9.25

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Zuallererst: Vielen herzlichen Dank für das Thema dieser Aktuellen Stunde und für die Möglichkeit zur Aussprache zu den doch sehr bedeutenden Themen Artenvielfalt und vor allem eben auch Klimaschutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zuerst mit einer guten Nach­richt beginnen: Es wurde von Herrn Abgeordnetem Zinggl – ich glaube, wir haben in der Vergangenheit sehr viele Plenardebatten zu diesem Thema generell abgehalten – mehrmals davon gesprochen, dass speziell im Jahr 2017 die Treibhausgasemissionen in Österreich wieder gestiegen sind. – Das ist seit 2015 der Fall, also innerhalb von drei Jahren haben sich die Treibhausgasemissionen in Österreich wieder stärker aufge­baut. Der Zielpfad wäre ein anderer gewesen: Schon in den Jahren 2015, 2016 und 2017 hätte Österreich die Emissionen massiv senken sollen. Dass das nicht der Fall ist, ist vor allem auf die Bereiche Verkehr und Gebäude zurückzuführen, ist zum Teil auch durch Witterungsverhältnisse bedingt, natürlich war aber auch das entsprechende Wirtschaftswachstum da ein Faktor.

Wir als Bundesregierung haben als erste Maßnahme, als wir ins Amt gekommen sind, begonnen – speziell ich in meinem Ressort –, unsere #mission 2030, unsere Klima- und Energiestrategie auszuarbeiten, haben bereits ab dem Tag eins dann Maßnahmen entsprechend umgesetzt und haben – Herr Abgeordneter Zinggl, das sei Ihnen noch einmal gesagt – von Eurostat mittlerweile auch die Prognose bekommen, dass seit dem Jahr 2018 die CO2-Emissionen erstmals wieder sinken. Das sei wirklich einmal klar ge­sagt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rossmann: ... kalter Winter!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben jetzt noch nicht die detaillierten Zahlen, diese werden erst im Jänner des Folgejahres vorgelegt, aber: 2018 sind die CO2-Emis­sionen um 1,1 Prozent gesunken. Von dem Pfad, der permanent nach oben gegangen ist – 2017 wieder über 3 Prozent –, sind wir jetzt, 2018, bei minus 1,1 Prozent. Sind wir dort, wohin wir müssen? – Nein. Haben wir eine Trendwende geschafft? – Ja. (Heiter­keit der Abgeordneten Friedl und Klaus Uwe Feichtinger.)

Meine sehr geehrten Abgeordneten! Wir wissen, dass das vor allem auch in anderen Bereichen sehr positiv bewertet wird. Es gibt noch einen zweiten Index, in dem unsere Arbeit – im Ausland – sehr positiv bewertet wird, das ist der globale Energiewende-In­dex des World Economic Forum. Da belegen wir unter 115 untersuchten Ländern mitt­lerweile den sechsten Platz, und das ist für uns der Auftrag, genau in diese Richtung weiterzumachen.

Was mich besonders freut, das sei in diesem Kreis auch dazugesagt: Das alles ist uns gelungen, obwohl das Wirtschaftswachstum speziell im Jahr 2018 nach wie vor ein sehr, sehr hohes war.

Sie wissen: Klimaschutz ist dieser Bundesregierung ein zentrales Anliegen, daher ar­beiten wir die Maßnahmen der #mission 2030 ab. Bis 2030 sollen 100 Prozent des Stroms aus erneuerbarer Energie kommen. Wir bereiten zurzeit gerade das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz vor, das vor allem Wind-, Sonnen-, Wasserkraft, Biomasse den Vorzug geben soll und somit alle fossilen Energieträger in letzter Konsequenz raus­bringen soll. Ich hoffe da wirklich sehr auf Ihre Unterstützung, denn immer nur dagegen zu sein und zu sagen, das sei alles zu wenig, das sei alles zu langsam, das sei alles zu spät, ist auch kein politisches Konzept, das nachhaltig ist. Ich lade Sie ein, uns vor al­lem beim Ausbau der Erneuerbaren zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein zweites Thema sei auch sehr deutlich angesprochen: Wir sehen, dass auch be­dingt durch das Thema Klimaschutz, durch die Anstrengungen, die jeder Mitgliedstaat in Europa zu vollziehen hat, die Atomenergie wieder eine Renaissance erlebt. Atom­energie und Kernkraft dürfen nicht auf Klimaschutzmaßnahmen und Treibhausgasbi­lanzen anrechenbar sein – in aller Deutlichkeit, bitte! Ich glaube, es wird zum Teil noch unterschätzt, was in Europa auf diesem Sektor zurzeit los ist. Atomenergie ist nicht klimaneutral, und Nuklearenergie ist nicht sicher. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In Mochovce, weniger als 200 Kilometer von Wien entfernt, sollen noch heuer die Re­aktorblöcke drei und vier ans Netz gehen. Wir haben besorgniserregende Whistle­blowerberichte vorliegen, dass das Sicherheitsniveau der neuen Anlagen nicht erreicht werden kann, es ist von gravierenden Sicherheitsmängeln die Rede. Wir als Bundesre­gierung haben bereits einen Ministerratsbeschluss gefasst.

Wir sind auf allen politischen und rechtlichen Ebenen entsprechend tätig, um die Inbe­triebnahme und das Ans-Netz-Gehen dieses Kernkraftwerkes zu verhindern. Wir ha­ben die IAEO angerufen und gebeten, dass sie uns unterstützt und eine unabhängige Überprüfung durchführt. Ich habe auch im Rahmen eines Treffens der deutschsprachi­gen Umweltministerinnen, das vor wenigen Wochen stattgefunden hat, entsprechende Initiativen gesetzt. Luxemburg unterstützt uns in diesem Kampf, es wäre großartig, wenn das auch Deutschland machen würde. Ich glaube aber, es dauert noch ein biss­chen, bis Deutschland diese Wende schafft. Wir wollen da wirklich eine Bewegung für mehr Klimaschutz, für mehr erneuerbare Energien ohne Atomkraft hineinbringen.

Herr Abgeordneter Zinggl, weil Sie auch die Langfriststrategie und diverse Initiativen angesprochen haben: Österreich – und das erkennen Sie, wenn Sie die #mission 2030 lesen – bekennt sich klar zum Ziel des Erreichens der Klimaneutralität bis ins Jahr 2050. Das bedeutet: alles Fossile raus, die Erneuerbaren rein und Klimaneutralität herstellen! Wenn Sie heute Länder wie Frankreich anführen, dann müssen Sie bitte auch dazusa­gen, dass der Energiemix aus 70 Prozent Kernkraft besteht. Wenn Sie heute da weg­schauen, dann werden die Weichen in Richtung einer fatalen Zukunft gestellt, nämlich dahin gehend, dass wir weit davon entfernt sind, in Zukunft ein atomkraftwerkfreies Europa haben zu können. All diese Staaten, die jetzt diese Initiativen aufbauen, sind nämlich nicht dazu bereit, über ein Szenario nachzudenken, das auf 100 Prozent er­neuerbare Energien setzt – und das ist falsch! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

Zum zweiten Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete: Die UN-Berichte, die uns zum Thema Artensterben, zum wirklich massiven Verlust der Biodi­versität vorliegen, sind erschreckend und wirklich dramatisch. Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Da sind natürlich unterschiedliche Faktoren, die das befeuern und begünstigen, zu nennen: Ob es – natürlich! – landwirtschaftliche Produktivität ist oder ob es veränderte Klimabedingungen sind, all das hat in den letzten Jahrzehnten wirklich zu einem massiven Artensterben geführt. Wissenschafter nennen die großen Ursachen. Allen voran sind die Hauptursachen, die auch von Wissenschaftern heraus­gearbeitet worden sind, der Verlust von Urwäldern, die Überfischung der Meere, die veränderten Landschaften, begünstigt durch Klimawandel, Verbauung, Zerstückelung der Flächen, aber vor allem auch Verschmutzung durch Plastik, durch Feinstaub und auch die eingeschleppten Arten, die neue Krankheiten mit sich bringen.

Wir spüren viele Ursachen auch hier in Österreich. Wir haben aber in unseren Berei­chen bereits sehr viele Maßnahmen gesetzt. Ein Beispiel ist die Reduktion von Plastik. Jetzt weiß ich schon, dass Österreich und Europa nicht die Hauptverschmutzer der Weltmeere sind, aber wir können hier die Technologien herstellen, die zu Lösungen in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten beitragen. Wir haben auch selbst einen Beitrag zu leisten und wollen bis 2025 rund 60 000 Tonnen Plastik an Verpackungsma­terial einsparen.

In unserer Biodiversitätsstrategie sind viele Handlungsfelder verankert. Wir haben zur­zeit gerade zwei große Studien laufen, die die Wirkung unserer Maßnahmen auf Tag­falter, Heuschrecken und Vögel bewerten. Es gibt noch eine weitere große Studie zu Pflanzenschutzmitteln. Österreich setzt sich auf allen Ebenen für den Erhalt der Be­stäuber ein. Wir unterstützen beispielsweise die Umsetzung der Initiative der Europäi­schen Union für Bestäuber und haben uns auch der weltweiten Initiative Coalition of the Willing on Pollinators im Rahmen der Vereinten Nationen angeschlossen. Wir ar­beiten aber vor allem mit den Bundesländern zusammen. Naturschutz ist in Österreich Bundesländerkompetenz. Wir wollen diesbezüglich gemeinsam mit den Bundesländern entsprechende Maßnahmen, die wirklich wirken, setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Klimaschutz ist aber vor allem auch für die Land- und Forstwirtschaft ein existenzielles Thema. Die Landwirtschaft, die bäuerli­chen Familienbetriebe in Österreich sind die Ersten, die die Auswirkungen des Klima­wandels zu spüren bekommen. Sie sind auch die Ersten, die in wirklich existenzbedro­hende Situationen kommen, wenn der Klimawandel weiter so fortschreitet und wenn wir keine Maßnahmen zur Anpassung treffen.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass wir in Österreich zurzeit mit einem noch nie da gewesenen Schadholzaufkommen zu kämpfen haben – begünstigt durch den Borkenkäfer, der vor allem im Norden, aber auch im Süden Österreichs massiv wütet. Wir haben in Österreich durch den Rüsselkäferbefall unglaubliche Produktionseinbu­ßen in der Zuckerproduktion. Die Anbaufläche für die Zuckerrüben ist in den letzten Jahren um 10 000 Hektar zurückgegangen. Der Schädlingsdruck ist enorm.

Es sei aber klar dazugesagt: Wer die Landwirtschaft als alleinigen Sündenbock für al­les hinstellt, hat nichts verstanden und sorgt vor allem dafür, dass die bäuerlichen Fa­milienbetriebe in Österreich noch stärker unter Druck kommen, dass andere dann zu geringeren Standards produzieren und das dann wieder nach Österreich importieren. Das ist nicht der Weg, den wir gehen werden. Wir setzen massiv darauf, dass wir un­sere nachhaltig wirtschaftenden Familienbetriebe in Österreich weiterhin unterstützen und ihnen eben als Teil der Lösung Maßnahmen an die Hand geben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Über 80 Prozent unserer Betriebe nehmen am Öpul, dem österreichischen Agrarum­weltprogramm, teil. Sie setzen seit Jahrzehnten umfassende Maßnahmen zum Schutz von Insekten, zum Schutz von Boden – und das ist wirklich unvergleichbar in ganz Eu­ropa. Es werden Blühflächen angelegt, es werden Fruchtfolgeauflagen umgesetzt, es werden Pflanzenschutzmittel eingespart und Landschaftselemente erhalten. Zudem ist vor allem der Bodenaufbau des Humus ein ganz wichtiger Bereich, den wir auch durch die nächste Reform stärker in der Gemeinsamen Agrarpolitik verankert wissen wollen.

Wir investieren im Jahr 266 Millionen Euro in diese Umweltschutzmaßnahmen und stellen somit Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten in der heimischen Agrarlandschaft sicher. Genau das ist der Weg, den wir weitergehen wollen – in unse­ren Intensivproduktionsgebieten genauso wie auch im Berggebiet, im benachteiligten Gebiet, wo eben vor allem die traditionellen Bewirtschaftungsformen vielfältige und ar­tenreiche Kulturlandschaften entwickeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen wirklich vor enorm großen He­rausforderungen. Wir haben jetzt auch versucht, mit der Steuerreform Lenkungseffekte einzuführen, den CO2-Ausstoß speziell bei Neuwagen stärker zu besteuern, wirkliche Anreize zu bieten, um auf emissionsarme Mobilitätsformen umzustellen.

Wir stehen vor großen Herausforderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich würde darum bitten, dass wir – bei all den Auffassungsunterschieden – speziell bei diesem Thema zusammenarbeiten, zu schauen, wo wir uns gegenseitig unterstüt­zen können, denn alles, was ausgestorben ist, ist unwiederbringlich. Wir haben vor al­lem diesbezüglich, was unsere nächste Generation betrifft, eine sehr große Verantwor­tung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

9.37

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ab nun gilt pro Redner eine Redezeitbeschrän­kung von 5 Minuten. Sie wissen das.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.