16.42

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Liebe Frau Ministerin! Lieber Herr Minister! Wenn wir heute über die Pflegeversicherung sprechen, dann ist es ja auch Aufgabe dieses Hauses, es nicht einseitig zu sehen, ob wir eine Pflegeversicherung oder andere Finanzierungsformen wählen wollen. Ich glaube, wir machen es uns heute zu leicht, wenn wir hier sagen: Wir müssen finanziell absichern, dass es möglich ist, die Menschen, die im Alter versorgt werden müssen, zu versorgen.

Wir müssen uns zuerst einmal anschauen, wie wir sie absichern. Wenn es heute – Sie alle haben die Zahlen gehört, der Herr Bundeskanzler hat sie genannt – 450 000 zu Pflegende in Österreich gibt, dann muss man diesbezüglich auch sehen, wie sie versorgt werden, wie sie gepflegt werden, wo sie versorgt werden und mit welcher Qualität sie versorgt werden. Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hat es erwähnt.

Wie ist heute die Qualität der Pflege in Österreich? – Es sei mir erlaubt, das ein bisschen herunterzubrechen, weil ich nämlich seinerzeit als Soziallandesrat 64 verschiedene Pflegeheime evaluieren lassen habe, aber auch geschaut habe, was Qualität bedeutet. Es gibt klassische Pflegeversorgungsformen, wie wir jetzt gehört haben, 80 Prozent der Menschen werden mit Aufwand der Familie intensivst und vielfach auf Kosten der Familie versorgt, und es gibt auch abgestufte Formen teilstationärer Pflege sowie letztlich stationäre Pflegeeinrichtungen.

Wo wollen wir aber hin? – Es ist ja nicht so, dass wir jetzt das Rad neu erfinden müssen. Wir haben es in ganz Europa untersucht, wir sehen ja auch, dass heute ganz Europa unter einem Kostendruck steht, weil nämlich – und das wissen Sie selber – die stationäre Pflege eindeutig die teuerste Form ist. Die günstigste Versorgung ist die Versorgung zu Hause.

Wenn wir diese Formen untergliedern wollen, dann müssen wir beginnen, diese Formen auch neu zu leben, nämlich so wie es auch andere Länder machen. Nehmen wir zum Beispiel die Schotten heraus, die Cottages gebildet haben, die eine zentrierte Einheit gebildet haben, um die herum sie kleine Versorgungseinrichtungen gemacht haben; man kann auch Amsterdam heranziehen.

Wir alle pilgern jedes Jahr zum Forum Alpbach. Hat sich aber irgendjemand einmal die Mühe gemacht, Ambient Assisted Living, was vor einigen Jahren der Schwerpunkt des Forums Alpbach gewesen ist, in die Tat umzusetzen, indem man nämlich Digita­lisierungen wirklich auch nach Hause bringt? – Das ist bei uns versiegt. Das heißt, auch dieser Punkt ist anzuschauen.

Die Region Veneto macht es zum Beispiel so – wir in Kärnten haben da auch einzelne Betreuungsformen herausgenommen und übernommen –, dass in untergliederten kleinen Einrichtungen maximal sechs Personen, die trotz Pflege noch selbst versorgungsfähig sind, das heißt, die niedrige Pflegestufen haben, niederschwellig versorgt werden können. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, um eine Kostenentlastung zu erreichen, denn eines ist gewiss: Die Kosten in einem Pflegeheims – wenn wir es heute über den Kamm scheren – belaufen sich im Schnitt auf 127 Euro pro Tag und Person, aber das sind Normkosten.

Wir müssen diese Normkosten zuerst, wenn wir wirklich über die Zukunft der nächsten Generation und der Generation der Älteren nachdenken wollen, in echte Kosten umrechnen, um zu untersuchen, was ein Haus heute wirklich effektiv kostet. Sie wer­den sehen, dass es da riesige Bandbreiten gibt. Dementsprechend ist auch dieser Bereich anzusehen, bevor wir über eine Pflegeversicherung oder über eine staatliche Versorgung reden.

Der dritte Punkt ist die qualitative Ausbildung. Ich habe miterlebt, dass eine diplomierte Krankenschwester am Abend dagesessen ist und Hunderte Medikamente eingepackt hat – Hunderte Medikamente, stundenlang. Entspricht das der Ausbildung einer diplo­mierten Kraft? Warum schafft es Deutschland längst, da eine Verblisterung durch­zuführen? Warum kann das Schweden seit 20 Jahren vorweisen? Damit werden Hunderte Millionen Euro gespart, weil die Medikamente professionell an die älteren Menschen abgegeben werden.

All diese Gedanken sollen wir uns auch im Sozialausschuss zu Gemüte führen, sodass wir über das Thema Pflege wirklich effektiv, echt und ohne Polemik sprechen können. Am Ende des Tages können wir dann entscheiden, ob wir staatlich oder mittels Pflegeversicherung finanzieren. Seien Sie sich aber eines gewiss – und ich möchte dieser Diskussion nicht vorgreifen –: Wenn Sie wollen, dass wir eine Pflegeversiche­rung einführen, dann müssen wir eine fünfte Säule einführen. Wenn Sie heute auf der Basis von 5,7 Milliarden Euro, was die effektiven Kosten sind, diese Pflegeversiche­rung einführen, dann brauchen Sie 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme der Öster­reiche­rinnen und Österreicher. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Das heißt, die Arbeit wird deut­lich teurer, der Wirtschaftsstandort Österreich ist gefährdet und wir müssen dann eine neue Form der Finanzierung finden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

16.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gäste von Gabriel Obernosterer, die Seniorinnen und Senioren aus Kärnten, recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.