11.55

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesminister Blümel und Hofer! Meine Damen und Herren im Saal! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! (Die Rednerin stellt ein Foto, das den Schriftsteller Stefan Zweig zeigt, auf das Rednerpult.) Es gab einmal einen Mann, der hatte einen Traum – und dieser Traum ist auch mein Traum, es ist auch unser gemeinsamer Traum, es ist der Traum Europas. Stefan Zweig hat in dunklen Zeiten gesehen, dass wir ein vereintes Europa brauchen, ein Europa der verschiedenen Kulturen und Sprachen, einen Kontinent der Vielfalt, in dem Zusammenhalt herrscht (Zwischenruf der Abg. Povysil), dass die Anerkennung der unterschiedlichen Eigen­arten einen Wert hat und dass daraus eine Kraft entsteht. (Abg. Hafenecker: Das ist ein guter Autor!)

Heute, im Jahr 2019, sind in Brasilien die Rechtspopulisten an der Macht und forcieren unter anderem die Zerstörung des Regenwalds, der grünen Lunge des Amazonas. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Im Jahr 1940, vor 79 Jahren, lebten in Brasilien Stefan Zweig und seine Frau. Sie sind dorthin ins Exil geflüchtet, vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und vor dem sicheren Tod in einem Konzentrationslager. Zweig, einer der bedeutendsten Schriftsteller und Visionäre, die Österreich jemals hervor­gebracht hat, hatte die Vision eines friedlichen Europas. Der überzeugte Pazifist bezeichnete den Nationalismus als Erzpest.

Zur gleichen Zeit in Europa hatte ein Österreicher namens Adolf Hitler in Deutschland die Macht ergriffen und überfiel ein Land nach dem anderen. Hitler hatte auch die Vision eines geeinten Europas – allerdings eines faschistischen unter deutschnatio­naler Herrschaft.

Heute herrscht in Europa Frieden, wir sehen jedoch den Schatten des Rechtspopu­lismus – ein Schatten, der Rassismus, Selbstsucht, Gier und Umweltzerstörung mit sich bringt. Auch heute werden in Europa Menschen, ob Roma oder Juden und in besonderem Maße auch Muslime, aufgrund ihrer Herkunft und Religion dämonisiert und unter Generalverdacht gestellt.

Rechtspopulismus beschreibt eine Politik, die die guten Menschen als die Schwachen und Dummen darstellt. Es ist eine Politik, in der das Recht des Stärkeren und vor allem des Reicheren zählt, eine Politik, die in Kauf nimmt, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken (Abg. Hafenecker: Das ist ein Oberstufenreferat, das Sie halten!), eine Politik, die versucht, uns zu spalten, die uns Zäune und Mauern verkauft und die versucht, Europa wieder in die Vergangenheit zu katapultieren.

Ich denke, Stefan Zweig würde das genauso sehen wie ich, wenn ich jetzt sage: Wir, die verdammten Gutmenschen, wir sind nicht schlechter, wenn wir versuchen, gut zu sein. Nein, wir werden dadurch besser. Und wir sind nicht schwach, wir sind stark, weil wir andere Kulturen, Religionen respektieren, weil wir das Leben und weil wir unsere Umwelt respektieren.

„United in diversity“, vereint in Vielfalt – ich bin überzeugt, Stefan Zweig hätte das Motto der Europäischen Union geliebt. In anderen Worten klang das damals nämlich so: „Europäer zu sein bedeutet, anzuerkennen, dass wir ein vielfältiges Erbe haben, dass wir die anderen brauchen, um uns selbst zu verstehen. Wir sind aus den anderen erwachsen.“

Die geistigen Väter und Mütter der Europäischen Union sahen in dieser Gemeinschaft kein rein pragmatisches Wirtschaftszweckbündnis. Sie sahen darin vor allem eine kulturelle Wertegemeinschaft, welche Europa dauerhaft Frieden und Wohlstand brin­gen wird. Dieser Traum wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Stück für Stück Wirklichkeit. Und da bin ich jetzt bei Kollegen Lopatka: Es braucht keine Neugründung Europas, es braucht nur die Rückbesinnung auf den Grundgedanken. Es braucht selbstverständlich eine Weiterentwicklung, und es braucht vor allem eine Bewahrung der Menschenrechte.

Die Europäische Menschenrechtskonvention war die Antwort auf zwei Weltkriege und den Holocaust. Seit 60 Jahren steht sie in Österreich in Verfassungsrang.

Wir haben das nationalistische, das faschistische Europa überwunden. Wir lassen uns diesen Traum nicht mehr nehmen. Niemand rüttelt an den Menschenrechten! Die Feinde der Freiheit haben keine Chance. Wir lassen uns den Frieden, wir lassen uns die Freiheit in Europa nicht nehmen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Dieses Europa ist schon so stark, es hat sich schon so an den Frieden gewöhnt, es liebt den Frieden. – Es lebe der Friede, es lebe die Freiheit, es leben die europäischen Menschenrechte, es lebe die Politik, die sich dem Recht unterordnet!

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen nun den Schlusssatz formulieren, Frau Abge­ordnete.

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Es lebe die Zukunft Europas, es leben seine Menschen, denn sie sind die Chance Europas! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf: Amen!)

12.00

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.