14.28

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde mich gerne zu Beginn dieser Debatte mit dem Thema Glyphosat beschäftigen, denn seit mehreren Jahren gibt es Hinweise – und sie werden laufend mehr –, dass der Wirkstoff Glyphosat für Mensch und Tier sehr ge­fährlich ist. Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein und den Hormonhaus­halt massiv negativ zu beeinflussen. Dass das nicht nur Gerede, sondern sehr ernst zu nehmen ist, haben sowohl die Weltgesundheitsorganisation als auch viele andere be­stätigt.

Vor Kurzem, nämlich diesen Monat, hat in den USA das Bundesbezirksgericht in San Francisco in einem Musterprozess festgestellt, dass das glyphosathaltige Mittel Round­up der Bayer-Tochter Monsanto ein erheblicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebser­krankung der klagenden Person gewesen ist. Gestern hat das Gericht geurteilt, dass Bayer/Monsanto für die Krebsrisiken im Zusammenhang mit diesem Unkrautvernich­tungsmittel mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar ist und dem Kläger 81 Mil­lionen Dollar an Schadenersatz zu zahlen hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, alle diese Fakten machen eines ganz klar: Wenn wir gesund essen wollen, wenn wir verhindern wollen, dass in unserem Es­sen und in unserer Landwirtschaft Gift ist, dann müssen wir Glyphosat verbieten! (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Frau Ministerin und lieber Herr Kollege, der dazwischenruft! Ich verstehe nicht, warum wir uns so lange Zeit lassen. Ich verstehe nicht, warum wir nicht die Spit­zenreiter in Europa sind, warum unsere Ministerin nicht dorthin geht und sagt: Verbie­ten wir Glyphosat! – Stattdessen machen wir einen Kniefall und schieben das Ganze auf die lange Bank. Damit das nicht mehr passiert, bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „stopp­glyphosat.spoe.at“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, sich umgehend für ein europaweites Verbot des krebserre­genden Wirkstoffes Glyphosat einzusetzen.“

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Stoppen wir gemeinsam Glyphosat! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

14.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schieder, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission so­wie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-258 d.B.), 527 d.B.

betreffend stoppglyphosat.spoe.at

Der Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahres­vorschau 2019 weist darauf hin, dass Europa bei der Umsetzung der Agenda 2030 eine Vorreiterrolle übernehmen will. Politikfelder der Agenda sind unter anderem die Land- und Forstwirtschaft, Umwelt – und Klimapolitik.

Für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, sowie eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik spielt der Umgang mit chemisch-synthetischen Pestiziden eine entschei­dende Rolle.

Einer der weltweit meist eingesetzten Wirkstoffe in chemisch-synthetischen Pestiziden ist Glyphosat.

Seit Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass der Wirkstoff Glyphosat für Mensch und Tier gefährlich ist. So steht Glyphosat unter anderem in Verdacht, krebserregend zu sein und den Hormonhaushalt zu stören.

Glyphosat ist ein Wirkstoff in Pestiziden, sog. „Herbiziden“. Es tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizideinsatz überlebt. Es wirkt systemisch, d.h. aufgenommen über die Blätter gelangt es in alle Bestandteile der Pflan­ze: in Blätter, Samen und Wurzeln.

Glyphosat lässt sich nicht abwaschen und wird weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abgebaut. Glyphosat-Rückstände halten sich etwa ein Jahr lang in Lebens- und Futtermitteln.

Die pflanzenvernichtenden Eigenschaften von Glyphosat wurden von der Firma Mon­santo in den 1970er Jahren patentiert. Das Mittel kam unter dem Namen „Roundup“ auf den Markt und wurde zum Bestseller.

Glyphosatprodukte werden mittlerweile von mehr als 40 Herstellern vertrieben.

Glyphosat wird unter anderem in Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaus­halten eingesetzt.

Die Krebsforschungsagentur der WHO beurteilt Glyphosat seit Juli 2015 als „wahr­scheinlich krebserregend beim Menschen“ und die biologische Vielfalt zerstörend. Eine Studie der University of Florida bringt Glyphosat nicht nur mit einem erhöhten Krebs­risiko, sondern auch mit der Förderung von Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Autismus in Verbindung.

Zugleich hat Glyphosat eine antibiotikale Wirkung gegen Bakterien und Mikroorganis­men und schädigt damit insbesondere auch Insekten. Die University of Texas in Austin konnte belegen, dass der Wirkstoff Glyphosat als eine Art Antibiotikum bei Bienen die Darmflora angreift und somit neben Neonikotinioden wesentlich zum Bienensterben der vergangenen Jahre beigetragen hat.

Die Verwendung von Glyphosat wurde über die Jahrzehnte hinweg weltweit immer viel­fältiger. Sie blieb nicht auf das sogenannte „Totspritzen“ von „Unkräutern“ beschränkt. Zunehmend wird Glyphosat auch zum Totspritzen von Getreide, Mais, und Soja unmit­telbar vor der Ernte verwendet, was Pestizidrückstände am Ernteprodukt bedingt. Tests durch das Umwelt-Netzwerk „Friends of the Earth“ haben Glyphosat im mensch­lichen Körper nachgewiesen. 182 Urinproben von Menschen aus 18 europäischen Län­dern wurden in einem unabhängigen Labor in Deutschland auf Glyphosat und seinen Metaboliten AMPA untersucht. In 45 Prozent aller Proben wurde Glyphosat nachge­wiesen, in Malta in 90 Prozent der Proben, in Mazedonien in 10 Prozent. In Österreich wurde eine Belastung mit Glyphosat in 30 Prozent der Harnproben nachgewiesen.

Vorsorgender Grundwasserschutz ist in Österreich besonders essenziell, da unser Trinkwasser aus Grundwasserreserven und Quellen gewonnen wird. Diffuse Einträge (Nitrat, Pestizide) in Grundwasserkörpern und Quellen sind deshalb zu vermeiden.

Fakt ist, viele Hausbrunnenbesitzer können ihre Brunnen nicht mehr für Trinkwasser­zwecke nutzen. Betroffen sind vor allem niederschlagsarme, durch intensive konven­tionelle Landwirtschaft genutzte Regionen.

Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung initiierte gemeinsam mit dem Joan­neumResearch und dem Umweltbundesamt ein dreijähriges Forschungsprojekt: Im Leibnitzerfeld wurde erstmals in Österreich getestet, ob Glyphosat eine Gefährdung des Grundwassers darstellen kann. Auf der Homepage des Umweltbundesamtes ist nachzulesen: „Die Studie ergab, dass eine Glyphosate-Anwendung auch in hydrogeo­logisch sensiblen Gebieten, z.B. in Grundwasserschongebieten, im Regelfall keine star­ke Gefährdung für das Grundwasser darstellt. Dennoch kann eine Verlagerung ins Grundwasser nicht ausgeschlossen werden. Daher wird zum vorbeugenden Grund­wasserschutz empfohlen, beim Einsatz des Herbizides auf die Witterungsbedingungen besonders Rücksicht zu nehmen - kein Einsatz vor zu erwartenden Niederschlagser­eignissen.“ http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/schadstoff/glyphosate1/

Dies zeigt, wie hochsensibel der Umgang der Landwirtschaft mit Glyphosat erfolgen muss, damit Glyphosat nicht ins Grundwasser gelangt!

Wirkstoffe wie Glyphosat werden auf europäischer Ebene auf der Grundlage der Risi­kobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelas­sen. Diese stufte im Rahmen eines stark kritisierten, weil intransparenten, Zulassungs­verfahren den Wirkstoff als unbedenklich für den Menschen ein. Studien über die krebserregende Wirkung von Glyphosat wurden von der EFSA nicht veröffentlicht.

Nach langen Diskussionen innerhalb der Mitgliedstaaten der EU wurde der Wirkstoff Glyphosat im November 2017 mit einer äußerst knappen Mehrheit für weitere fünf Jah­re in der Europäischen Union zugelassen. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R2324&from=DE

Großes Aufsehen erregte deshalb ein vor Kurzem ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Er urteilte, dass zwei Studien über die möglichen Krebsrisiken des Wirkstoffs Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln öffentlich zu machen sind. Der Schutz der Unternehmensinteressen, der als Begründung für die Geheimhaltung dieser Studien durch die EFSA angeführt worden war, sei dabei zweitrangig. Mitglieder des Europäischen Parlaments hatten gegen die EFSA geklagt.

Im Februar 2019 einigten sich das Europaparlament, der EU-Rat und die EU-Kom­mission nunmehr auf eine Reform des Allgemeinen Lebensmittelrechts, womit die ver­pflichtende Offenlegung sämtlicher Herstellerstudien in den frühen Phasen von EU-Zu­lassungsverfahren von Pestiziden und anderen lebensmittelrelevanten Chemikalien kommen soll. Die finale Annahme des Gesetzes durch das Plenum des Europaparla­ments und durch den Rat sollte bis Ende März 2019 erfolgen.

Der große Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“ mit 1.320.517 Un­terzeichnerInnen sowie die Erkenntnisse eines wegen des stark kritisierten Zulas­sungsverfahren von Glyphosat initiierten Sonderausschusses des Europäischen Parla­ments haben zu diesem Umdenkprozess auf europäischer Ebene beigetragen.

Die SPÖ Parlamentsfraktion brachte gleich zu Beginn der neuen Gesetzgebungspe­riode im Dezember 2017 einen Initiativantrag für ein sofortiges Inverkehrbringen-Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ein. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00018/index.shtml

Dieser Antrag zur Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes wurde seit Beginn der Gesetzgebungsperiode im Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft bereits fünf Mal mit dem Hinweis auf die Erarbeitung einer sog. „Machbarkeitsstudie“ durch die Bundesmi­nisterin für Nachhaltigkeit und Tourismus durch ÖVP und FPÖ vertagt.

Dies führt zu einer unnötigen Verzögerung, Glyphosat zum Schutz der Gesundheit der Menschen und der Umwelt sofort zu verbieten!

Im Vorjahr urteilte ein Gericht in den USA, dass Bayer/Monsanto einem erkrankten Mann umgerechnet 78 Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen habe. Er hatte regel­mäßig glyphosathaltige Mittel angewendet und machte geltend, dass Monsanto auf die Krebsgefahr hätte hinweisen müssen. Dieses Verfahren läuft noch, da das Urteil vom Pharmakonzern beeinsprucht wurde. Im März beginnt ein weiterer Prozess. In diesem Fall klagt ein US-amerikanischen Paar, die beide über Jahrzehnte das Glyphosat ent­haltende Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ eingesetzt hatten und beide ebenfalls an Lymphdrüsenkrebs erkrankten.

Am 19.3.2019 stellte die sechsköpfige Jury des Bundesbezirksgerichtes in San Fran­cisco in einem Musterprozess einstimmig fest, dass das Glyphosat-haltige Mittel „Roundup“ der Bayer-Tochter Monsanto ein „erheblicher Faktor“ für die Lymphdrüsen­krebserkrankung des Klägers gewesen sei.

Gestern urteilte das Gericht nunmehr, dass Bayer/Monsanto für Krebsrisiken des Un­krautvernichtungsmittels Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar ist und dem Kläger Schadenersatz in Höhe von 81 Millionen Dollar zahlen muss. Der Pharmakonzern hat Berufung angekündigt.

In Europa muss uns der Gesundheitsschutz ein vordringliches Anliegen sein!

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, sich umgehend für ein europaweites Verbot des krebserre­genden Wirkstoffes Glyphosat einzusetzen.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Berlakovich. – Bitte schön, Herr Ab­geordneter.