11.44

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ignoranz ist die Summe aller Maßnahmen, die man ergreift, um die Wahrheit nicht sehen zu müssen, sagt die Pädagogin Sandra Pulsfort.

Das Volksbegehren Don’t smoke mit seinen knapp 900 000 Unterschriften steht jetzt zur Debatte; daran muss ich jetzt nach der Rede des Kollegen Riemer erinnern. Wir haben im Gesundheitsausschuss vier Hearings abgehalten, und es gibt auch einen Bericht, 533 der Beilagen, den Sie auch online abrufen können. Experten, Mediziner vom Fach der Onkologie, Spezialisten der Allgemeinmedizin, Fachleute für Raucher­prävention, Ökonomen, ja auch ein Sachverständiger für Luftqualität in Innenräumen haben ihre Expertise zur Verfügung gestellt. Universitätsprofessoren, Doktoren, Diplom­ingenieure haben Studien zitiert, Studien präsentiert, die sie selbst erstellt haben, Krebsraten analysiert, die Zahl der Schlaganfälle und der Herzinfarkte dokumentiert, Beispiele aus Australien, Kanada, Deutschland, England und Finnland zitiert. Fakten über Fakten haben sich über die Ausschussmitglieder ergossen. Und dann kamen die Experten von ÖVP und FPÖ, und ich berichte Ihnen jetzt aus dem Hearing vom 26. Februar:

Mario Pulker von der Wirtschaftskammer, Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, war der Experte von FPÖ und ÖVP, und er hat gesagt – ich zitiere wörtlich –: „Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich meinen Betrieb, ein Hotelrestaurant in der Wachau mit 40 Zimmern, seit 2008 rauchfrei habe, weil mein Lokal ein Lokal ist, das internationale Gäste beherbergt. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass meine beiden Onkel je ein Dorfwirtshaus betreiben. Ein Onkel führt ein gemischtes Lokal, der andere ein Einraumlokal“ – und so weiter, und so weiter; also Familiengeschichte als Gegen­argument zu wissenschaftlichen Studien und zu wissenschaftlicher Evidenz.

Das war aber erst der Anfang. Dann kamen die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ, und da ist es erst richtig losgegangen. Zuerst Kollege Hammer, der wiederum auf die Expertise des Kollegen Obernosterer verwiesen hat, und zwar mit den Worten – wieder wörtliches Zitat, das können Sie alles nachlesen –: „Die Zahlen, die Sie da präsentiert haben, sind absolut nicht nachvollziehbar. Kollege Obernosterer ist gerade gegangen; er ist Kärntner, er kann aus Kärnten, vor allem aus dem Lesachtal, wo er selber beheimatet ist, ganz andere Zahlen nennen.“ – Bitte, kommen Sie der ÖVP nicht mit Studien aus Australien und aus Deutschland, wenn die sich im Lesachtal auskennen! (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Nächster Auftritt, Kollegin Kirchbaumer, Zitat – wörtlich –: „Frau Vorsitzende! Werte Bundesministerin! Ich würde gerne eingangs meine Geschichte erzählen.“ – Das hat sie dann auch gemacht, aber die Details erspare ich Ihnen jetzt. Sie hat uns von ihren drei Versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, berichtet. – Kommen Sie der ÖVP auch nicht mit wissenschaftlicher Evidenz, wenn jemand eine Familiengeschichte zu erzäh­len hat!

Das war aber ein müder Auftakt – bis die FPÖ ins Spiel kommt. Kollege Wurm hat die Studien der Universitätsprofessoren mit den Worten quittiert: „Grundsätzlich traue ich nur Statistiken, die ich selber gefälscht habe“. – Das müssen sich Wissenschaftler im österreichischen Parlament von Abgeordneten anhören. Das ist doch eine Blamage für das Hohe Haus insgesamt! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Alles, was ÖVP und FPÖ der Wissenschaft entgegenzusetzen haben, sind Anekdoten aus der Familie oder aus dem eigenen Leben. Und was Sie auch haben, ist eine Mehrheit (Abg. Wurm: Geh auf Tatsachen ein, Gerald, du erzählst Geschichten heute!), eine Mehrheit, mit der Sie über die 900 000 Unterschriften drüberfahren kön­nen, und eine Mehrheit, mit der Sie die Wissenschaft vom Tisch wischen können; aber Schopenhauer hat gesagt: „Die Wahrheit kann warten: denn sie hat ein langes Leben vor sich.“ (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

11.48

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.