eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist, dass eine positive Grundhaltung gegenüber dem Lernen ein wichtiges Element für die Bildung ist, für die Neugierde, für das Erlernen von Neuem. Vor allem glauben wir, wenn man sich jetzt anschaut, dass zwei Drittel der Jobs, die die Schülerinnen und Schüler in Zukunft haben werden, im Moment noch nicht da sind, dass sie Fähigkeiten wie Empathie, Kreativität, Lösungskompetenz brauchen werden. Wenn ich mir bei­spielsweise das Pädagogikpaket oder was die Regierung hier im Moment macht, an­schaue, dann erinnert mich das eher an Law and Order und nicht daran, dass wir Kin­der und Jugendliche für die Zukunft wappnen, weil die anders sein und andere Fähig­keiten fordern wird.

Was ich bis jetzt gesehen habe, ist, dass der Druck auf Schüler und Schülerinnen er­höht wird, auf Lehrer und Lehrerinnen, auf Eltern – das ist das Umfeld der Schüle­rinnen und Schüler, das ist sehr, sehr wichtig. Ich spreche davon, dass Strafen für das Schuleschwänzen erhöht werden. Es wird nicht geschaut, wie man eigentlich Schüler und Schülerinnen für das begeistern kann, was in der Schule ist, wie man sie dazu bringen kann, dass sie in die Schule gehen möchten, dass sie gerne in die Schule ge­hen. Es wird eher auf der anderen Seite geschaut, wie man sie noch mehr bestrafen kann, wie man noch mehr Law and Order in diesem Kontext walten lassen kann.

Deutsch: Wer nicht perfekt Deutsch spricht, wird einfach in eine andere Klasse abge­schoben.

Ziffernnoten und das Sitzenbleiben – wir haben es heute schon des Öfteren gehört – sind Teil des Pädagogikpakets. Das ist ein Rückschritt, da waren wir ja schon einmal. Wir wollen doch einen Ort schaffen, der für die Zukunft wappnet, und Ziffernnoten und das Sitzenbleiben sind ein Schritt zurück. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie mit diesen Maßnahmen den Spaß am Lernen, die Neugierde der Kinder stärken? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Nein, da sind wir anderer Meinung (Abg. Steinacker: Wieso sind dann ...!), vor allem wenn ich mir dann anhören muss – gerade bei den Ziffernnoten –, dass Kin­der und LehrerInnen, vor allem Kinder, sie fordern. (Abg. Steinacker: ... jemals sel­ber ...? Nein!) Immer wenn wir gefragt haben, warum wir diesen Schritt zurück gehen, hat es geheißen, die Kinder und Jugendlichen fordern das.

Die Evidenz zeigt: Die ExpertInnen – auch im Ausschuss – haben uns anderes berich­tet. Mir war es auch wichtig, dass wir einen Schüler als Stimme der Jugend in den Aus­schuss als Experten einladen. Es ist aber nicht nur der eine Schüler, sondern wir ha­ben mit einer unabhängigen Organisation, dem Verein YEP, zusammengearbeitet, und dieser hat einen Partizipationsprozess mit Jugendlichen gestartet, mit unabhängigen Jugendlichen, die kein Parteibuch haben. Diese haben gemeinsam ein Positionspapier ausgearbeitet, nachdem sie sich das Pädagogikpaket angeschaut haben. Dann haben sich mehr als 500 Jugendliche online beteiligt und ihre Meinung kundgetan. Schülerin­nen und Schüler sind die Betroffenen. Es ist sehr, sehr wichtig, sie zu Wort kommen zu lassen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Genau das haben wir getan. Wir haben Gabriel Bremer dann als Vertreter im Aus­schuss gehabt. Er kann jetzt leider nicht hier stehen, deswegen werde ich drei der For­derungen, die in ihrem Positionspapier drinnen sind, kurz erläutern.

Erstens, Ziffernnoten in der Volksschule – ich habe das schon erwähnt –: Von den Ju­gendlichen wurde mir mitgegeben, dass es sich hier um ein abgewähltes System han­delt. Die Kinder und Jugendlichen haben gefragt, warum, wenn sich fast 70 Prozent der Schulen für alternative Leistungsbeurteilung entschieden haben, hier ein Schritt zu­rück gewählt wird. Es haben sich 66 Prozent dieser über 500 Jugendlichen gegen Zif­fernnoten ausgesprochen. Vor allem ist die Frage, warum wir jetzt schon den Schritt zurück machen, obwohl erst 2016/17 der Schulversuch gestartet wurde, bei dem El­tern, LehrerInnen und SchülerInnen in den ersten drei Volksschuljahren selbst ent­scheiden können, welche Notengebung sie haben wollen. – Das zu den Ziffernnoten.

Zweitens, die zwei Leistungsniveaus; dazu haben mir die Jugendlichen Folgendes mit­gegeben: Dauerhaft getrennter Unterricht in Leistungsgruppen spaltet die Klasse, und eine Beobachtungsfrist von nur zwei Wochen, in denen man entscheidet, in welche Leistungsgruppe, ob Standard oder Standard AHS, ist zu kurz. Das haben mir die Kin­der und Jugendlichen, die Betroffenen, mitgegeben. (Abg. Mölzer: Da ist ja vorher ein Jahr Schule! Zwei Wochen sind ein Blödsinn!) – Herr Mölzer, wir wissen beide, dass es Lehrerwechsel gibt, wir wissen beide, dass es in der Realität oft anders ausschaut und die Lehrer die SchülerInnen in dieser Zeit noch nicht so gut kennen. (Beifall bei JETZT.)

Dritter Punkt, Statement der Jugend: Warum macht man große Veränderungen in der NMS, ohne zu evaluieren, was die letzten Jahre passiert ist und welche Folgen die ver­schiedenen Maßnahmen hatten? – Es scheint so, als wäre die Mittelschule quasi ein Versuchslabor.

Man versucht einfach immer wieder, Verschiedenes zu probieren, diesen Schritt zurück zu machen, weil man einfach parteipolitisch gerade Lust darauf hat und es eher dem entspricht, was man denkt und – wir haben es gerade gehört – nicht dem, was die Evi­denz sagt, nicht dem, wie es in der Realität aussieht.

Es braucht ein Gesamtkonzept. Es braucht Ressourcen für diese Schulen. Es braucht Schulpsychologen und Personen, die die LehrerInnen unterstützen, und nicht diese ständigen Änderungen, die im Endeffekt ein Schritt nach hinten sind. (Beifall bei JETZT.)

Nur eine Umbenennung reicht eben auch nicht. Das ist kein Schritt, den man gehen sollte, wenn man nach vorne schreiten möchte.

Minister Faßmann, Sie haben den Satz schon im Ausschuss von Gabriel Bremer ge­hört, aber ich rufe ihn Ihnen gerne wieder in Erinnerung: Er hat davon gesprochen, dass circa 1,7 Millionen Menschen in Österreich unter 20 Jahre alt sind. Das sind zwar nur 20 Prozent der Bevölkerung, aber 100 Prozent der Zukunft. Diese 100 Prozent der Zukunft sind ganz, ganz wichtig, weil das die Kinder und Jugendlichen sind, die die Zu­kunft gestalten werden, denen aber auch die Fähigkeiten dazu in der Schule vermittelt werden müssen. (Abg. Steinacker: Ja, eh! Eben!) Diese brauchen den Raum des Ler­nens, diesen Bildungsraum, der ihnen Mut, Inspiration und Neugierde gibt und sie für die Zukunft wappnet.

Beziehen Sie bitte die Interessen von unabhängigen Schülerinnen und Schülern in Zu­kunft noch mehr ein! Das haben wir zu zeigen versucht, und das ist uns, glaube ich, geglückt, das haben wir im Ausschuss gesehen. Machen Sie Bildungspolitik bitte nicht für Ihre Bildungsinteressen, sondern für die Zukunft (Abg. Hauser: Nicht für Bildungsin­teressen?!) und vor allem im Sinne des Fortschritts und nicht des Rückschritts! (Beifall bei JETZT. – Abg. Neubauer: Das war zumindest ein Befriedigend!)

13.31

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.