19.09

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzte Staats­sekretärin! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Ich sage gleich am Anfang: Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil wir das Thema für wichtig erachten und es uns auch ein echtes Anliegen ist, Menschenhandel und Schlepperei zurückzudrängen.

Ich finde es auch großartig, dass Sie, Frau Abgeordnete Kugler, den Menschenhandel und auch die sexuelle Ausbeutung erwähnt haben, und ich würde mich sehr freuen, wenn wir hier auch im Menschenrechtsausschuss gemeinsam Anträge schaffen, weil das tatsächlich ein Problem ist. Es werden viele Asylwerberinnen aus den libyschen Lagern nach Europa gebracht, nach Österreich gebracht, sexuell ausgebeutet, es werden aber auch Männer nach Österreich gebracht, die zu Zwangsarbeit gezwungen werden.

Wir alle wissen aus den Studien der ILO und anderer internationaler Organisationen: Der Menschenhandel floriert, er ist neben dem Drogenhandel und dem Waffenhandel eine der boomendsten Branchen. Über 100 Milliarden Euro Profit wird jährlich damit gemacht, ein Drittel davon stammt aus der Arbeitsausbeutung, zwei Drittel aus der sexuellen Ausbeutung, und ich glaube, gegen diesen Missstand müssen wir gemein­sam entschieden vorgehen.

Ich möchte Sie aber auch noch einmal auf die Situation in Libyen aufmerksam machen, denn nach den IOM-Schätzungen – ich glaube, das ist wirklich eine gravierende Zahl, das dürfen wir alle nicht unterschätzen – gibt es in Libyen 670 000 Schutz suchende Migrantinnen und Migranten. Wenn wir diese Situation verkennen, dann müssen wir uns an das Jahr 2015 und an die Jahre davor zurückerinnern, als wir auch in anderen Ländern die Situation verkannt haben.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass diese Bevölkerungsgruppen in Libyen regel­mäßig gravierenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, darunter Mord, Erpressung, Folter und viele andere Formen von Misshandlungen, sexueller Gewalt, Ausbeutung, Zwangsarbeit und eben Menschenhandel.

Die libysche Küstenwache wird von der EU stark unterstützt, weil wir uns erhoffen, dass sie die Schlepperei dort zurückdrängt, und weil wir auch hoffen, dass sie die Migrantenströme nach Europa eindämmt. Es werden darüber hinaus Milizen finanziert, aber diese sind zum Teil natürlich auch bei diesen ganzen Schlepperorganisationen wie auch an gewissen systematischen und schwerwiegenden Menschenrechts­verlet­zungen in den Lagern beteiligt.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Koope­ration zwischen EU und Libyen im Bereich Grenzschutz und Migrationsmanagement sowie die aktuelle Menschenrechtssituation in Libyen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu den verheerenden Zuständen in libyschen Anhaltezentren Stellung zu beziehen. Zudem wird die Regierung aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine Verbesserung der besorgniserregenden Situ­a­tion der über 670.000 Migratinnen, Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchenden in Libyen zu erreichen. Weiteres wird die Bundesregierung ersucht, auf allen Ebenen, insbesondere in den Gremien der Europäischen Union sowie der Vereinten Nationen alle Aktivitäten zu unterstützen, die eine Verbesserung der Sicherheit und des Schutzes der sich in Libyen befindlichen Migrantinnen, Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchenden gewähr­leisten, und die Verantwortung der Europäischen Union sowie der einzelnen Mitglieds­staaten für eine gesamteuropäische Lösung transparent zu machen.

Abschließend wird die Regierung aufgefordert, die Forderung der EU-Kommission nach einem Schließen der libyschen Flüchtlingszentren in vollem Umfang zu unter­stützen und sich für die Schaffung von sicheren, menschenrechtskonformen Alterna­tiven einzusetzen.“

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Vielen Dank. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

19.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic LL.M., Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kooperation zwischen EU und Libyen im Bereich Grenzschutz und Migra­tionsmanagement sowie die aktuelle Menschenrechtssituation in Libyen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 13: Bericht des Aus­schusses für Menschenrechte über den Antrag 605/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend entschlossene Be­kämpfung von Schlepperei und Menschenhandel (532 d.B.)

Laut IOM-Schätzungen befinden sich etwa 670.000 Flüchtlinge, Asylsuchende, Migran­tinnen und Migranten in Libyen. Diese Bevölkerungsgruppe ist regelmäßig gravie­renden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, darunter Mord, Erpressung, Folter und anderen Formen von Misshandlung, sexueller Gewalt, Ausbeutung, Zwangs­arbeit und Menschenhandel.  Schätzungsweise werden mehr als 6.000 Migrantinnen, Migran­ten und Flüchtlinge willkürlich und unbefristet über Monate oder sogar Jahre in ca. 20 offiziellen, staatlich betriebenen, überfüllten Internierungslagern festgehalten. Men­schen­rechtsorganisationen gehen zudem von weiteren inoffiziellen Lagern an Libyens Küste aus, in denen Flüchtlinge Opfer von Gewalt und Menschenhandel würden.1

Die Zustände in libyschen Lagern sind absolut menschenunwürdig. Zugang zu medi­zinischer und sanitärer Grundversorgung ist in weiten Teilen des Landes einge­schränkt, in den Lagern im Grunde inexistent. Menschen hungern. Laut einer aktuellen Studie2 von Ärzte ohne Grenzen ist ein Viertel der Menschen akut mangelernährt bzw. unterernährt. Unter den Gefangenen sind ca. ein Drittel Kinder und Minderjährige. Gefangene berichten, oft tagelang kein Essen zu bekommen. Zudem halten zahlreiche Berichte detailliert fest, dass die Inhaftierten geschlagen, als Sklaven verkauft, für Zwangsarbeit missbraucht, hingerichtet werden. Folter und Vergewaltigung stehen an der Tagesordnung. Laut einer aktuellen Studie der „Women’s Refugee Commission“3 greifen die libysche Miliz und Küstenwache, die teils selbst Teil der Schlepper­netzwerke sind, und Menschenhändler zu immer extremeren Formen von sexueller Gewalt und Folter, um ihre Einkommensverluste zu kompensieren. Familien der Opfer werden erpresst.  Menschen, mit denen man kein Geld mehr erpressen konnte, werden getötet, um wieder Platz zu schaffen. Ein UNO-Bericht4 aus Dezember 2018 kommt zu ähnlich entsetzlichen Ergebnissen. Immer mehr Menschenrechts­organi­sationen beschreiben die menschenverachtenden Zustände als „Hölle“.5

Sehenden Auges forcieren die Mitgliedsstaaten der EU eine verstärkte Kooperation mit Libyen, obwohl es unmissverständlich klar sein müsste, dass Menschen unter katastro­phalen Bedingungen zurückgebracht werden und in die Hände von Schleppern und Menschenhändlern gedrängt werden. Menschenrechtsorganisationen warnen seit den ersten Abkommen mit Gaddafi in 2008 vor den „schmutzigen Deals“ mit Libyen und lokalen Milizen, die Menschenleben als Verhandlungsmasse behandeln. Diese Abkom­men zur Flüchtlingsabwehr sehen eine massive finanzielle, logistische und technische Unterstützung der EU für libyschen Hafteinrichtungen, die Küstenwache und Lokalbehörden sowie Milizen vor – also all jene Akteure, die an den systematischen und schwerwiegenden Menschenrechtsverstößen beteiligt sind. Erst Ende Februar 2019 hat Channel 4 News6, ein britischer TV-Sender, eine Videoaufzeichnung veröf­fentlicht, die zeigt, wie Menschen in einem libyschen Anhaltezentrum auf die brutalste Art und Weise gefoltert werden, und das in einer aus EU-Mitteln finanzierten Haftein­richtung.

Der europäische Kampf gegen Schlepper und Menschenhändler erfolgt bisher sym­bolisch und versagt bei der Eindämmung von Menschenleid. Die „Abschreckungs­mis­sionen“ der EU richten sich statt gegen die Menschenhändler gegen die Schutz­suchenden und diejenigen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Damit wer­den diese in eine noch größere Notlage gedrängt.

Die zur Abschottungs- und Abschreckungspolitik verkommene europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik verstärkt somit das bestehende Leid auf dieser ohnehin schon gefährlichen Mittelmeerroute. Laut UNHCR7 hat sich 2018 die Sterblichkeitsrate unter den MigrantInnen, nach der Schließung sicherer und legaler Flucht- und Migrations­wege im Vergleich zu 2017 fast verdreifacht. Das Aussetzen der Marinekomponente der Mission Sophia mit 31.03.2019, welche seit ihrem Bestehen mehr als 45.000 Menschen aus Seenot gerettet hat, wird zweifelsohne zu noch mehr Toten führen. Fortgeführt werden soll die zur "Sophia"-Mission gehörende Ausbildung der libyschen Küstenwache, sowie die Überwachung des Mittelmeerraumes zur Eindämmung des Menschenhandels und der Schlepperei durch Flugzeuge.

Eine gesamteuropäische Migrations- und Asylstrategie, die neben dem Ausbau des Grenzschutzes sowie der Bekämpfung von Menschenhandel/Schlepperei auch eine nachhaltige Bekämpfung von Fluchtursachen, Schaffung legaler und sicherer Migra­tions- und Fluchtwege, sowie die Möglichkeit regulärer Migration und Flucht beinhaltet, fehlt innerhalb der EU. Seit Jahren fordern ExpertInnen, dass nur ein gesamtheitlicher Ansatz nachhaltig und wirksam den Menschenhandel sowie die systematische Aus­beutung von Migrantinnen, Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen und die gewalt­samen Übergriffe gegen diese Personengruppen in Libyen beenden kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu den verheerenden Zuständen in libyschen Anhaltezentren Stellung zu beziehen. Zudem wird die Regierung aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine Verbesserung der besorgniserregenden Situ­ation der über 670.000 Migratinnen, Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchenden in Libyen zu erreichen. Weiteres wird die Bundesregierung ersucht, auf allen Ebenen, insbesondere in den Gremien der Europäischen Union sowie der Vereinten Nationen alle Aktivitäten zu unterstützen, die eine Verbesserung der Sicherheit und des Schut­zes der sich in Libyen befindlichen Migrantinnen, Migranten, Flüchtlinge und Asyl­suchenden gewährleisten, und die Verantwortung der Europäischen Union sowie der einzelnen Mitgliedsstaaten für eine gesamteuropäische Lösung transparent zu machen.

Abschließend wird die Regierung aufgefordert, die Forderung der EU-Kommission nach einem Schließen der libyschen Flüchtlingszentren in vollem Umfang zu unter­stützen und sich für die Schaffung von sicheren, menschenrechtskonformen Alter­nativen einzusetzen.“

1 https://humanitariancompendium.iom.int/appeals/libya-2018.

2 Ärzte ohne Grenzen, LIBYEN: Mangelernährung im Internierungslager Sabaa in Tripolis – Screening-Bericht

Tripolis, Libyen (März 2019), https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/sites/germany/files/2019-libyen-screening-bericht-mangelernaehrung-internierungslager.pdf.

3 Women’s Refugee Commission, Libya-Italy Report (März 2019) https://www.womensrefugeecommission.org/component/zdocs/document?id=1698-libya-italy-report-03-2019-pdf.

4 Office of the High Commissioner for Human Rights, Desperate and Dangerous: Report on the human rights situation of migrants and refugees in Libya (Dezember 2018), https://www.ohchr.org/Documents/Countries/LY/LibyaMigrationReport.pdf .

5 http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-in-libyen-europa-schickt-menschen-in-die-hoelle-a-1219935.html.

6 https://www.channel4.com/news/torture-and-shocking-conditions-the-human-cost-of-keeping-migrants-out-of-europe (25. Februar 2019).

7 UNHCR, Desperate Journeys: January – December 2018 (Januar 2019) https://data2.unhcr.org/en/documents/download/67712.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag wurde ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Amesbauer. – Bitte schön.