20.15

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe es mir eigentlich fast gedacht, dass der Erstredner der Sozialisten bei einem Sammelta­gesordnungspunkt, der zur Debatte steht, bei dem es de facto um zwei Freihandelsab­kommen mit zentralamerikanischen, karibischen Staaten, mit Kolumbien, Peru und Ecua­dor und um einen die Menschenrechte betreffenden Antrag betreffend Venezuela geht, zum Freihandelsabkommen spricht. Das ist eigentlich verwunderlich, nicht? (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es in Venezuela ein linkes Regime gibt. Lassen wir den heutigen Tag Revue passieren: Am Vormittag haben wir dem rechts­extremistischen Terroristen, der gegen Rechtsstaat und Demokratie Amok gelaufen ist, eine große Debatte gewidmet. – Ich sage: Ja, zu Recht; das muss debattiert werden, auch in Österreich. Dass es natürlich zu Schuldzuweisungen von der vereinten Linken an die Regierung und die Freiheitliche Partei gekommen ist, ist ganz klar, das gehört zum Strickmuster. Das ist allerdings, würde ich meinen, zu Unrecht geschehen.

Heute debattieren wir relativ spät einen Antrag betreffend Venezuela, wo ein links­extremer Terrorist – würde ich jetzt einmal sagen – den Rechtsstaat und die Demokra­tie bereits ausgeschaltet hat. Darüber gibt es von Ihrer Seite keine Debatte – zu Un­recht, meine ich. Finden Sie nicht? Millionen von Menschen müssen das Land verlas­sen, Journalisten sitzen im Kerker und vieles andere mehr.

Kramen wir doch ein bisschen in der Mottenkiste! (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Ich kann mich noch an das Jahr 2006 erinnern. Ich nehme an, dass Kollege Rossmann auch nur über das Freihandelsabkommen reden wird, weil das ja viel angenehmer ist. Es schließt sich dann auch der Kreis zu Venezuela, weil sowohl Chávez als auch Ma­duro gegen alle Freihandelsabkommen mit kapitalistischen Ländern, so auch mit der EU und Österreich, waren. Da sind Sie eines Sinnes: Maduro ist dagegen, Sie sind auch dagegen – Sozialisten: egal, wohin man schaut, immer das gleiche Strickmuster. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und es gibt keine Debatte, wenn Tausende Menschen inhaftiert werden, keine De­batte, wenn Hunderte und Tausende ums Leben kommen – und das alles vor unseren Augen. 2006 war Maduro (Ruf bei der FPÖ: Mit Chávez!), damals war er Außenminis­ter, mit Chávez in Österreich. Die Popstars der Linken, so ungefähr hat es in den Me­dien geheißen, vom „Standard“ über den „Falter“ bis zum Funke, und natürlich auch bei den damals grünen Medien und auch bei sehr vielen roten Medien. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Es war letztendlich erhellend, was da so vorgekommen ist.

Es war immerhin am 12. Mai – rund um meinen Geburtstag; ich war nicht dort, muss ich sagen –, als Maduro bei der größten Solidaritätskundgebung mit der venezolani­schen Revolution aufgetreten ist, die außerhalb Südamerikas je stattgefunden hat: in der Arena.

Am 14. war dann Chávez auch noch in der Urania, viele kennen den Auftritt. Viele von Ihnen waren damals dort anwesend und haben Beifall geklatscht (Abg. Duzdar: Woher wissen Sie das? Waren Sie dabei?), als die Herrscher der neuen Zeit, die Popstars, dann begonnen haben, die Demokratie in Teilen von Südamerika zu Grabe zu tragen. Sie ersetzten die bürgerlichen Strukturen durch Rätestrukturen, haben Verstaatlichun­gen vorgenommen, Volksmilizen gegründet. Als wir davor gewarnt haben: Das wird im Desaster für die Menschen vor Ort enden!, haben Sie darüber hinweggewischt und haben Ihren Popstars, einem Maduro und auch einem Chávez, Applaus gespendet – damals sowohl die Grünen als auch die Sozialisten –, wenn sie die Stimme in Öster­reich erhoben haben.

Dass diese zum Drüberstreuen dann auch noch vom damaligen Bundespräsidenten Fischer empfangen wurden – Nordkorea, Venezuela und viele andere mehr –, sei ja nur so nebenbei erwähnt; aber das kümmert ja nicht. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wie war damals das Motto und das Referat von Maduro, der – wie man ja noch nachle­sen kann – in der Arena ins Mikrofon hineingeschrien hat? – Es gibt nur zwei Möglich­keiten: Sozialismus oder Barbarei!

Ich sage jetzt einmal, der Sozialismus ist mehr als Barbarei, wie man in diesen Belan­gen sieht (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), und daher muss man etwas tun. Tote, Elend, Leid, wohin man schaut, wenn linksextreme Herrscher an der Macht sind (Zwischenruf bei der SPÖ), und wenn man näher hinschaut: Schweigen, Schweigen im Lande, kein Pilz, keine Frau Bayr – wo ist sie denn? –, die plötzlich das Wort ergreifen. Plötzlich reden wir nur mehr über Freihandelsabkommen – das ist ja bequem, dann muss man sich nicht mit dem eigenen Spiegelbild auseinandersetzen. Diese Popstars haben Sie auch in der westlichen Welt groß gemacht. Es gibt keine Wahlen und vieles andere nicht mehr, und die Menschen leiden Hunger und Not. (Der Redner schenkt sich ein Glas Wasser ein und trinkt. – Abg. Vogl: Durst!)

Daher gibt es auch einen Entschließungsantrag, den ich im Namen des Abgeordneten Lopatka und in meinem Namen einbringen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „die aktuelle politische Situation in Venezuela“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden Antrag:

„Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres wird ersucht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik der Europäischen Union zu einer friedlichen, demokratischen Lösung in Vene­zuela beizutragen, indem die Forderung nach der Abhaltung von freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen nach internationalen demokratischen Stan­dards und gemäß der venezolanischen Verfassung nachdrücklich auf internationaler Ebene zum Ausdruck gebracht wird.

Zudem wird die zuständige Bundesministerin ersucht, sich weiterhin in internationalen Gremien, insbesondere in den Gremien der Vereinten Nationen, für die Rückkehr Ve­nezuelas zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und die Ergreifung adä­quater Maßnahmen auf diesem Weg zu unterstützen und vor allem auch weiterhin jene Kräfte zu unterstützten, die demokratisch legitimiert sind.

Ferner wird die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres weiterhin er­sucht, in Abstimmung mit den zuständigen Gremien der EU und den europäischen Partnern zu einer Verbesserung der humanitären Lage der Bevölkerung beizutragen und diesbezüglich alle Aktivitäten zu unterstützen, welche die Verursacher dieser mensch­lichen Katastrophe in die rechtliche Verantwortung nehmen.“

*****

Das sind letztendlich die Sozialisten vom Zuschnitt eines Maduros, würde ich meinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ersuche Sie, diesen Antrag anzunehmen. Ich glaube, das ist das Mindeste, was man tun kann, wenn Sie schon zu den Zu­ständen, die es in Venezuela gibt, schweigen – nur und ausschließlich deshalb, weil es dort linke Machthaber und keine rechten Machthaber gibt.

Wenn es in den letzten 40, 50 Jahren eine rechte Diktatur in Südamerika gegeben hat, hat es hier stets eine Debatte gegeben. Als Machthaber wie Maduro, Chávez und an­dere an die Macht gekommen sind, oder zum Beispiel auch der Korruptionist Lula in Brasilien, hat man von Ihnen nichts gehört.

Hören Sie auf, mit zweierlei Maß zu messen! Beteiligen Sie sich endlich an den ge­meinsamen Aktionen, wenn es um die Außenpolitik geht! – Danke. (Beifall und Bravo­rufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

20.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Reinhold Lopatka, Martin Graf Kolleginnen und Kollegen

betreffend die aktuelle politische Situation in Venezuela

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 9 zum Bericht des Außenpolitischen Aus­schusses 525 d.B. zum Antrag 432/A(E)

Begründung:

Seit seiner Amtsübernahme 2013 hat Präsident Maduro die venezolanische Demo­kratie und Rechtsstaatlichkeit stetig ausgehöhlt, was 2017 in der Entmachtung der, von der Opposition kontrollierten, Nationalversammlung durch die neu geschaffene verfas­sungsgebende Versammlung gipfelte. Am 20. Mai 2018 fanden in Venezuela Präsi­dentschaftswahlen statt, aus denen Nicolas Maduro als Sieger hervorging. Die Euro­päische Union und weite Teile der internationalen Gemeinschaft erkannten diese Wah­len nicht als fair und frei an, da internationale Mindeststandards für einen glaubhaften Prozess nicht erfüllt und politischer Pluralismus, Demokratie, Transparenz und Rechts­staatlichkeit nicht respektiert wurden. In Folge blieben die Mitgliedsstaaten der Euro­päischen Union, darunter auch Österreich, der Angelobung von Nicolas Maduro zu sei­ner zweiten Amtszeit am 10.01.2019 in Caracas fern.

Am 23. Jänner 2019 schließlich wurde der rechtmäßig und demokratisch gewählte Par­lamentspräsident, Juan Guaidó, unter Berufung auf die venezolanische Verfassung zum Interimspräsidenten Venezuelas erklärt. Die Mehrheit lateinamerikanischer Staa­ten, die USA und Kanada haben Juan Guaidó als Präsidenten anerkannt. Ein be­trächtlicher Teil der EU-Mitgliedstaaten, wie auch Österreich, erachten und unterstüt­zen Juan Guaidó als Übergangspräsidenten, damit dieser freie, faire und demokrati­sche Präsidentschaftswahlen ausrufen kann.

An Massenprotesten, die sich gegen Präsident Maduro richteten, beteiligten sich laut Schätzungen mehr als 100 000 Menschen, es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Be­richten zufolge sollen auch mehrere Hundert Demonstranten festgenommen worden sein. Weitere Proteste und ein scharfes Vorgehen gegen die Sympathisanten mit Inte­rimspräsident Guaidó wird erwartet.

Unterdessen befindet sich Venezuela am Rande des wirtschaftlichen Kollapses mit verheerenden Auswirkungen für die Bevölkerung. Auch nach der diesjährigen Anhe­bung des Mindestlohns um 300% entspricht dieser einem Gegenwert von circa 6 US Dol­lar auf dem Schwarzmarkt. Viele Menschen können sich nur mehr eine Mahlzeit täglich leisten und leiden unter akuter Lebensmittel- und Medikamentenknappheit. Der Inter­nationale Währungsfonds rechnet mit einer weiteren Steigerung der Inflationsrate bis 10 Mio.% bis Jahresende. Die verheerenden Lebensbedingungen in Venezuela haben eine der größten Fluchtbewegungen in Lateinamerika hervorgerufen. Schätzungen zu Folge befinden sich heute bereits 3 Millionen Venezolaner auf der Flucht. Die Zahl der Flüchtlinge könnte sich laut VN-Experten bis Jahresende sogar auf 5,3 Millionen Men­schen steigern.

Die unterfertigten Abgeordneten sprechen vor diesem Hintergrund dem venezolani­schen Volk ihre volle Solidarität aus und verurteilen die willkürliche Gewalt seitens der Behörden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen zudem folgenden Antrag

„Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres wird ersucht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik der Europäischen Union zu einer friedlichen, demokratischen Lösung in Vene­zuela beizutragen, indem die Forderung nach der Abhaltung von freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen nach internationalen demokratischen Stan­dards und gemäß der venezolanischen Verfassung nachdrücklich auf internationaler Ebene zum Ausdruck gebracht wird.

Zudem wird die zuständige Bundesministerin ersucht, sich weiterhin in internationalen Gremien, insbesondere in den Gremien der Vereinten Nationen, für die Rückkehr Ve­nezuelas zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und die Ergreifung adä­quater Maßnahmen auf diesem Weg zu unterstützen und vor allem auch weiterhin jene Kräfte zu unterstützten, die demokratisch legitimiert sind.

Ferner wird die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres weiterhin er­sucht, in Abstimmung mit den zuständigen Gremien der EU und den europäischen Part­nern zu einer Verbesserung der humanitären Lage der Bevölkerung beizutragen und diesbezüglich alle Aktivitäten zu unterstützen, welche die Verursacher dieser menschli­chen Katastrophe in die rechtliche Verantwortung nehmen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Kneissl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minis­terin.