19.35

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher vor den Fernsehschirmen! Wir diskutieren heute einmal mehr über die Deutschförderklassen, weil es eine Novelle dazu geben soll, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, hier ein erstes Resümee zu ziehen.

Versprochen wurde viel, ich kann mich noch gut erinnern, Kollege Taschner hat gleich zu Beginn in den Raum gestellt, die meisten Kinder werden schon nach den ersten Semestern den Übertritt in die Regelklasse schaffen. – Nun, das hat sich nicht bewahr­heitet. Bundesminister Faßmann ist schon ein bisschen vorsichtiger bei der Ein­schät­zung, wie die Deutschförderklassen wirken, er hat sich bis heute nicht festgelegt.

Herr Bundesminister, eine neue Maßnahme ohne Zielsetzung, was wann in welcher Zeit zu erreichen ist, finde ich bemerkenswert; sagen wir es einmal so. Wussten Sie, dass diese Maßnahme dem Populismus geschuldet ist und nicht die Wirkung haben wird, die Sie sich vielleicht erhofft haben, und war das der Grund dafür, hier keine Ziel­zahlen zu nennen? War das vielleicht auch der Grund, warum die Sprachstartgruppen, die gut implementiert waren, die im Kern Kleingruppenunterricht vorgesehen hatten, einfach ohne Evaluierung und ohne Nachweis der Wirksamkeit abgeschafft wurden?

Nun, wie sieht die Bilanz aus? – 16 Prozent der Schülerinnen und Schüler konnten nach dem ersten Semester in die Regelklasse wechseln. – 16 Prozent, das ist sicher nicht der Erwartungswert!

Das ist auch kein Wunder, denn die Sprachwissenschafter, Bildungswissenschafter haben davor gewarnt, Kinder für 15 Stunden von den deutschsprachigen Kindern zu separieren. Sie haben davor gewarnt, 25 Kinder in Deutschförderklassen mit nur einer Lehrperson zusammenzustecken. Das war noch nicht genug: Die Sprachförderung in den Regelklassen für jene, die sie noch dringend brauchen würden, denn Sprach­kompetenzerwerb dauert jahrelang, wurde von elf Stunden auf sechs Stunden zurück­gefahren. 450 Sprachpädagoginnen und -pädagogen wurden den Schulen weggenom­men und weitere 400 Unterstützungspersonen ebenso. Bessere Sprachförderung mit der Hälfte der Sprachpädagogen? – Ich wage es zu bezweifeln.

Dass es dennoch 16 Prozent geworden sind, ist einem Kraftakt der Direktorinnen und Direktoren und der Pädagoginnen und Pädagogen zu verdanken (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Zadić und Holzinger-Vogtenhuber), denn sie haben kaum die Möglichkeit gehabt, sich darauf einzustellen. Sie standen wirklich vor gewaltigen Herausforderungen, haben noch das letzte Kammerl in ein Klassenzimmer umfunk­tio­niert, haben Bibliotheken, Werkräume geschlossen, um daraus Klassen zu machen. Pädagoginnen und Pädagogen ohne ausreichende Schulung in Deutsch als Zweit­sprache fanden sich oftmals ganz plötzlich in Deutschförderklassen mit 25 Kindern wie­der.

Bei einer Tagung, die vor Kurzem stattgefunden hat, haben Pädagoginnen und Päda­gogen auch aus ihrer Erfahrung Resümee gezogen: Sie sprechen von viel zu großen Gruppen – ich erinnere, es wurde von 15 auf 25 Kinder aufgestockt. Sie haben fest­gestellt, dass die Einbindung in die Regelklasse äußerst unzureichend funktioniert, denn 7 Stunden in Turnen, Musik und Zeichnen reichen für das Sprachbad, das auch die Wissenschafterinnen und Wissenschafter wirklich fordern, um Sprachkompetenz gut zu erwerben, einfach nicht aus. Dann ist da noch die soziale Ausgrenzung dieser Kinder: Sie sprechen davon, dass die Kinder in den Deutschförderklassen von den Kindern aus der Regelklasse oftmals beschimpft werden, verspottet werden.

Der Druck auf diese Kinder erhöht sich nochmals durch die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch die Separation in den Deutschförderklassen den Aufstieg in die nächste Klasse nicht schaffen und daher wiederholen müssen.

Und damit es noch ein bisschen zynischer wird: Durch die Wiedereinführung des Sitzenbleibens in der zweiten Klasse Volksschule stigmatisiert man diese Kinder nochmals, da man ihnen die Möglichkeit nimmt, im Klassenverband zu bleiben und in den ersten drei Jahren einfach aufzuholen. Die Kinder lernen unterschiedlich schnell, und wenn sie nicht sitzenbleiben würden, hätten sie die Möglichkeit, im Klassen­ver­band weiterzulernen. – Bravo, kann ich nur sagen, der maximale Schaden ist ange­richtet! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Jetzt wird an diesem neuen Gesetz wieder herumgedoktert, und jetzt geht es ausge­rechnet um den Aufstieg der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler aus den Deutschförderklassen unter bestimmten Umständen in die nächste Schulstufe. Vorher lässt man sie sitzenbleiben – führt das Sitzenbleiben wieder ein –, dann versucht man, das wieder aufzumachen.

Herr Bundesminister, das wird alles nicht besser. Ich appelliere einmal mehr an Sie: Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Bildungswissenschaft und vor allem auf die Pädagoginnen und Pädagogen! Kehren Sie bitte zu den gut etablierten, integrativen Maßnahmen zurück, verdoppeln Sie die Zahl der Pädagoginnen und Pädagogen in den Klassen mit besonderen Herausforderungen wieder, und überlassen Sie es bitte den erfahrenen DirektorInnen und Pädagoginnen und Pädagogen, am Schulstandort autonom, treffsicher, so wie es die Kinder brauchen und wie es die Räumlichkeiten hergeben, zu gestalten! (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ich plädiere für mehr Vertrauen in unsere Pädagoginnen und Pädagogen, denen ich an dieser Stelle wirklich herzlich Danke sage. Eine Nachtlektüre empfehle ich noch: Der Nationale Bildungsbericht ist heute herausgekommen, und er widmet sich auch dem Thema Separation und Homogenisierung von Klassen; und was da drinnen steht, unterstreicht meine hier vorgetragene Kritik. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Zadić.)

19.42

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.