15.34

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir fragen uns ja schon wochenlang: Erstens, wer schafft an in der SPÖ, und zweitens, wie hätten Sie es denn gerne? (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Abg. Heinisch-Hosek: Na habts ihr Sorgen!)

Frau Kollegin Rendi-Wagner stellt sich hier ans Rednerpult und fragt, was „am Tag danach“ passiert. Es sei furchtbar und es sei dringend notwendig zu handeln. (Abg. Heinisch-Hosek: Ist es auch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege Muchitsch stellt sich ans Rednerpult und sagt, es trage alles die sozialdemokratische Handschrift und alle Errungenschaften seien auf die Sozialdemokratie zurückzuführen. (Ja-Rufe bei der SPÖ.) Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wird wieder sichtbar, wie unter­schiedlich die Meinungen sogar in Ihren eigenen Reihen sind, sogar innerhalb von drei Bankreihen. Da habe ich Herrn Doskozil aus dem Burgenland noch gar nicht erwähnt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eines, Frau Kollegin Rendi-Wagner, muss man aber schon hinterfragen: Wo war die SPÖ wirklich in den letzten elf Jahren? (Ruf bei der SPÖ: Mit euch in der Koalition! – Abg. Heinisch-Hosek: Wir haben eure Angriffe abgewehrt!) – Angeblich im Gesund­heits­ressort und auch im Sozialressort, zumindest war das die Situation. Und jetzt fragen Sie: „Was passiert am Tag danach?“ (Abg. Rendi-Wagner: Abschaffung des Pflegeregresses! – Abg. Drozda: Abschaffung des Pflegeregresses! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Diese Bundesregierung hat die Pflege als Schwerpunktthema festgelegt. (Abg. Leichtfried: Dann tuts bitte einmal was!) Uns liegen nämlich die Menschen, die zu Hause betreut und gepflegt werden, aber auch jene Menschen, die diese Betreuung und Pflege durchführen, am Herzen, und deshalb ist die Pflege ein Schwerpunktthema dieser Bundesregierung, neben zwei anderen wichtigen Themen. (Abg. Heinisch-Hosek: Was ist mit der Karenz eigentlich?) Im Dezember wurde ein Ministerratsvortrag verabschiedet, der genau diese Punkte beinhaltete. (Ruf bei der SPÖ: Gewaltig!) Und jetzt kommen Sie (in Richtung Abg. Rendi-Wagner) hier ans Rednerpult und fragen: „Was passiert am Tag danach?“, weil die Sozialministerin letzten Donnerstag dankens­werterweise einen breiten Diskussionsprozess gestartet hat. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Wir wollen nämlich einen breiten Diskussionsprozess. Warum? – Weil wir Bund, Länder, Gemeinden, die pflegenden Angehörigen, das Pflegepersonal, alle, die mit der Pflege letzten Endes konfrontiert sind und zu tun haben, einbinden wollen. (Abg. Heinisch-Hosek: Das haben wir immer gemacht!) Das ist der neue Stil dieser Bundesregierung: Wir binden die Menschen beim Thema Pflege ein, und deshalb gibt es auch einen breiten Diskussionsprozess. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Derzeit gibt es im Pflegesystem insgesamt 6,5 Milliarden Euro: Bund, Länder, Gemein­den. Wir sind zuständig für Pflegegeld, Pflegefonds, 24-Stunden-Betreuung und auch für den Teil, den wir im Finanzausgleich mitgestalten. Die Gemeinden und die Bundes­länder sind vor allem vor Ort für die mobile Betreuung und für die Heimpflege zustän­dig. Der Eigenanteil jener Menschen, die in Heimen sind, beträgt derzeit rund 1 Milliar­de Euro. 6,5 Milliarden Euro sind also insgesamt im Pflegesystem.

Der Grundsatz dieser Bundesregierung lautet: daheim vor stationär. Über 80 Prozent der zu Pflegenden – das sind rund 460 000 Menschen in Österreich, rund 5 Prozent der Gesamtbevölkerung – werden zu Hause betreut und gepflegt. (Abg. Heinisch-Hosek: Unentgeltlich, von Frauen!) Unser Respekt, unsere Wertschätzung und unsere Hochachtung gelten den pflegenden Angehörigen, die eine ganz wertvolle Arbeit in unserer Gesellschaft leisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir wollen daher in diesem Bereich bestmöglich unterstützen. Da geht es zum Beispiel um die Frage der Anrechnung der Pensionszeiten. Wir haben hier bereits ein Modell ab der Pflegestufe 3 mit 50 Prozent. Viele in der Bevölkerung wissen das gar nicht. Ab der Stufe 4 werden - - (Abg. Heinisch-Hosek: Das haben wir gemacht, nur zur Erinnerung!) – Frau Kollegin Heinisch-Hosek, ich habe ja nicht gesagt, dass alles schlecht wäre. Ihr selber sagt ja, es sei alles so furchtbar und jetzt müsse alles auf der Stelle geändert werden! Wir haben das nicht gesagt! (Abg. Heinisch-Hosek: Nein, das haben Sie schon gesagt!)

Frau Klubobfrau Rendi-Wagner stellt sich ans Rednerpult und sagt, in der Pflege bestehe dringender Handlungsbedarf (Abg. Heinisch-Hosek: Sie haben das gerade gesagt! – weiterer Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner), weil das und das und das nicht passe. Ich sage nicht, dass alles schlecht ist in der Pflege, ich glaube, dass wir in Österreich derzeit durchaus auch gute Modelle haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Weiterentwicklung!)

Wir wollen diese aber natürlich weiterentwickeln und eine noch bessere Unterstützung für jene ermöglichen, die diese Betreuung und Pflege zu Hause machen. Es besteht natürlich ein Unterschied zwischen Betreuung und Pflege, und da müssen wir genau hinschauen, was ist Betreuung und was ist wirklich Pflege. Das wollen wir auch in der Struktur und Organisation herausarbeiten.

Beim Pflegepersonal geht es darum, die Lücke bei den 15- bis 17-Jährigen zu schließen, sodass man bald in eine Ausbildung einsteigen kann. Es geht um die Frage, wie wir auch WiedereinsteigerInnen für diesen durchaus herausfordernden Beruf gewinnen können, weil wir natürlich in Zukunft mehr Pflegepersonal benötigen.

Die Frage der Digitalisierung ist ein wesentlicher Bestandteil und ist ja auch ein Schwerpunktthema dieser Bundesregierung, und die Deregulierung gehört auch dazu. Als langjähriger Betriebsrat des Roten Kreuzes, das ungefähr 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich hat, weiß ich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft gar keine Zeit mehr für die PatientInnen haben, weil die Dokumentationspflichten in den letzten Jahren ausgeufert sind. Wir müssen auch die Kontrollsysteme dort, wo doppelt gemoppelt wird, deregulieren. Es ist unsere Aufgabe, da tätig zu werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dann, meine Damen und Herren, stellen wir uns der Frage der Finanzierung. Da eines jetzt immer wieder zitiert wird: Was habe ich letzten Donnerstag gesagt? – Dass die Ministerin diesbezüglich eine Studie in Auftrag gegeben hat. Ist es nicht legitim, dass wir diese Studie abwarten, da wir insgesamt 6,5 Milliarden Euro im System haben? (Abg. Heinisch-Hosek: Beim Gesundheitssystem wart ihr schneller mit der Zerschla­gung!) Eine ganz offene Frage: Was ist denn falsch daran, dass wir uns – als politisch Verantwortliche in Österreich – einfach auch Modelle, die es europaweit gibt, ansehen (Ruf bei der SPÖ: Was denn noch ...! – Zwischenruf des Abg. Rossmann) und einmal abwägen: Ist das sinnvoll oder nicht?, oder: Wollen wir das oder wollen wir das nicht? (Zwischenruf des Abg. Noll.) Mehr habe ich nicht gesagt.

Jetzt herzugehen und uns einbetonieren oder einzementieren zu wollen, halte ich für falsch, meine Damen und Herren. Wir starten einen offenen Diskussionsprozess und warten die Ergebnisse dieser Studie natürlich ab, damit wir letzten Endes die beste Lösung für die Österreicherinnen und Österreicher anbieten und umsetzen können. Das ist unser Zugang, auch was die Frage der Finanzierung anbelangt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir haben uns dieses Schwerpunktthema gesetzt. Der Start ist mit der Auftaktveranstaltung sehr gelungen. Wir beginnen jetzt mit einem breiten Diskussionsprozess und laden dazu auch alle, die mit der Pflege in Verbindung stehen, ein. Immerhin sind das rund eine Million Menschen, die zu den pflegenden Ange­hörigen gehören, und 460 000 Menschen, die in Österreich Pflegegeld beziehen.

Ich lade Sie auch namens der Volkspartei ein, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen. Der Ministerratsvortrag wurde im Dezember verabschiedet. Er beinhaltet die Grundausrichtung der wesentlichen Punkte, daher brauche ich nicht im März im Sozialausschuss einen Antrag zu beschließen, der schon im Dezember durch den Ministerrat gegangen ist. Ich bitte Sie, sich an der Diskussion zu beteiligen, keine Ängste zu schüren und die Propaganda hintanzustellen. Das wäre bei dem Thema wichtig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Propaganda hintanstellen wäre gut in eurem Fall!)

15.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Wagner ist zu Wort gemel­det. – Bitte.