10.38

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich bin vorsichtig mit dem Wort Reform im Zusammenhang mit dieser Regierungsvorlage und möchte drei Bereiche anschneiden, die mich doch zögern lassen, diese Reform überhaupt als eine Reform zu bezeichnen.

Erster Punkt: Ist es schon eine Reform, wenn wir es im Bereich der Österreichischen Gesundheitskasse mit einer Machtverschiebung von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern – der größten Machtverschiebung, die es in der Ersten und Zweiten Republik gegeben hat – zu tun haben?

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Die Folge dieser Macht­ver­schiebung ist eine Demontage der Selbstverwaltung und eine Entmachtung der Arbeit­nehmer. Halten wir uns nämlich vor Augen: Was bedeutet denn Selbst­verwaltung? – Selbstverwaltung bedeutet: Die Arbeitnehmer sind die Versicherten. Selbstverwaltung bedeutet aber auch: Die Versicherten bestimmen, was mit ihren Beiträgen geschieht.

Wie war das bisher? – Bisher betrug das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der – jetzt – Gesundheitskasse Neu vier zu eins, in der Ersten Republik betrug das Verhältnis zwei zu eins.

Auch während der Zeit des autoritären Ständestaates hat es kein Verhältnis von eins zu eins gegeben. – Und was bedeutet nun ein Verhältnis von eins zu eins zwischen Arbeitgebervertretungen und Arbeitnehmervertretungen? – Das bedeutet, dass jetzt die Arbeitgebervertretung in der Selbstverwaltung von Arbeitnehmern de facto die Mehrheit hat. – So schaut es aus! (Beifall bei JETZT.)

Was geht damit einher und was ist damit verknüpft? – Die Erläuterungen deuten es ja an: Der Gesundheitsbereich soll für den privaten Markt geöffnet werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir verhindern. Andere Länder zeigen, dass private Gesundheitsdienstleistungen keineswegs besser sind als ein Gesund­heits­bereich, der auf öffentliche Leistungen baut. (Beifall bei JETZT.)

Der zweite Punkt: Diese sogenannte Reform perpetuiert eigentlich die Dreiklassen­medizin, die wir haben. Wir haben einen Deluxebereich, wenn man so sagen will, für Beamte, für Eisenbahner, aber auch für Politiker, wir haben dann einen Komfortbereich für die Versicherten der Selbstständigen und die Versicherung der Bauern, und für die Masse der Versicherten – 3,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und mit ihren Angehörigen 7 Millionen – haben wir ein Standardsystem. Und wenn Sie sagen, Sie zielen auf eine Harmonisierung der Leistungen ab, frage ich: Na ja, wo ist denn diese Harmonisierung der Leistungen geblieben? – Es gibt sie nicht! Das alte System wird weiter aufrechterhalten.

Der dritte Punkt: Frau Ministerin, Sie sprechen von der sogenannten Patienten­milliarde. – Den Beamtenentwurf hat der Rechnungshof in der Luft zerfetzt (Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein); von den 351 Millionen Euro an Einsparungen ist nichts übrig geblieben. Die Regierungsvorlage wurde auf mein Betreiben vom Budgetdienst zerfetzt. Ich habe dort eine Studie in Auftrag gegeben, und was hat der Budgetdienst gesagt? – Der Budgetdienst hat gesagt, es fehlt jegliches konkrete Mengen- und Preisgerüst, auf dessen Basis man überhaupt beurteilen kann, ob es zu den von Ihnen genannten kumulativen Einsparungen kommt. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie Herr Hoffmann zu diesen Berechnungen kommt, ist mir unverständlich. Was am Ende des Tages übrig bleibt, Frau Ministerin, ist die Tatsache, dass es diese Patien­tenmilliarde nicht gibt. Das ist und bleibt eine Zahlentrickserei.

Ich fordere Sie daher auf: Kehren wir zurück an den Anfang, setzen wir uns alle zusammen und machen wir eine echte Reform im Gesundheitsbereich zugunsten aller Versicherten! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.43

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Kirchbaumer ist zu Wort gemeldet. – Bitte.