12.27

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, die Sie hier zuhören und zusehen! Manche in der Regierung haben den Sinn so­zialer Gesetze nicht verstanden. Ich bedanke mich dafür, dass es Abgeordnete gibt, die das hier auch sehr deutlich sagen. Was ist der Sinn von sozialen Gesetzen? – Das eine ist: Wir schaffen Rechte für Menschen, die Hilfe brauchen, weil sie Beiträge ge­zahlt haben. Das ist die Sozialversicherung. Da haben wir ein gutes System entwickelt. Das zweite System, das wir haben, ist: Wir schaffen Sicherheit für Menschen einfach allein aus der Tatsache heraus, dass sie Menschen sind. Das war die Mindestsiche­rung. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Jetzt an die ÖVP: Mit Ausnahme von 13 Abgeordneten der österreichischen Landtage haben alle ÖVP-Landtagsabgeordneten die bestehenden Mindestsicherungsgesetze mitgetragen und beschlossen. Ich habe Respekt vor diesen Menschen, die in Kenntnis dessen, was die Menschen im Land brauchen, diese Mindestsicherungsgesetze ver­antwortet haben. Sie haben nicht verantwortet, dass man zu Kindern sagt: Mit 150 Eu­ro im Monat kommt man aus!, oder: Mit 1,50 Euro am Tag für ein Kind kommt man aus! – Ich sage allen, die nichts von Sozialpolitik verstehen, sie sollen die Finger von unserem Sozialstaat lassen.

Herr Abgeordneter Wurm hat heute gesagt, das sei der Anfang vom Ende des So­zialstaates (Abg. Wurm: Nein, nein, nein! – Abg. Belakowitsch: Was?! – weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ), und leider muss ich ihm recht geben. (Beifall bei der SPÖ.) – Leider muss ich ihm recht geben.

Wenn jemand sagt, wir wollen nicht bevormunden: Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz richtet sich an Landtagsabgeordnete. Die, die hier bevormundet werden, sind die Landtagsabgeordneten der ÖVP. Sie werden am meisten bevormun­det, da sie in den österreichischen Landtagen die Mehrheit haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie werden von diesem Grundsatzgesetz bevormundet.

Das ist genau das, was man hier macht – und dazu gratuliere ich dir, August Wöginger (Zwischenruf der Abg. Steinacker) –: Das Gegenteil von dem sagen, was man tut. Ihr bevormundet eure Partie. Warum? – Die am häufigsten Angesprochenen sind Land­tagsabgeordnete der ÖVP, an die richtet sich das Gesetz. Bundeskanzler Kurz will euch diese unsoziale Politik, die die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskam­mer haben wollen, jetzt aufoktroyieren, dass ihr das da draußen macht. Das ist eine Entmündigung der Länder, denn es werden erstmals Höchstgrenzen eingeführt. (Zwi­schenruf des Abg. Zarits.) Ihr verbietet den Ländern, dass sie andere Maßnahmen setzen, wenn sie im Land notwendig sind. Ihr entmündigt auch die Länder, die soziale Ausgrenzung tatsächlich bekämpfen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Zarits.)

Die Verfassungsrechtler haben beim Hearing deutlich gesagt, dass der Entwurf des Gesetzes ganz klar den Zweck sozialer Gesetze missachtet, dass man nichts vom Existenzminimum sagt, keine Grundlagen festlegt und dieses Gesetz den Zweck nicht erfüllen wird. Wenn man dazu steht, was die Geschichte der Zweiten Republik geklärt hat, nämlich dass soziale Sicherheit die wichtigste Grundlage der Demokratie ist, dann muss man sagen, das, was ihr da heute macht, ist auch eine Gefährdung der Demo­kratie an sich (Beifall bei der SPÖ), denn dieses Gesetz verursacht nichts anderes als steigende Armutsgefährdung, Mehrkosten in der Verwaltung und eine größere Un­gleichbehandlung der Menschen.

Ich sage das noch einmal mit Johann Böhm: „Soziale Sicherheit ist die verlässlichste Grundlage der Demokratie“. – Wer eine Demokratie haben will, darf diesem Gesetz nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Peter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.