13.04

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die zentrale Aufgabe eines Sozialstaates ist es, für Sicherheit zu sorgen, und dazu gehört auch die soziale Sicherheit. Mit diesem Gesetz ist aber die soziale Sicherheit in unserem Land gefähr­det. Dieses Gesetz sieht keine Mindeststandards vor, sondern nur Höchstgrenzen. Das bedeutet: Weniger kann man immer auszahlen, aber man darf ja nicht über eine be­stimmte Höchstgrenze kommen. Wir haben es heute schon gehört, wir brauchen 700 Euro zum Überleben. Das heißt, Sie nehmen den Menschen mit diesem Gesetz das Min­destmaß an sozialer Unterstützung, das Überlebensnotwendige, das Existenzminimum weg. Und das Ganze in einem der reichsten Länder der Welt! (Beifall bei JETZT.)

Mit diesem Gesetz gefährden Sie nicht nur die soziale Sicherheit, Sie verstärken auch durch die Spaltung der Gesellschaft die Unsicherheit im Land. Diejenigen, die keinen Pflichtschulabschluss oder schlechte Deutschkenntnisse haben, bekommen 300 Euro weniger, als sie zum Überleben bräuchten. Das betrifft vor allem Frauen und Kinder. Brauchen denn diese Familien und diese Frauen weniger zum Essen? Brauchen sie weniger Kleidung? Brauchen diese Kinder weniger Schulsachen? Brauchen sie keine Wohnung?

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz schaffen Sie das Mindestmaß ab, und das betrifft sehr viele Frauen und sehr viele Kinder. Es betrifft auch jene Frauen, die Aufstockerinnen sind, das heißt jene, die arbeiten und trotzdem zu wenig verdienen, um das Mindestmaß, das Existenzminimum überhaupt zu erreichen. Die bekommen auch weniger. (Abg. Fürlinger: Nicht weniger! Gleich viel!)

Zu den Aufstockerinnen gehören auch Personen, die nur schlecht Deutsch sprechen. Dazu gehören Frauen, die schlecht Deutsch sprechen und in Branchen arbeiten, in denen sie generell wenig verdienen, zum Beispiel Reinigungsfachkräfte. Wenn sie um 6 Uhr in der Früh in der Arbeit sind und sich am Nachmittag um die Kinder kümmern sollen, wann sollen sie dann den Deutschkurs machen?

Ich gebe Ihnen schon recht: Deutsch ist wichtig, Deutsch ist die Eintrittskarte in unsere Gesellschaft. Wenn wir mit diesem Gesetz aber die Möglichkeit streichen, dass Deutschkurse absolviert und Deutschprüfungen auch bei anderen vom ÖIF, vom Inte­grationsfonds, zertifizierten Instituten abgelegt werden können, dann verhindern wir, dass Deutschprüfungen abgelegt werden können. Das ÖSD, das Österreichische Sprachdiplom Deutsch erleidet sowohl einen Imageschaden als auch einen wirtschaftli­chen Schaden. Das Österreichische Sprachdiplom Deutsch hat letztes Jahr über 1 Mil­lion Euro investiert, um sich vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizieren zu lassen und damit die Möglichkeit zu schaffen, dass Deutschprüfungen auch beim ÖSD abgelegt werden können.

Die Streichung in diesem Gesetz führt zu Folgendem: Alle Deutschprüfungen konzen­trieren sich beim ÖIF. Dadurch wird es sehr wohl zu Engpässen beim ÖIF kommen. Das führt dann auch dazu, dass Personen, die Deutschprüfungen ablegen wollen, teilweise bis zu einem Jahr auf einen Termin warten müssen, und in diesem Jahr bekommen sie weniger Sozialhilfe, nämlich um 300 Euro weniger. In dem Jahr werden sie eben nicht das Existenzminimum bekommen können. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Lindner.)

Um diese Engpässe zu verhindern und zu garantieren, dass Personen auch tatsächlich Deutschprüfungen ablegen können, bringen wir heute folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass die schon bisher vom ÖIF zertifizierten Sprachinstitute, wie das ÖSD, für die Abnahme der nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und dem Integrationsgesetz erforderlichen Deutschprüfungen (auch weiterhin) zugelassen werden.“

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Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

13.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzge­setz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-lntG) geändert werden (588 d.B.).

Begründung

Der Entwurf für das neue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz enthielt in der Begutachtungs­phase bezüglich des vorzulegenden Nachweises der Sprachkenntnisse noch die fett markierte Passage: Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) bzw. einer ÖIF anerkannten Bildungseinrichtung. Da die Einrichtung Österreichisches Sprachdi­plom Deutsch (ÖSD) erst vor nicht ganz einem Jahr in einem sehr aufwendigen Ak­kreditierungsprozess vom ÖIF zertifiziert wurde, fand sie sich in dieser Formulierung auch wieder. In der inzwischen vom Ministerrat beschlossenen Fassung des Sozialhil­fe-Gesetzes wurde nun nicht nur dieser Zusatz ersatzlos gestrichen, sondern es wurde auch das Integrationsgesetz in diese Richtung - ebenso nach der Begutachtungsfrist - verändert. Somit hatte weder das ÖSD selbst noch die ca. 100 betroffenen ÖSD-li­zenzierten Sprachschulen und Kursanbieter, deren Teilnehmende auf die ÖSD-Prü­fungen vorbereitet werden, die Möglichkeit rechtzeitig Stellung zu nehmen. Die Prü­fungen des ÖSD auf B1 sind in Bezug auf Sprachniveau, Prüfungsinhalte und Durch­führung komplett gleich wie die Prüfungen des ÖIF. Sie sind noch bis Ende Mai 2021 für die Erlangung von Daueraufenthalt oder Staatsbürgerschaft (vgl. Modul 2 der Inte­grationsvereinbarung) anerkannt. Nach dem aktuellen Entwurf des Sozialhilfe-Grund­satzgesetzes wären für die Beantragung der vollen Sozialhilfe als Sprachnachweis aber nur noch ÖIF-Zertifikate anerkannt. Das führt zu einem unerklärlichen sachlichen Widerspruch, da die ÖSD-Prüfungen für die österreichische Staatsbürgerschaft aner­kannt wären, aber nicht für die Beantragung der Sozialhilfe.

Die Integrationsprüfungen des ÖSD wurden im Zuge eines strengen und sehr auf­wendigen Zertifizierungsverfahren vom ÖIF selbst erst Ende Mai 2018 auf drei Jahre als gleichwertige Sprachnachweise zertifiziert. Die Durchführung der ÖSD-Integrations­prüfung ist vollständig an die Integrationsprüfung des ÖIF angepasst sowie an strengs­te Vorgaben gebunden und wird durch den ÖIF qualitativ regelmäßig evaluiert. Nur vom ÖIF zertifizierte Prüfungseinrichtungen sind für die Durchführung von ÖSD-Inte­grationsprüfungen zugelassen, alle Prüfenden sind vom ÖIF zertifizierte Lehrkräfte. Die Forderung nach einheitlichen Qualitätsstandards wird also durch die geltende Rechts­lage bereits ausreichend erfüllt. ÖSD-Prüfungen sind international anerkannt und ak­kreditiert (z.B. ALTE). Allein diese ALTE-Akkreditierung erfordert noch strengere Quali­tätskriterien, die das ÖSD ebenfalls nachweislich erfüllt.

Im Vergleich zu den im Gesetz alternativ erwähnten nicht standardisierten Sprachein­stufungsbestätigungen sind standardisierte Prüfungen wie die des ÖSD wesentlich aus­sagekräftiger.

Aus oben genannten Gründen ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb durch die allei­nige Prüfungsdurchführung des ÖIF das Missbrauchsrisiko minimiert werden sollte. Weder in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf finden sich Hinweise über festge­stellte Qualitätsmängel oder Missbräuche, noch gibt es generell Nachweise dafür, dass bei ÖSD-Prüfungen ein höheres Missbrauchsrisiko gegeben sein könnte als bei den ÖIF-Prüfungen. Der behördliche Aufwand bei der Überprüfung von TeilnehmerInnen­daten ist durch eine im Sommer 2018 eigens erstellte Schnittstelle zwischen ÖSD und ÖIF, wodurch alle erforderlichen Teilnehmer-Daten vom ÖSD direkt in die Datenbank des ÖIF eingespeist werden, nicht größer.

Da das ÖSD komplett eigenfinanziert arbeitet, fallen dem Staat bzw. dem Steuerzahler für die Abwicklung der ÖSD-Prüfungen keine (zusätzlichen) Kosten an. Käme es zu ei­ner Übergangslösung, könnte das ÖSD den ÖIF langfristig auch im Bereich der Test­ersteIlung unterstützen und damit helfen, Kosten und Ressourcen sowohl in der Test­ersteIlung als auch bzgl. der Austrifizierung einzusparen. Derzeit kauft der ÖIF die Tests bei einer deutschen Firma ein und austrifiziert sie dann erst für den österreichi­schen Kontext.

Wenn das ÖSD seine Tätigkeit beenden muss,

-           sind die Arbeitsplätze von derzeit 56 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen sowie von et­lichen freiberuflich Lehrenden und Prüfenden gefährdet,

-           erleiden auch Prüfungs- und Sprachzentren im Ausland, wie z.B. Österreich-Institute, österreichische Kulturforen, Universitäten mit Österreich-Bezug (Öster­reich-Bibliotheken), österreichische Auslandsschulen, sonstige Sprachzentren einen hohen wirtschaftlichen und ideellen Schaden (Prestige),

-           müssten diese Sprachzentren ihre Kursteilnehmenden wieder zu Prüfungsan­bietern aus Deutschland (Goethe-Institut, telc GmbH) schicken, deren Prüfun­gen ausschließlich Deutschland-orientiert sind,

-           würde die 25-jährige Aufbauarbeit bzw. Erfolgsgeschichte einer sich selbst tra­genden (also ohne öffentliche Mittel auskommenden) Bildungseinrichtung zu­nichte gemacht werden und international anerkanntes fachliches Know-how I Fach­expertise verloren gehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äu­ßeres, wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass die schon bisher vom ÖIF zertifizierten Sprachinstitute, wie das ÖSD, für die Abnahme der nach dem Sozialhilfe-Grundsatz­gesetz und dem Integrationsgesetz erforderlichen Deutschprüfungen (auch weiterhin) zugelassen werden.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bißmann zu Wort. – Bitte.