9.37

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herzlichen Dank für die Ak­tuelle Stunde, Klimawandel und Artenvielfalt sind immer prekäre Themen und daher immer auch aktuell. Wir diskutieren auch den Weltbiodiversitätsbericht der UNO, in dem über 132 Staaten ihre Berichte und ihre Bewertung betreffend Biodiversität seit 2005 vorgelegt haben. Der Bericht zeigt Dramatisches.

Laut Bericht ist die biologische Vielfalt zurückgegangen. Die Ursachen sind vielfältig – wir haben es schon gehört –, sie reichen vom Klimawandel, über die Verbreitung ge­bietsfremder, invasiver Arten, die Lebensräume und Ökosysteme gefährden, bis hin zu immer intensiverer Landnutzung und Abholzung von Wäldern. Bitte beziehen Sie diese Ausführungen nicht nur auf Österreich: Das gilt es weltweit zu beachten. Es braucht gemeinsame Lösungen, jeder kann letztendlich seinen Beitrag dazu leisten.

Ich halte nichts von Vereinfachungen, diesbezüglich gibt es keine einfachen Antworten. Wir müssen Biodiversität in allen gesellschaftlichen und in allen politischen Realitäten verankern, und das Thema muss fester Bestandteil unter anderem von Bebauungsplä­nen, Geschäftsmodellen oder Fördermaßnahmen werden. Die Regierung ist aber ak­tiv – Sie werfen ja der Regierung Inaktivität vor –: Bereits Minister Rupprechter hat eine Biodiversitätsstrategie beauftragt und in Umsetzung gebracht. Bundesministerin Kös­tinger steht kurz vor der Fertigstellung des Altlastensanierungsgesetzes.

Da auch auf den Bereich Flächenrecycling und Renaturierung eingegangen wurde: Es ist ein Abfallwirtschaftsgesetz in Ausarbeitung, in dem das Plastikverbot verankert ist, was in Richtung der Müllvermeidung geht. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtin­ger.) Wir haben die Bioökonomiestrategie ausgearbeitet, in der es darum geht, fossile durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Die Regierung hat auch die #mis­sion 2030 innerhalb kurzer Zeit gemeinsam ausgearbeitet; darin ist ein strukturierter Umbau unseres Energiesystems vorgesehen. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz werden wir noch dieses Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen, der einen Vergleich in Eu­ropa nicht zu scheuen braucht, mit dem wir starke Impulse in diesem Bereich setzen.

Wir müssen aber in Zukunft noch stärker werden, etwa in Fragen des Wohnbaus, der Wohnbauförderung und der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Auch im Finanzausgleich ist darauf zu achten, dass Gemeinden nicht im Wettbewerb mit dem einen oder anderen Bieter und letztendlich um Geschäftsfelder stehen, sondern dass sie gemeinsam Lösungen finden können, um Flächen zu schützen.

Was verstehen wir unter Artenvielfalt? – Das geht es nicht nur um Bienen und Insek­ten, das Thema ist viel breiter. Artenvielfalt ist die Diversität aller Organismen und Öko­systeme weltweit. All das hat die Studie unter die Lupe genommen.

Ich möchte hier ein Beispiel bringen, das auch uns in Österreich betrifft. Es gibt im Ackerbau den Wirkstoff Imidacloprid – das klingt schon bösartig und chemisch –, der zu den Neonicotinoiden zählt. Diesen Wirkstoff haben wir verteufelt und vom Acker verbannt, was meines Erachtens nicht sehr zielführend ist, weil er sehr wirkungsvoll und ressourcenschonend war. Es gibt ihn aber nach wie vor als Biozid in den Zecken- und Flohbändern für Hunde und Katzen. Das bedeutet, wir sind da nicht konsequent. Wir müssen systemischer denken.

Gerade die Biodiversität, die Artenvielfalt lässt sich nicht so leicht fassen, und auch die Zieldefinitionen dafür können wir nicht so klar festlegen, wie es zum Beispiel beim Kli­mawandel mit dem 2-Grad-Ziel möglich ist. Wir müssen da weiterdenken und in un­serer Produktionswelt Produkte entwickeln, die letztendlich einen niedrigeren Umwelt­einfluss haben.

Auch die Land- und Forstwirtschaft wird sich da Nachhaltigkeitsziele setzen und diese entsprechend definieren. Es geht vor allem auch darum – und ich bitte Sie wirklich, das nicht als Widerspruch aufzufassen –, höhere Erträge zu erzielen, weil die Weltbevölke­rung wächst. Wir brauchen das für die Versorgung und gleichzeitig einen schonende­ren Einsatz von Ressourcen, damit wir den Schutz der Biodiversität voranbringen.

Auf der Biodiversität beruht nämlich die Versorgung mit Lebensmitteln, die Versorgung mit sauberem Wasser und die Versorgung mit sauberer Luft. Sie ist auch das, was un­ser Ökosystem fit für den Klimawandel macht. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Be­völkerung weltweit – in Asien, in Afrika – rasant wächst; diese muss versorgt werden, und das wird auch Land in Anspruch nehmen.

Es wäre fahrlässig, im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union extensiv zu wirtschaften und unsere Produktionsnotwendigkeiten auf andere Kontinen­te auszulagern, anstatt Biotechnologie als Chance zu sehen, um Forschung und Inno­vation zu stärken, die Chancen zu nutzen und damit die europäische Produktion voran­zubringen. Sie dürfen hier nicht immer das Schreckensbild der modernen Landwirt­schaft malen. Wenn wir Biodiversität wollen, dann müssen wir auch entsprechend han­deln.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (fortsetzend): Ich komme zum Schluss­satz: Es gilt, die Fenster aufzureißen und den Dialog zu führen, aber nicht – wie viel­leicht der eine oder andere Freund der Hausbesetzer – die Fenster herauszureißen.

Eine politisch motivierte Diskussion rund um die EU-Wahl eignet sich wahrscheinlich nicht für einen sachlichen Dialog zum Klimawandel. Es braucht Nachhaltigkeit in Eigen­tümerhand und kein Zurück ins Kommunistenland! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

9.43

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte.