19.35

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Kollege Haider! Ich wünsche Ihnen zuerst einmal viel Glück für die Euro­pawahl. (Abg. Haider: Wir werden das haben!) Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich Ihre launigen Reden hier vermissen werde oder nicht. Man muss halt schon auch dazusa­gen, wie Sie die Dinge, insbesondere im Zusammenhang mit dem Brexit, darstellen – sie sind im Grunde genommen falsch.

Sie haben davon gesprochen, dass sich die Briten im Rahmen der Migrationskrise für den Brexit entschieden haben, Sie haben von „Horden von anstürmenden Migranten“ gesprochen. (Abg. Haider: Das hat den Brexit entschieden! Die Bilder waren ein Jahr vorher!)

Herr Kollege Haider, David Cameron hat sich 2013 entschieden, ein Referendum abzu­halten. Die Diskussion gab es schon Jahre davor, weil die konservativen Populisten, die Tories und Ihre Freunde von der UKIP, über Jahre hinweg Propaganda gegen die Europäische Union gemacht haben. Sich jetzt herzustellen und die Geschichte ein bisschen durcheinanderzubringen, so, dass es in Ihr Weltbild passt, ist dreist. Ich kann Ihnen nur sagen: Schauen Sie sich die Zahlen noch einmal an! Lernen Sie Geschichte! Viel Spaß im Europäischen Parlament! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haider: Reden Sie mit den Engländern!)

Worüber ich eigentlich reden wollte: Ein wesentlicher Teil dieses Berichts ist ja auch dem Thema Cybersicherheit und Desinformation gewidmet. Es gibt einerseits große demokratiepolitische Herausforderungen in diesem Zusammenhang. Wir von den NEOS haben jetzt über Wochen versucht, herauszufinden, welche Regierungsmitglie­der sich mit diesem Thema auseinandersetzen, welche Regierungsmitglieder sich zu­ständig fühlen, die Pläne der Kommission in Bezug auf ein Frühwarnsystem entspre­chend umzusetzen. Ich muss sagen, dass die Antworten nicht nur enttäuschend, son­dern fast gefährlich waren, weil ich das Gefühl habe, es setzt sich niemand damit aus­einander.

Bundesminister Blümel hat uns auf die Frage, wer denn in der Bundesregierung kon­kret zuständig sei und was er im Zusammenhang mit Desinformation und Cybersicher­heit und den Trollfabriken mache, geantwortet, es gebe da den Büroleiter des Regie­rungssprechers. – Die Verantwortung dafür, mit Massen an Trollfabriken aus Russland zurechtzukommen, einer Person in die Hand zu geben ist zumindest mutig, würde ich einmal sagen.

Ich habe dann Sie, Frau Bundesministerin, im Ausschuss gefragt, ob Sie sich zustän­dig fühlen. Sie haben sinngemäß gesagt, Sie seien bei dem Thema nicht 100 Prozent sattelfest. Ich sage es Ihnen ehrlich, ich auch nicht, denn technisch kenne ich mich zu wenig aus; aber ich sehe die Probleme und die Gefahren, die damit einhergehen. Sie haben dann ein wenig über den Hackerangriff im Deutschen Bundestag geredet. Das ist nicht das Problem, um das es der Europäischen Union geht. Der wesentliche Grund, warum wir diese Frühwarnsysteme brauchen, warum wir massiv etwas gegen Desin­formation machen müssen, sind eben ausländische Trollfabriken wie jene, die die US-Wahlen beeinflusst und bei vielen anderen Wahlen auch etwas gemacht haben.

Jetzt sage ich Ihnen ehrlich: Wenn ich die Antworten von Bundesminister Blümel und von Ihnen höre, dann habe ich irgendwie das Gefühl, es fühlt sich niemand zuständig. Mir persönlich ist auch egal, wer sich zuständig fühlt. Ich glaube nur, es muss sich je­mand zuständig fühlen, weil wir jetzt 60 Tage vor der Europawahl stehen – und die ös­terreichische Bundesregierung sagt uns de facto: Wir haben da eine Person im Büro des Regierungssprechers, und die wird das alles regeln. Das ist fahrlässig, das ist ge­fährlich. Das ist ein Riesenproblem für unsere Demokratie und kann auch ein riesiges Problem für die anstehenden Europawahlen werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Jarolim: So kann man ja nicht Republik machen!) – Ja, man kann so wirklich nicht Republik machen.

Das Problem ist, glaube ich, dass einfach viele hier nicht wirklich wissen, was die Pro­bleme in diesem Zusammenhang sind. Es gibt mittlerweile die Möglichkeit, über künst­liche Intelligenz Fakebilder zu produzieren, den Fakebundeskanzler zu produzieren und ihm alle möglichen Worte in den Mund zu legen. Vielleicht kommen Sie dann drauf, wenn irgendwann einmal Bundeskanzler Kurz in einem Facebook-Video auf Sie zukommt und sagt: Na ja, die Balkanroute, die habe eigentlich gar nicht ich geschlos­sen, sondern das war jemand anderer!

Also das ist wirklich ein massives Problem. Wir müssen alles tun, dass dieses Problem im Zusammenhang mit den Europawahlen nicht zu einer Riesengefahr wird. Da geht es einerseits darum, dass wir Awareness schaffen, dass den Leuten überhaupt be­wusst ist, was das bedeutet. Da geht es ganz stark darum, dass Medienkompetenz vermittelt wird. Es geht ganz stark darum, in die Erwachsenenbildung zu investieren.

Wenn man sich dann die Homepage erwachsenenbildung.at anschaut, findet man dort in etwa Folgendes: Ja, Medienkompetenz ist wichtig, wir haben das aber irgendwie vernachlässigt, es gibt kaum Angebote; aber das ist alles nicht so schlimm, denn in den anderen europäischen Staaten gibt es das auch nicht. – Das ist genauso fahrläs­sig.

Im Vorhabensbericht steht 23 Mal das Wort Cyber und sieben Mal das Wort Desinfor­mation. Sie haben da offensichtlich Dinge hineingeschrieben, mit denen sich niemand intensiv beschäftigt, von denen wenige Leute wirklich eine Ahnung haben. Und ich wie­derhole es noch einmal: Wir stehen 60 Tage vor der Europawahl, und ich halte das für eine massive Gefahr.

Wir haben als NEOS probiert, hier eine konstruktive Rolle zu spielen, wir haben im In­nenausschuss einen Antrag zur Bekämpfung von Desinformation eingebracht. (Abg. Stefan: Nicht gelungen, oder?) – Selbstverständlich gelungen, Herr Kollege Stefan! Sie müssen die Anträge lesen, sie inhaltlich bewerten. (Abg. Stefan: Sie haben gesagt, Sie haben es probiert!)  Na ja, wir haben es probiert: Sie als Regierungsparteien sind immer die, die die Anträge der Opposition vertagen; das ist das Problem an diesem Parlament, wenn konstruktive Vorschläge der Opposition kommen. (Abg. Stefan: Also Sie haben es probiert!)

Wir haben einen Antrag im Zusammenhang mit Desinformation und dem Umgang mit Deepfakes eingebracht. Wir haben diese Woche einen Antrag im Zusammenhang mit Medienkompetenz eingebracht. Und es würde schon reichen, wenn Sie diejenigen, die da an und für sich helfen, nämlich einige Journalisten, unterstützen würden, anstatt sie zu diskreditieren. Das hört man seitens der FPÖ immer wieder, wir erinnern uns an die Aussagen des Innenministers. Man hört es seit Neuestem aber auch seitens des Bun­deskanzlers, der in einer Pressekonferenz davon spricht, dass Medien, der ORF in die­sem Zusammenhang, die ultimative Form der Falschinformation verbreiten. Das hilft si­cher nicht, um gegen diese Kampagnen der Desinformation anzukommen.

Die Regierung tut da nichts. Die Regierung hat offensichtlich keinen Plan. Die Regie­rung empfindet das Internet offensichtlich in vielen Bereichen immer noch als Neuland. Wir haben es ja erst diese Woche wieder gesehen, als es die ÖVP mit der Zustimmung zu den Uploadfiltern im Europaparlament grandioserweise geschafft hat, das Ende des freien Internets einzuläuten. Ich halte das für massiv problematisch, was Sie diese Wo­che gemacht haben. Und ich halte es für massiv problematisch und fahrlässig und ge­fährlich, wenn es im Zusammenhang mit Desinformation eine Person im Büro des Re­gierungssprechers gibt, die uns vor all den Trollfabriken, vor all denen, die unsere De­mokratie, unsere Wahlen beeinflussen wollen, schützen soll. Das ist eindeutig zu we­nig. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

19.41

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.Jeitler-Cincelli. – Bitte. (Abg. Jarolim: Ich glaube, wir verkommen wirklich zu einem absoluten Kasperl­land, wenn wir so weitertun! Es gibt ja Verantwortungen, die man ausüben kann ...!)