12.44

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­minister, man muss Ihnen in erster Linie einmal gratulieren. Wir berufen hier eine Aktuelle Stunde zum Thema „Diese Regierung hat keine Ahnung vom Internet“ ein, und Sie beweisen in einer fulminanten Rede, dass wir zu hundert Prozent recht hatten: Sie haben schlichtweg keinen blassen Schimmer, wie das Internet funktioniert. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie kommen daher und erzählen uns irgendein Westernmärchen oder die Zusam­men­fas­sung von „Django Unchained“, die Sie damals wahrscheinlich noch mit Reinhold Mitterlehner im Kino angeschaut haben, erzählen uns irgendetwas aus dem Wilden Westen, und dann kommt es noch besser: Nachher sagen Sie wörtlich, Sie wissen gar nicht, wie der Uploadfilter die Meinungsfreiheit einschränken kann.

Gratuliere zu diesem großartigen Beweis! Sie haben schlichtweg keinen blassen Schimmer, wie der Uploadfilter funktioniert, und Sie haben keine Ahnung, wie das Internet funktioniert. (Beifall bei den NEOS.)

Zu Ihrem Ausweiszwang im Internet: Es ist einigermaßen skurril, wenn man diesen Gesetzentwurf liest. Man muss zugeben, Sie haben es heute nicht gesagt, aber in den Erläuterungen zu Ihrem digitalen Ausweiszwang steht wörtlich: „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.“ Sie wollen ein digitales Vermummungsverbot, haben ein bisschen Anleihe bei Herbert Kickl genommen. Wissen Sie eigentlich, was Sie wollen? – Zuerst wollen Sie, dass jeder User, wenn er einen Account anlegt, seine Identität nachweisen muss, dass er seinen Vornamen, seinen Nachnamen, seine Adresse angeben muss.

Frau Kollegin Gamon hat es schon angesprochen: Das ist, wie wenn ich in ein Lokal oder in einen Supermarkt hineingehe, mich zuerst dort melden und sagen muss: Hallo, ich bin es, der Niki Scherak, ich gebe Ihnen jetzt meinen Ausweis, weil es sein könnte, dass ich nachher mein Bier nicht bezahle oder – im Supermarkt eben – etwas mitgehen lasse! Sie sitzen dann in der „ZIB 2“ und sagen zu Journalist Martin Thür: Das ist vollkommener Blödsinn.

Sie haben ja schlichtweg keinen blassen Schimmer, was Sie hier vorhaben, und schreiben dann auch noch in die Erläuterungen hinein: „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.“

Herr Bundesminister, ich empfehle Ihnen eines: Einführungsvorlesung Jus. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.) Es ist weder das Internet ein rechtsfreier Raum noch die analoge Welt. Sie haben ganz einfach keinen blassen Schimmer. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, es gilt dort das Strafrecht, es gilt das Zivilrecht, und Sie wissen auch – das ist das Einzige, worin wir uns einig sind –, dass wir darauf achten müssen, dass die Rechtsdurchsetzung besser funktioniert. Was Sie aber machen, hat damit nichts zu tun.

Im Übrigen, wenn Sie von der Digitalsteuer reden, was schon sehr lustig ist – abge­sehen davon, dass diese nichts anderes ist als eine Werbeabgabe –: Das ist wiederum das beste Beispiel dafür, dass Sie keine Ahnung vom Internet haben, denn als Sie diese zum ersten Mal vorgeschlagen haben, hatten Sie eine Speicherdauer von sieben Jahren bei IP-Adressen geplant, nicht anonymisiert. Im Gegensatz zu Ihnen hat Finanzminister Löger zumindest Mitarbeiter, die zuhören, wenn Max Schrems klar sagt, dass das natürlich grundrechtswidrig wäre, wenigstens das will er herausnehmen. Insofern setzt sich offensichtlich einer – der Finanzminister oder seine Mitarbeiter – ein bisschen damit auseinander. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Wieso schränkt die Ausweispflicht die Freiheit ein? – Herr Bundesminister, wenn Sie sich in Zukunft bei einem Forenbetreiber anmelden müssen, Ihren Namen hinterlegen müssen, entsprechend Ihre Daten hinterlegen müssen, dann schränken Sie natürlich den Diskurs in vielen Bereichen ein, Sie schränken den Diskurs auf Plattformen, wo Leute ihre Arbeitgeber bewerten, ein, Sie schränken den Diskurs in Foren ein, wo Leute über höchst sensible Themen wie zum Beispiel sexuelle Belästigung diskutieren.

Das ist der wesentliche Punkt, wie Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, dass man schon im Vorhinein Maßnahmen setzt, die dazu führen, dass Leute sich nicht trauen, und außerdem – das sollten Sie auch wissen – ist das, was Sie machen, nichts ande­res als eine Vorratsdatenspeicherung. Forenbetreiber müssen in Zukunft vorsorglich alle möglichen Daten speichern – und die vorsorgliche Speicherung von Daten ohne irgendeinen Anlass wurde zu Recht vom Verfassungsgerichtshof und vom Euro­päischen Gerichtshof als rechtswidrig aufgehoben. Das ist es, was Sie hier vorhaben, und das ist nichts anderes als rechtswidrig.

Was besonders skurril ist: Sie sitzen in der „ZIB 2“ und reden irgendetwas von Süd­korea, wobei genau Südkorea diese Regelung aufgehoben hat, weil dieser unfassbare Datenpool das Ziel von Hackerangriffen geworden ist. Also Sie stellen sich auch noch hin, verpflichten Forenbetreiber, Daten zu speichern, und sagen: Liebe Hacker, schaut euch das an! Hier liegen alle Daten, ihr seid herzlich eingeladen, euch da einen ent­sprechenden Zugriff zu verschaffen!

Das ist das Problem, das Sie damit verursachen. Was Sie jedoch nicht tun – und das ist das wirklich Schlimme –: Um alles, was wirklich notwendig wäre, kümmern Sie sich nicht.

Was brauchen wir? – Wir brauchen effektive Anfragen in Bezug auf die Daten­heraus­gabe. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, werden Sie feststellen, dass bei 36 Pro­zent der Anfragen von österreichischen Behörden die Daten herausgegeben werden. Im Vergleich dazu werden in Großbritannien bei 91 Prozent der Anfragen die Daten von Facebook herausgegeben, in Schweden bei 90 Prozent, sogar Deutschland liegt bei 59 Prozent. Österreich: 36 Prozent! Das heißt, wir brauchen eine effektive Ermitt­lungsbehörde, die fähig ist, Anfragen so zu stellen, dass sie die Daten bekommt. Das ist es, was notwendig ist, und nicht das, was Sie hier vorschlagen.

Dann reden Sie immer noch vom Fall Maurer – Kollege Lugar hat es gerade ange­sprochen. Beim Fall Maurer wussten wir, wer diese Nachricht in Wirklichkeit geschickt hat. Und wissen Sie, was gefehlt hat? – Der entsprechende Straftatbestand, nämlich der Straftatbestand „psychische Gewalt“ oder „verbale sexuelle Belästigung“. Es gibt einen Antrag der Oppositionsparteien; ÖVP und FPÖ sind diejenigen, die das Thema im Ausschuss immer wieder vertagen. Da geht nichts weiter.

Das müsste man machen, und so könnte man Hass im Netz entsprechend effektiv bekämpfen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (fortsetzend): Herr Präsident! Ich komme zum Schlusssatz: Sie müssten außerdem die Polizei und die Staatsanwaltschaft ent­sprechend ausstatten. Sie wissen, dass die Sonderermittlungsgruppe gegen Hass im Netz bei der Staatsanwaltschaft vier Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Wien hat. Bundesminister Brandstetter hat schon vorgeschlagen, dass fünf zusätzlich dorthin kommen, aber das ist noch immer nicht passiert.

Ihnen ist es egal, Sie spielen am Handy (in Richtung Bundesminister Blümel, der auf sein Smartphone schaut) und haben auch weiterhin keine Ahnung, was im Internet überhaupt passiert und wie es denn funktioniert. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Leichtfried und Rendi-Wagner.)

12.50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Cox. – Bitte.