09.14

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Einen schönen guten Morgen! Beginnen wir mit einem Zitat des österreichischen Vizekanzlers! Auf die Frage, was denn die Regierung gegen die Klimakatastrophe tue, sagte der österreichi­sche Vizekanzler letzten Dezember im „Standard“: „Inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann, ist eine offene Frage.“

Das ist möglicherweise ein seltener, von der FPÖ immer wiederkehrender Lapsus, aber allen, die noch überlegen, ob sie bei der Europawahl eventuell die FPÖ wählen, sei hier eines gesagt: Die Abgeordneten der FPÖ stimmen im Europäischen Parlament regelmäßig gegen Anträge zur Verbesserung unseres Klimas! (Abg. Rauch: Das ist ja nicht wahr! Das stimmt ja nicht!) Das haben sie gegen die Pariser Klimaziele gemacht, das haben sie gegen die Reduktion von CO2 gemacht und das haben sie bei strenge­ren Grenzwerten für Autos erst im März dieses Jahres gemacht.

Die ÖVP ist da wesentlich korrekter und richtiger am Weg, hat gelegentlich auch Aus­rutscher, insbesondere in Kommentaren – wenn ich zum Beispiel an einen Kommentar des oberg’scheiten Professor Taschner denke (Abg. Zarits: „Oberg’scheit“?! – Abg. Wöginger: Das gehört zurückgenommen! – Ruf bei der ÖVP: Also wirklich! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) – also nur g’scheit, nicht oberg’scheit, stimmt –, der in ei­nem Kommentar ironisch schreibt: Angeblich verantwortet das CO2 den Treibhausef­fekt, angeblich lässt es Gletscher verschwinden, angeblich erhöht es den Meeresspie­gel. – Zitatende.

Herr Kollege Taschner – ist er überhaupt hier? Ich sehe ihn gerade nicht (Zwischenruf bei der ÖVP); egal, Sie werden es ihm ausrichten. Herr Kollege Taschner, 80 Prozent der Treibhausgase werden von CO2-Emissionen produziert. Das kann gemessen wer­den. Und es wird auch gemessen, dass jährlich 250 Milliarden Tonnen Gletschereis schmelzen – 250 Milliarden Tonnen jedes Jahr. Das kann gemessen werden, und aus­gerechnet und gemessen werden kann, dass der Meeresspiegel jedes Jahr um 3,5 Mil­limeter steigt.

Nur ausgerechnet kann werden – und das hat die Universität in Fribourg gemacht –, dass wir ab dem Jahr 2050 wahrscheinlich kein Süßwasser mehr aus den Gletschern bekommen. Das wird Kollegen Taschner nicht kümmern, denn zu diesem Zeitpunkt wird er wahrscheinlich nicht mehr leben (Zwischenruf der Abg. Schimanek), so wie ich auch nicht. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Aber die Kinder, die dann erwachsen sein werden, werden sich fragen: Wer hat angesichts dieser Tatsachen die FPÖ gewählt? Wer hat Professor Taschner geglaubt? Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, meine Damen und Herren, sind dermaßen abgesichert, wie sie angesichts dieser drohenden Katastrophe noch nie abgesichert waren. (Beifall bei JETZT.)

Eines ist jedenfalls klar: Wir haben es hier mit einer der größten Herausforderungen der Menschheit zu tun, und wenn wir hier nicht sehr rasch, sehr präzise, einschneidend und kompromisslos handeln, werden wir unseren Kindern eine Kloake hinterlassen – jedenfalls keine Welt, die man als lebenswert bezeichnen kann.

Einige Regierungen in Europa haben das kapiert. Tatsächlich sind in den letzten Jah­ren die CO2-Emissionen ein wenig gesunken – viel zu wenig, das ist klar, aber immer­hin. In Österreich aber sind sie gestiegen. Acht europäische Länder sind draufgekom­men, dass die Maßnahmen zu wenig sind und schlagen eine härtere Gangart vor, aber Österreich ist da natürlich nicht dabei. Die Niederlande zum Beispiel verteuern alles, was hohe Emissionen provoziert. Die Schweden haben für die Industrie ganz präzise Ausstiegsszenarien aus den CO2-Emissionen beschlossen, und die Schweiz zahlt allen Bürgern und Bürgerinnen, die sich klimafreundlicher als der Durchschnitt verhalten, jährlich einen Bonus aus.

Österreich macht auch etwas, Österreich klopft Sprüche und sagt: Alles wird gut!, und wird genau diesen Ländern, die jetzt agieren und die Emissionen reduzieren, aufgrund der notwendigen Emissionszertifikatsankäufe hohe Milliardenbeträge zahlen müssen – und zwar sehr bald –, die natürlich aus Steuergeldern getätigt werden.

Dazu kommen dann noch die Schäden, wie wir sie jetzt schon aufgrund der Klimaver­änderungen verzeichnen: Hagel, Überschwemmungen, Trockenheit, Dürre, Lawinen. Das macht im Jahr zurzeit 1 Milliarde Euro aus. Im Jahr 2050 – das hat eine Studie im Auftrag des Klima- und Energiefonds der Regierung ergeben – werden das schon 9 Mil­liarden Euro sein, zusätzlich zu einem ähnlichen Betrag für Zertifikatsankäufe.

Dieses Geld, werte Kolleginnen und Kollegen, das kann man ganz leicht sagen, wäre wohl in Maßnahmen, die jetzt getätigt werden, besser investiert – alles Gelder, die uns jetzt zur Verfügung stehen könnten, aber nicht verwendet werden.

Frau Ministerin – Frau Ministerin? (Bundesministerin Köstinger – die Handflächen nach oben hebend –: Ja!) –, wir brauchen keine Ankündigungen und keine Versprechen. Seit 1985 wird das Umweltministerium von VP-Ministern und ‑Ministerinnen geführt, und diese Minister haben für das Jahr 2012 eine Reduktion der CO2-Emissionen um 13 Prozent angekündigt. Tatsache ist, dass die Emissionen in Österreich um 3 Prozent gestiegen sind.

Oder: Seit zehn Jahren verspricht das Ministerium, dass die Flüsse wieder gereinigt werden, die in einem elenden Zustand sind. Der Rechnungshof hat im jüngsten Rech­nungshofbericht festgestellt, dass da nichts oder fast nichts getan wurde. 60 Prozent unserer Flüsse sind ungesund und nicht im ökologischen Gleichgewicht. Damit verfehlt Österreich ein weiteres Ziel der europäischen Richtlinie, und es drohen zusätzliche Strafzahlungen von Hunderten Millionen Euro, die natürlich jetzt dafür verwendet wer­den könnten, diese Strafzahlungen zu verhindern.

Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass auch die Pflanzen- und Tierwelt zusam­menbricht. Das Artensterben ist natürlich – wir wissen das – weltweit ein Problem, aber in Österreich ist es überdurchschnittlich massiv ausgeprägt. Die Universität für Boden­kultur verzeichnet etwa bei den Wirbeltieren einen Rückgang um 70 Prozent seit 1990 – 70 Prozent weniger Wirbeltiere in Österreich seit dem Jahr 1990! –, und allein in den letzten 13 Jahren sind um ein Drittel weniger Vögel auf unseren Feldern.

Grund dafür ist eine weitere Katastrophe: der Rückgang von Insekten und Pflanzen. Wir wissen, dass drei von vier Insekten, die noch 1980 existiert haben, nicht mehr exis­tieren; das heißt, wir haben einen Schwund von drei Vierteln der Population. Bei den Pflanzen sieht es ähnlich aus: Während vor 30 Jahren auf einer Wiese durchschnittlich zwanzig verschiedene Blumen geblüht haben, sind es jetzt nur noch zwei.

Warum ist das so? – Auch dafür gibt es einen Grund: weil wir die Lebensräume von Pflanzen und Tieren durch dummes Zubetonieren systematisch zerstören. Österreich ist Europameister im Betonieren, wir versiegeln – Verkehrswege, Parkplätze –, wir bau­en drauflos. Was immer irgendwo frei ist, wird zubetoniert. Auch diesbezüglich läuft ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, und es drohen auch da Jahr für Jahr Strafzahlungen im Ausmaß hoher Millionenbeträge, die jetzt schon besser eingesetzt werden könnten.

Oder: Seit die ÖVP das Umweltministerium führt, wird versprochen, und zwar den Bun­desforsten, dass die Schutzwälder gegen Lawinen saniert werden, aufgeforstet wer­den. Das wäre vor 30 Jahren noch relativ billig gewesen, mittlerweile müssen künstli­che Barrieren geschaffen werden, die das Hundertfache dessen, was der natürliche Lawinenschutz gekostet hätte, kosten.

Ihre Umweltstrategie, Frau Ministerin, das wissen Sie ganz genau, ist lediglich ein Ver­such, die Bevölkerung zu beruhigen. Vielleicht gelingt Ihnen das sogar noch das eine oder andere Mal, die Umweltbedingungen selbst ändern Sie dadurch nicht; das wissen Sie. Sie wissen, dass Sie zu wenig gemacht haben, und weil Sie wissen, dass Sie zu wenig machen, ist es verantwortungslos; und sollten Sie das nicht wissen, ist es schlicht und einfach naiv.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (fortsetzend): Radikale strukturelle Maß­nahmen – Herr Präsident, das ist mein Schlusssatz – wären erforderlich, das steht so­gar auf der Homepage Ihres Ministeriums, aber wem wollen Sie damit was sagen? – Ich danke Ihnen. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Bernhard.)

9.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schüler der Berufsschule für Bauge­werbe in Wien recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.) Bauen ist auch hier ein Thema.

Ich begrüße auch die Schülerinnen und Schüler des Bundesrealgymnasiums Villach St. Martin. Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Minister Köstinger. – Bitte.