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Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte einleitend sagen, dass für mich als Gesundheitsministerin die bestmögliche medizinische Versor­gungs­sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher im Zusammenhang mit Arzneimitteln und Lebensmitteln eines der obersten Ziele ist. Die Wirkung von Arznei­mitteln muss aber – auch hinsichtlich ihrer Neben- und Wechselwirkungen – in umfang­reichen Studien nachgewiesen werden, und diese müssen einen strengen Zulassungs­prozess durchlaufen.

Der Bericht basiert aus meiner Sicht neben rechtlichen Ausführungen zum Einsatz von Cannabis in der Medizin ausschließlich auf Expertenmeinungen, die zu diesem Zweck eingeholt wurden. Sie dürfen mir glauben, ich habe da sehr viele Expertengespräche geführt, und der Oberste Sanitätsrat umfasst alle medizinischen Fachgesellschaften, den Schmerzverband und, und, und. Es wurden also alle Fachgesellschaften mitein­gebunden. Der Vorsitzende, der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Herr Professor Müller, ist Pharmakologe, wirklich ein internationaler Topexperte in dem Bereich, das ist auch noch zu betonen, der Ihnen im Gesundheitsausschuss Rede und Antwort gestanden ist. Er ist den Umgang mit Evidenzen, Studien und Forschung natürlich gewohnt. Ich muss ehrlich sagen, ich war über die Diskussion im Ausschuss sehr erschüttert, darüber, wie man den Herrn Professor, der wirklich ein Experte ist, abqualifiziert hat.

Ich weise schärfstens zurück, was Sie mir unterstellen, dass ich politische Inter­ventionen getätigt und dem Obersten Sanitätsrat entsprechende Vorgaben gemacht hätte. Für mich sind die Evidenz und die Wissenschaft oberste Priorität und natürlich auch, einen entsprechenden Überblick über die Einsatzmöglichkeiten von Cannabi­noiden in der Medizin zu schaffen.

Weiters wurden in dem Bericht die organisatorischen Rahmenbedingungen zum Ein­satz von cannabinoidhältigen Arzneimitteln und Cannabisblüten zusammengefasst. Das beruht auf einer umfassenden Stellungnahme von Universitätsprofessor DDr. Kress. Der Zusammenfassung der Expertenmeinungen ist zu entnehmen, dass Änderungen in diesem Bereich ausschließlich basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkennt­nissen vorgenommen wurden. Und auch die WHO – die WHO, Frau Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, bitte hören Sie zu! – sagt nicht, dass wir Cannabisblüten verwenden sollen; das sagt die WHO nicht. Sie sagt nur, dass wir auch forschen sollen und entsprechend kontrollieren. (Zwischenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Genau diese Tatsache wurde interessanterweise am Donnerstag im Gesundheits­aus­schuss des Deutschen Bundestages bestätigt. Der Genehmigungsvorbehalt der Kran­ken­kassen wurde deshalb auch nicht gestrichen. Ich zitiere aus der Stellungnahme der deutschen Bundesärztekammer: „Da es sich bei den Cannabisblüten und -extrakten um Arzneimittel handelt, [...] für die keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz vorliegt, ist es rechtfertigt, der Verordnung ein Genehmigungsverfahren [...] voranzustellen.“ Weiters betonen die Sachverständigen der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin – wenn Sie schon unserer eigenen nicht glauben –: „Der Gebrauch von Medizinalcannabis setzt eine besondere Erfahrung in der Diagnostik der Indika­tionen für Cannabinoide, in ihrer Anwendung (Applikationsweg, Dauer, Ausschluss­diagnosen und Nebenwirkungen) voraus.“

Der Missbrauch von Suchtgiftmitteln stellt eine große Gefahr dar. Das Suchtpotenzial und der Missbrauch von Cannabis, wenn es sich nicht um Medizinalhanf handelt, wur­den auch in einer rezenten Untersuchung der Ages – Frau Professor Wirthumer-Hoche ist Ihnen im Ausschuss als Auskunftsperson zur Verfügung gestanden –, ganz klar aufgezeigt. Die Erkenntnisse sind für mich als Gesundheitsministerin bedenklich. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit wurde durch mein Ministerium am 16. November 2018 beauftragt, Hanfautomaten und Verkaufsstellen in möglichst breitem Ausmaß und flächendeckend in Österreich zu beproben und die bei den Kontrollen beziehungsweise Analysetätigkeiten vorgefundenen Ergebnisse zu übermit­teln. Meine Damen und Herren, das Ergebnis war erschütternd. Die Beanstandungs­rate war nämlich fast 100 Prozent; von 46 Proben waren 45 zu beanstanden. Wir haben natürlich diesbezüglich sofort Anzeige bei der Staatsanwaltschaft beziehungs­weise bei den Bezirksverwaltungsbehörden erstattet.

Durch die Verschreibung von cannabishältigen magistralen Arzneimitteln ist es von 2016 auf 2018 zu einer Steigerung um 10 Millionen Euro gekommen; das geht aus einer Mitteilung der Sozialversicherung hervor.

Eines ist mir noch sehr, sehr wichtig: Sie kennen vielleicht einen der Topsuchtexperten Österreichs, Universitätsprofessor Dr. Musalek. Ich habe natürlich auch mit ihm Ge­spräche geführt und darf ihn hier zitieren. Er sagt, es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei Cannabis um ein Suchtmittel handelt, und es gelte: Je leichter ein Suchtmittel erhältlich ist, desto öfter wird dieses genommen; und das führt wiederum zu Suchterkrankungen. Auf meine Frage betreffend Gefahren und Risiken, die sich aus dem Einsatz von Cannabisblüten ergeben könnten, meinte er – ich zitiere –: Es besteht die Gefahr, dass man dabei einen Hype auslöst, der zu einer Einsatz- und Dosissteigerung führen kann, die in eine vermehrte Abhängigkeit führen könnte. – Zitatende.

Das heißt, sämtliche Suchtmechanismen und Abhängigkeiten müssen dargelegt wer­den; nicht umsonst steht Cannabis auf der Liste der illegalen Drogen.

Der Einsatz von Arzneimitteln gehört daher kontrolliert. Bei der Zulassung werden die seitens des Antragstellers vorgelegten Unterlagen im Hinblick auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit nach EU-weit geltenden Regelungen geprüft. Ein Arzneimittel wird nur dann zugelassen, wenn Studiendaten ergeben, dass das Nutzen-Risiko-Profil im Verhältnis angemessen ist und der Nutzen das Risiko übertrifft.

Solange keine ausreichende medizinisch-wissenschaftlich Evidenzlage vorhanden ist, kann den strengen Richtlinien der Arzneimittelzulassung nicht entsprochen werden. Medizinisch-wissenschaftlich fundierte Expertisen und eine ausreichende Evidenzlage im Sinne der Patientensicherheit stehen für mich im Vordergrund. Alles andere, meine Damen und Herren, sind Experimente, auf die ich mich als Gesundheitsministerin nicht einlasse. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

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