16.04

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Teil dieser heutigen Diskussion ist das Volksbegehren gegen die – im Volksbegehren so betitelten – Zwangsgebühren des ORF.

Um aber das ganze Themenfeld tatsächlich beleuchten zu können, müsste man noch einen Schritt zurückgehen und fragen: Sind die Gebühren tatsächlich der Ausgangs­punkt einer Diskussion um eine Neuordnung der Medienlandschaft in Österreich, um die pluralistische Medienlandschaft in Österreich erhalten zu können, oder muss man sich nicht davor überhaupt die Situation am österreichischen Medienmarkt anschauen? Dramatische Veränderungen finden statt, es gibt eine unglaubliche digitale Konkurrenz, die auf den österreichischen Medienmarkt einströmt und damit auch zu Veränderungen führt.

Ich möchte hier schon auch die Gelegenheit ergreifen, dir, Herr Minister, und vor allem deinem Team danke zu sagen, dass es sich gemeinsam mit dem Koalitionspartner der Herausforderung stellt, diesen Medienmarkt, der sich neu aufstellt, zu beleuchten, ihn darzustellen und zu überlegen: Was braucht es für einen starken, unabhängigen ORF? Dass es einen starken, öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht, das ist Bekenntnis dieser Bundesregierung, das ist auch im Regierungsprogramm wiederzufinden. Die Frage aber ist: Was muss, was soll ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk in dieser ver­änderten neuen Medienlandschaft leisten können?

Vor wenigen Jahren noch gab es eine ganz andere Diskussion – daran wirst du dich, Thomas (in Richtung Abg. Drozda), noch erinnern können –, da gab es noch die große Konkurrenz privat gegen öffentlich-rechtlich, da ging es von den Privaten, die gerade im Fernsehbereich unterwegs sind, noch ganz radikal gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass er zerschlagen werden muss. Heute haben auch die Privaten erkannt, dass die eigentliche Herausforderung nicht der ORF ist, sondern die eigentliche Herausforderung sind Facebook, Amazon, Netflix und Co.

Wie begegnen wir dieser neuen digitalen Herausforderung? Wenn man heute mit Vertreterinnen und Vertretern des Privatfernsehens, aber genauso auch mit denen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks spricht, hört man sehr rasch, dass der Werbemarkt dramatisch zurückgeht, dass es da große Veränderungen gibt, dass sich das Kapital aus diesem Bereich zurückzieht und in neue Wege der Werbung investiert. Auch das hat dramatische Auswirkungen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber natürlich auch für die Privaten.

Wer hätte noch vor Jahren gedacht, dass Private bereit sein werden, mit dem ORF eine gemeinsame Vermarktungsplattform zu gründen, um Werbeeinnahmen zu ge­nerieren? Wer hätte gedacht, dass das Radio betreffend Werbeeinnahmen in der Senderfamilie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sogar an Bedeutung gewinnt? Das heißt also, wir haben dramatische Veränderungen vor uns.

Jetzt geht es einmal darum, zu fragen: Was braucht der ORF, um tatsächlich ein Programm anbieten zu können, das einerseits dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspricht und andererseits die Konsumentinnen und Konsumenten an sich bindet? Welche neuen Formen gibt es? Wird Fernsehen überhaupt noch so sein, wie wir es heute gewöhnt sind oder kennen, selbst wenn wir da schon miteinbeziehen, was Netflix und Co heute anbieten?

Wenn man mit Vertretern der Werbewirtschaft spricht, dann sagen die, dass sich auch das Verhalten ihrer Kunden massiv verändert, das heißt, auch die Wünsche der Auftraggeber der großen Agenturen verändern sich, die wollen viel mehr zielgerichtete Werbung haben et cetera et cetera. Deswegen schafft es das alte Modell Fernsehen, das alte Modell öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht mehr, dieser Konkurrenz Herr zu werden.

Daher, glaube ich, ist es richtig und notwendig, zuerst über die inhaltlichen Fragen nachzudenken: Wie müssen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufstellen? Wie können wir Menschen vom Thema österreichischer Content begeistern? Wie bieten wir eine Plattform, die gerade Künstlerinnen und Künstler aus Österreich nutzen können, um sich bei einer übermächtigen Konkurrenz aus dem Nachbarland entwickeln und darstellen zu können? – Das sind die wahren Herausforderungen.

Wenn man über all diese Fragen nachdenkt, und das passiert gerade – nicht nur zuletzt durch die große Medienenquete und jetzt in vielen, vielen Folgediskussionen –, dann findet man heraus, dass am Ende des Tages die Frage der Finanzierung tatsächlich erst am Schluss kommt.

Erstens müssen wir für die Zukunft sicherstellen, dass wir den Menschen österreichi­schen Content verfügbar machen, der über das Teilen allen – Privaten wie Öffentlich-Rechtlich – verfügbar wird. Und – und das halte ich wirklich auch für die Verantwortung des Gesetzgebers, der ja die Rahmenbedingungen definiert – wir müssen den ORF fit für die Herausforderung Digitalisierung machen.

Lassen Sie uns über das Thema Finanzierung reden, wenn wir diese Hausaufgaben gemacht haben! Da gibt es viele Modelle – nicht alle, die keine Gebühr haben, sind um Gottes Willen illiberale Demokratien, das wäre zu viel gesagt, das weißt du (in Rich­tung Abg. Drozda). Belgien ist keine illiberale Demokratie, hat aber trotzdem keine Gebühren. Man kann sich die Vielfalt anschauen, aber eines ist klar, und das hat diese Bundesregierung auch klargestellt: Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk braucht auch eine klare und gute Finanzierung.

Arbeiten wir gemeinsam daran, dass es den ORF auch in Zukunft noch geben wird und dass sich der ORF den Herausforderungen in zehn bis 15 Jahren so stellen kann, dass er tatsächlich ein interessantes Programm für die Österreicherinnen und Österreicher macht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.10

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wittmann. – Bitte.