16.30

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Ich wollte mich zu diesem Thema kurz zu Wort melden, weil ich in der Tat der Meinung bin, dass wir, wenn es um medienpolitische Fragen geht, in einer Zeit leben, in der es extrem wichtig ist, einen möglichst sachlichen Diskurs über die aktuelle Situation zu führen.

Dieser sachliche Diskurs ist, gerade wenn es um das Thema Medien geht, nicht immer gegeben, das muss man leider Gottes sagen. Das hat nicht nur etwas mit der politischen Debattenkultur zu tun, sondern man hat es da und dort auch in der Ver­gangenheit innerhalb der österreichischen Medienlandschaft gemerkt. Ich habe die Debatte um medienpolitische Themen auch von den Stakeholdern oft als ein gewisses Missverständnis, ein bisschen wie ein Gegeneinander wahrgenommen, bei dem es vor allem darum gegangen ist, wer wie viel von welchem Kuchen abbekommt, und weniger um die Frage, was die großen Herausforderungen, denen alle gemeinsam gegenüber­stehen, sind.

Die große Herausforderung ist schon seit einiger Zeit präsent, wenn wir über das Thema Digitalisierung sprechen. Sie hat gerade im Medienbereich faktisch alles geändert, was früher einmal Grundkonsens war. Wenn es früher, in den 1970er-Jahren, die Grundaufgabe des Öffentlich-Rechtlichen war, jeden einzelnen Öster­reicher, jede einzelne Österreicherin mit Information zu versorgen, weil Private nicht dazu in der Lage waren und es auch zu teuer war, die Information zur Verfügung zu stellen, dann hat sich das natürlich diametral geändert. Heute kann sich jeder mit seinem Smartphone Information in Fülle besorgen.

Die Frage ist, ob das immer die Information ist, die wir als demokratiepolitisch wertvoll empfinden. Wenn man auf Facebook, in seiner Meinungsechokammer ist, wo man immer das ausgespielt bekommt, was Freunde teilen, was Menschen liken, die ähn­licher Meinung sind, dann halte ich das für eine ganz, ganz intensive Herausforderung der Zukunft, wenn es um den demokratiepolitischen Diskurs geht. Ich halte es für extrem schwierig, eine breite sachliche Diskussion zu führen, wenn man sich in sozia­len Medien bewegt und man immer das ausgespielt bekommt, von dem man selbst der Meinung ist, das sei richtig. Und das wird umso schwieriger, je mehr man das tut. Das macht differenzierte Meinungsbildung, differenziertes Urteilsvermögen extrem schwie­rig. Das ist aber die Grundlage für eine liberale Demokratie, so wie wir sie schätzen, so wie wir sie aufrechterhalten wollen.

Aus dem Grund glaube ich, dass allen bewusst sein muss, dass sich in einer Zeit der absoluten Medienkonvergenz und globaler Digitalisierung die Aufgabe und die Grund­herausforderung eines Öffentlich-Rechtlichen geändert haben, weg von einem reinen Informationsmedium vielleicht hin zu einem Verifikationsmedium. Das gilt aus meiner Sicht für alle Qualitätsmedien, für alle, die Information aufbereiten. Ganz wichtig dabei ist ein zweiter Aspekt, nämlich die Pluralität, dass es eine möglichst breite Medien­landschaft mit verschiedenen Beiträgen, mit verschiedenen Nuancen, mit verschie­denen Berichterstattungen gibt.

Wir stehen zu dem noch sehr gut funktionierenden dualen Rundfunksystem in Öster­reich und wollen dieses erhalten. Ich bin fest davon überzeugt, in einer Zeit der absoluten digitalen Medienkonvergenz ist es wichtig, einen starken Öffentlich-Recht­lichen zu haben. Ich glaube sogar, dass man sagen kann: Wenn es ihn heute noch nicht gäbe, dann müsste man so ein Konstrukt erfinden, denn nur das wird sicher­stellen, dass es so etwas wie ein Leitmedium gibt, das auch eine unabhängige Finan­zierung hat und nicht rein vom Markt abhängig ist, um die Information so aufzubereiten, dass der Diskurs demokratiepolitisch zusammen mit einer vielfältigen privaten Medien­landschaft so angereichert ist, dass man sich ein kritisches Urteil über die verschie­denen Fakten bilden kann.

Das ist aus meiner Sicht auch der Hintergrund davon, wie wir das ORF-Gesetz adap­tieren wollen. Es ist natürlich vollkommen klar, dass im aktuellen Gesetz Dinge stehen, die einfach von vorgestern sind. Wenn man im Onlinebereich, in der TVthek Beiträge, die öffentlich-rechtliche Inhalte sind und mit viel Gebührengeld finanziert wurden, nur sieben Tage online lassen darf, ist das wirklich lächerlich und gehört längst abgeschafft.

Klar ist aber auch, dass sich der ORF künftig nicht mehr als Konkurrent zu heimischen Privaten verstehen soll – nur was den Informationspluralismus betrifft, aber nicht was Werbegelder betrifft –, sondern es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung, damit auch österreichische private Medien in Zukunft überhaupt die Möglichkeit haben, im digitalen Raum an Werbegelder zu kommen und sich damit auch wirtschaftlich finanzieren zu können.

Das Problem dabei ist, dass im digitalen Raum kaum ein österreichisches Medium die Möglichkeit hat, Gewinne zu erzielen, weil dort momentan alles Richtung Google, Facebook et cetera abfließt und der österreichische Medienraum vielleicht zu klein ist, um das Datenvolumen aufzubauen, damit Programmatic Buying überhaupt in einem Volumen vorhanden ist, dass es Inserenten auch verwenden. Die Einzigen, die momentan sehr viele Möglichkeiten haben, sind Google, Facebook et cetera. Sie haben endlos viele Daten von uns allen, wissen wahrscheinlich mehr über uns alle als unsere Geschwister, unsere Eltern, unsere Partner und machen damit extrem viel Geld. Die österreichischen Medien haben nicht so eine große Datensammlung. Darin, glaube ich, liegt ein springender Punkt: dass es möglich sein muss, auch innerhalb Österreichs gemeinsame Datenvermarktungsplattformen zu gründen.

Der ORF spielt dabei aufgrund seiner Reichweite eine wesentliche Rolle. Er darf es nur momentan nicht, weil es ihm gesetzlich untersagt ist. Generell glaube ich, Koope­rationen im Medienbereich müssen möglich werden, wenn es um die Datenver­mark­tung geht, denn nur so wird es langfristig vielleicht auch wahrscheinlicher werden, dass sich die privaten Medien am digitalen Markt finanzieren und es in Zukunft noch eine pluralistische, vielfältige duale Medienlandschaft gibt.

Das sind die Grundrichtungen, in die wir beim aktuellen ORF-Gesetz gehen wollen. Das ist die Debatte, die zu führen, glaube ich, sehr wichtig ist. Ich danke auch für die zum Teil sehr sachorientierten Beiträge in der Debatte. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.36

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Androsch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.