19.40

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Heute vor einem Jahr wurde öffentlich, dass in Oberösterreich die sogenannten I-Klassen nicht fortgeführt werden. Man hat bis dahin auch den Unterschied nicht gekannt, nicht gewusst, dass in Oberösterreich die Praxis der I-Klassen anders als in allen anderen Bundesländern verstanden wird. Wir als Parlament haben uns meines Wissens in den vergangenen Jahren auch nicht sehr stark mit dem Thema beschäftigt.

Warum sind I-Klassen so wichtig? – Sie sind wichtig, weil in Sonderschulen Kinder mit Beeinträchtigung und Kinder ohne Beeinträchtigung in Gemeinsamkeit ein besseres Verständnis füreinander erlernen. Sie sind ein Ort, an dem Kinder mit Beeinträchtigung es als selbstverständlich erachten, dass jene, die keine Beeinträchtigung haben, trotzdem ihre Freunde sind. Sie werden nicht voneinander getrennt, sie erleben ein normales Aufwachsen. Sie geben Eltern, die ein Kind mit Beeinträchtigung und ein Kind ohne Beeinträchtigung haben, die Möglichkeit, ihre Kinder, die beiden Geschwis­ter, in die gleiche Schule zu schicken. Das hat einen hohen Stellenwert für das Familienleben, und das hat auch ganz praktische Vorteile. All das soll es in Zukunft für andere Kinder in Oberösterreich oder auch für kleinere, die noch nicht schulpflichtig waren, nicht mehr geben. Das haben Eltern in Oberösterreich erfahren.

Wir haben, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, da auch Betroffene gehört. Ich darf eine Betroffene vor den Vorhang holen. Barbara Hofer, eine betroffene Mutter und Sprecherin der Initiative, die sich an den Petitionsausschuss gewandt hat, hat uns ihre Geschichte erzählt. Sie ist Diplomkrankenschwester, Mutter von drei Kindern, ihr mittlerer Sohn ist schwer beeinträchtigt, und sie möchte, dass ihre Kinder in Steyr gemeinsam in die Schule gehen. Das ist nur möglich, wenn es weiter I-Klassen gibt. Man muss sagen, das ist nicht möglich, wenn man sich auf die Landes- oder die Bundespolitik verlässt, denn als der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden ist, dass es die I-Klassen nicht mehr geben soll, gab es keinen Aufschrei in der Landespolitik, es gab Ausreden. Es gab zuerst auch keinen Aufschrei in der Bundespolitik, da hat man es erst wahrgenommen, als sich Betroffene gemeldet haben.

So war es an den Betroffenen, unter anderem auch an Frau Hofer, die die Initiative Rettet die I-Klassen gegründet haben, etwas zu tun. Sie sind buchstäblich von Pontius zu Pilatus gelaufen, sie haben NGOs kontaktiert, sie haben die Landespolitik kon­taktiert, sie haben die Bundespolitik kontaktiert, sie haben den Bundespräsidenten kon­taktiert, das Ministerium kontaktiert, und dann ist etwas gelungen, was leider nicht allen Initiativen gelingt. Es ist gelungen, die Aufmerksamkeit sowohl medial als auch polit­isch auf ein Thema zu lenken, sodass es zu einer Lösung gekommen ist. Die Lösung vonseiten des Bundesministeriums hat ganz konkret so ausgesehen, dass wir in Oberösterreich bis 2021 weiter I-Klassen haben.

Wir wissen aus der Beantwortung dieser Frage in den Stellungnahmen an den Peti­tions­ausschuss, dass alle anderen Bundesländer dieses Problem in der vorliegenden Form nicht haben. Warum haben sie es nicht? – Aus einem einfachen Grund: weil sie das Pflichtschulorganisationsgesetz anders interpretieren. Das heißt, in acht Bundes­ländern funktioniert, was im neunten Bundesland nicht funktioniert. Jetzt ist die Frage: Liegen acht falsch oder liegt das eine falsch?

Was wir jetzt brauchen, und das ist noch nicht Aufgabe des Petitionsausschusses, ist, dass die Initiative, die ja auch direkt mit dem Land Oberösterreich in Verhandlung steht, das Land Oberösterreich zur Erkenntnis bewegen kann, dass es sich gleich wie alle anderen acht Bundesländer verhält. Sollte das nicht gelingen, kann ich zusagen, dass Sie einige Verbündete im Nationalrat haben, dass Sie das Thema auch hier ein weiteres Mal besprechen können.

Ich möchte zwei Dinge hervorheben, und das ist bei diesem Thema aus meiner Sicht ganz wichtig: Wir haben gesehen, dass sich das Engagement der Initiative ausgezahlt hat, dass Engagement, wenn man sich wirklich organisiert, wenn man ein Thema mit Nachdruck verfolgt, auch zum Erfolg führen kann. Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen und vor allem geschätzte Bürgerinitiative, ich möchte aber, und das ist ganz wichtig, eines in den Vordergrund stellen: Wir reden von direkt Betroffenen, wir reden von Kindern, wir reden davon, dass Kinder und Familien Leidtragende sind, weil ein Bundesland sich anders verhält als alle anderen.

Abschließend zwei Dinge: Erstens, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam darauf schauen, dass wir auch Oberösterreich – mit viel Liebe und falls notwendig mit viel Nachdruck – in die richtige Richtung lenken! Und meine liebe Bürgerinitiative: Bitte macht weiter so, bis ihr euer Ziel erreicht habt! – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie des Abg. Lausch.)

19.45

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte.