Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend „Armutsbekämpfung und Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit“ (3536/J)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3536/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die vereinigte Linksopposition im österreichischen Nationalrat wirft der aktuellen Bun­desregierung gebetsmühlenartig Sozialabbau und eine neue Armut vor.

Das Gegenteil ist richtig: Mit dieser Bundesregierung und ihren Maßnahmen wird die Armut bekämpft, und es wird eine neue soziale Gerechtigkeit für alle Menschen in un­serem Land geschaffen.

Und die aktuellen Zahlen sprechen für sich: Die Statistik Austria hat vor wenigen Tagen die neuen Armutszahlen für 2018 vorgelegt. Daraus ergibt sich ein anhaltender Rück­gang der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung in Österreich. Mehr Menschen als je zuvor sind in Beschäftigung. Die Arbeitslosigkeit geht seit dem Antritt dieser Bundesre­gierung kontinuierlich zurück. Die Mittelschicht ist im Vergleich der hochentwickelten Industriestaaten der Welt in Österreich besonders groß. Die Armutsgefährdung ist in Österreich im Europäischen Vergleich gering und die Altersarmut ist im internationalen Vergleich in Österreich besonders gering. Wir stehen aber erst am Beginn unserer Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit und in der Armutsbekämpfung in Österreich.

Wir entlasten Österreich mit einer gerechten Steuerreform für kleine Einkommen!

Mehr als 75 Prozent bzw. rund 5 Milliarden des Gesamtvolumens der neuen Steuerent­lastungsreform entfallen auf die Entlastung des Faktors Arbeit. Das ist eine weitere Entlastung für Klein- und Kleinsteinkommen, die jetzt schon keine Einkommensteuer zahlen, sondern nur Sozialversicherungsabgaben. Das betrifft also jedenfalls alle Brut­toeinkommen ab der Geringfügigkeitsgrenze von rund 450 Euro. Alleine davon profitie­ren 1,8 Mio. Arbeitnehmer, 1,8 Mio. Pensionisten und 500.000 Selbständige und Bauern.

Im Einkommenssegment über 1.250 Euro/brutto werden die Steuerzahler sowohl von der Senkung der SV-Beiträge als auch von der Senkung der Einkommensteuer profitie­ren. In Summe werden damit mehr als 4,5 Millionen Steuerzahler entlastet.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die Hauptprofiteure der Steuerreform. Mit 5 Milliarden Euro gehen 75 Prozent des Gesamtvolumens in die Entlastung der ar­beitenden Bevölkerung. Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen werden da­durch besonders profitieren.

Gerade kleinste und kleine Einkommen, die jetzt schon keine Einkommenssteuer mehr zahlen, werden durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge noch einmal spür­bar entlastet. Ein echtes Mehr in der Brieftasche. Mehr für die arbeitenden Menschen, mehr für die kleinen und mittleren Einkommen, mehr für die Familien, mehr für die klei­nen Unternehmerinnen und Unternehmer. Mit dieser "Steuerreform Plus" entlasten wir alle Österreicherinnen und Österreicher. Und das ohne neue Schulden und mit einem sanierten Haushalt.

Der Familienbonus Plus ist eine direkt spürbare Entlastung für alle Familien in Öster­reich!

950.000 Familien und 1 Millionen Kinder profitieren davon – damit zählt Österreich zu den familienfreundlichsten Ländern der Welt! Wir haben die Entlastung von Familien versprochen – mit dem Familienbonus Plus haben wir auch dieses Versprechen ge­halten!

Pro Kind und Jahr gibt es bis zu 1.500 Euro Steuerbonus – für Menschen mit einem Einkommen bis zu 1.750 Euro entfällt damit die Lohn- bzw. Einkommenssteuer ganz!

Der Familienbonus vermindert direkt die zu zahlende Steuerlast und hat damit die fünf­fache Wirkung des Kinderfreibetrags.

Darüber hinaus werden auch nichtsteuerzahlende Alleinerzieher und Familien mit Kin­dern über 18 Jahren, die Familienbeihilfe beziehen, davon profitieren.

Die Sozialhilfe Neu unterstützt die sozial Schwachen und schafft eine neue Gerechtig­keit!

Für Alleinerziehende soll es aufgrund deren besonders hohen Armutsgefährdung einen Zuschlag zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts pro Kind geben. Diese Zu­schläge sind nach Kinderanzahl gestaffelt und betragen zwischen rd. 103,- Euro und rd. 27,- Euro pro Monat Kind (Werte 2019).

Bei Menschen mit Behinderung ist nunmehr ein verpflichtender Zuschlag von rund 159,- Euro (2019) vorgesehen, der zusätzlich zur Basisleistung gewährt wird. Dieser ist von den Ländern zuzuerkennen, wenn besondere landesgesetzliche Bestimmungen nicht höhere behinderungsbedingte Leistungen kennen. Darüber hinaus gibt es eine „Schutzklausel“ im Grundsatzgesetz, wonach Besserstellungen insb. für Menschen mit Behinderung auf landesgesetzlicher Ebene zulässig sind bzw. vom Sozialhilfe-Grund­satzgesetz unberührt bleiben. Damit soll den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der neuen Sozialhilfe verstärkt Rechnung getragen werden.

Im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage in den Ländern soll es eine Schonfrist für Woh­nungseigentum von 3 Jahren geben, bevor die zuständige Behörde eine grundbücher­liche Sicherstellung vornehmen kann. Hausbesitzer, die sich nur in einer kurzfristigen Notlage befinden, brauchen daher nicht mehr um ihren Wohnungsbesitz bangen.

Auch der Vermögensfreibetrag (Schonvermögen) für z.B. eigene Ersparnisse wird er­höht und steht jedem Bezugsberechtigten zu, das sind 5.300 Euro statt bisher 4.430 Euro, also um fast 1.000 Euro mehr als vorher!

Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit soll sich durch den neuen Wiedereinsteigerfreibe­trag stärker als bisher lohnen. Die Länder können vorsehen, dass bis zu 35% des neu­en Nettoeinkommens für eine Dauer von 12 Monaten anrechenfrei bleiben. Dies erhöht das Haushaltseinkommen gegenüber inaktiven Personen. (Bei einem Nettoverdienst von 1.000 Euro würden 350 Euro nicht auf die Leistung angerechnet werden.)

Die kleinen und mittleren Pensionen werden erhöht!

In den letzten Jahren wurden die kleinen und mittleren Pensionen mehrfach unter der Inflationsrate angepasst. Insgesamt ergab sich daraus für alle Pensionen ein mehr oder weniger starker Kaufkraftverlust.

Die Bundesregierung hat für 2019 niedrige Pensionen (bis 1.115 Euro) um 2,6% er­höht. Diese Erhöhung liegt um 0,6%-Punkte über der für die Pensionsanpassung re­levanten Inflation (Aug. 2017 bis Juli 2018) in Höhe von 2%. Niedrige Pensionen er­hielten daher eine deutliche Kaufkraftstärkung. Auch für die mittleren Pensionen wurde durch diese Anpassung die Kaufkraft verbessert. Die Auswirkungen der Anpassung 2019 verteilen sich auf die Bezieherinnen und Bezieher wie folgt:

Von den insgesamt knapp. 2,1 Mio. Pensionistinnen und Pensionisten in der gesetzli­chen Pensionsversicherung erhielten

-               rd. 990.000 eine Anpassung von 2,6%.

-               rd. 330.000 eine Anpassung zwischen 2% und 2,6%.

-               rd. 760.000 eine Anpassung von 2%.

Frauen sind bei niedrigen Pensionen überrepräsentiert, haben daher eine niedrigere Durchschnittspension. Die Pensionsanpassung 2019 bewirkte durch die verstärkte Er­höhung niedriger Pensionen, dass Frauen von dem Modell in besonders hohem Aus­maß profitierten.

Zu dem Zeitpunkt, als die Pensionsanpassung vorbereitet und umgesetzt wurde, be­trug der Frauenanteil:

-               in der Gruppe, die mit 2,6% angepasst wurde 71,9%;

-               in der Gruppe, die zwischen 2% und 2,6% angepasst wurde 60,6%.

Insgesamt betrug der Frauenanteil unter den Pensionsbeziehenden 58,1%. In den Gruppen, die von der Pensionsanpassung profitieren, sind Frauen daher deutlich über­repräsentiert.

Mit dem Pensionsanpassungsgesetz 2019 wurden auch die Ausgleichszulagenricht­sätze um 2,6% erhöht. Das ist die gleiche Erhöhung, wie sie kleine Pensionen bis 1.115 Euro erhielten.

Damit war auch für alle Ausgleichzulagenbezieherinnen und -bezieher gewährleistet, dass ihr Einkommen stärker als die Verbraucherpreise steigt und die Kaufkraft gestärkt wird.

Nach der Pensionsanpassung 2019 betragen die Ausgleichszulagenrichtsätze nun­mehr:

-               für Alleinstehende 933,06 Euro;

-               für Alleinstehende mit mindestens 30 Beitragsjahren der Pflichtversicherung 1.048,57 Euro;

-               für Verheiratete 1.398,97 Euro.

Die Bundesregierung wird das System der Ausgleichszulagen weiter ausbauen. Für Menschen, die trotz langer Erwerbsverläufe nur sehr niedrige Pensionen haben, wird ab 2020 ein Pensionsbonus eingeführt, der faktisch bewirken wird:

-               Mindestpension von 1.200 Euro für Menschen mit 40 Beitragsjahren,

-               Mindestpension von 1.500 Euro bei Ehepaaren, wenn ein Ehepartner 40 Bei­tragsjahre aufweisen kann.

Die Ausgleichszulage garantiert Bezieherinnen und Beziehern ein Mindesteinkommen und ist somit ein wirksames Instrument gegen Altersarmut.

Arbeitsmarkt erholt sich: Mehr Beschäftigte- weniger Arbeitslose!

Die Bundesregierung hat mit vielen Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt verstärkt, neue Akzente gesetzt und damit einen Beitrag zur nachhaltigen Armutsbekämpfung geleistet.

Seit Jänner 2018 stieg die Zahl der unselbständig Beschäftigten durchschnittlich um +83.987 Personen bzw. +2,3 %.

Gleichzeitig steigt die Vollzeitbeschäftigung: Im Jahresdurchschnitt 2018 nahm bei den Erwerbstätigen die Vollzeitbeschäftigung gegenüber 2017 um 66.300 Personen zu, die Teilzeitbeschäftigung ging um 7.700 zurück.

Waren im Jänner 2018 noch mehr als 455.800 Personen arbeitslos bzw. in Schulung, so gelang es, diese Zahl bis April 2019 auf rund 361.200 Personen zu reduzieren. Zwi­schen Jänner 2018 und April 2019 ging die Zahl der Arbeitslosen inkl. der Schulungs­teilnehmerinnen und Schulungsteilnehmer dabei im Vergleich zum jeweiligen Vorjah­resmonat durchschnittlich um rund 30.000 Personen (30.255) bzw. -7,3% zurück.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.         Sinkt oder steigt aktuell die Armut in Österreich?

2.         Wie ist die Prognose bis 2022?

3.         Wie steht Österreich bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung im EU-Ver­gleich da?

4.         Worauf ist diese Position im EU-Vergleich zurückzuführen?

5.         Eine breite Mittelschicht ist immer ein Indikator gegen eine soziale Schieflage in der Gesellschaft. Wie gestaltet sich die Situation der Mittelschicht in Österreich im internationalen Vergleich?

6.         Wie steht es um die soziale Ungleichheit in Österreich im internationalen Ver­gleich?

7.         Wie hoch sind die Sozialausgaben Österreichs im internationalen Vergleich?

8.         Wie schneidet Österreich im Bereich Arbeitsmarkt auf internationaler Ebene ab?

9.         Welche gesellschaftlichen Gruppen sind besonders von Armut betroffen?

10.       Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung für diese Gruppen?

11.       Welche Maßnahmen kommen insbesondere Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderung, Frauen, Jugendlichen, älteren Menschen, Pensionistinnen und Pensionisten und Familien mit Kindern zugute?

12.       Wurde die Anzahl der Armutsgefährdeten in Österreich durch die Zuwanderung in den letzten Jahren vermindert oder erhöht?

13.       Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung gegen eine ungehinderte Zu­wanderung in den österreichischen Sozialstaat und damit eine Erhöhung der potentiell Armutsgefährdeten in Österreich?

14.       Die Hälfte der Arbeitslosen hat keine berufliche Ausbildung (geringe Qualifika­tion). Ihr Arbeitslosigkeitsrisiko ist gegenüber Personen mit entsprechenden Qualifikationen dreimal höher. Was macht die Bundesregierung um diesen Per­sonen aus der Armutsfalle zu helfen?

15.       Drei Viertel der Langzeitarbeitslosen ist armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung für diese Gruppe?

16.       Wie schaffen Sie in der Sozialhilfe Neu soziale Gerechtigkeit?

17.       Wie begegnen Sie dem Problem, dass hohe Wohnkosten Sozialhilfeempfänge­rinnen und Sozialhilfeempfänger potentiell in die Armut führen können?

18.       Welche Maßnahmen setzen Sie als Arbeitsministerin, um Sozialhilfebezieher bei der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu unterstützen?

19.       Das neue Sozialhilfegrundsatzgesetz legt fest, dass verstärkte Arbeitsanreize gesetzt werden müssen. Wo sehen Sie diese Arbeitsanreize und dadurch einen Beitrag zur Senkung der Armutsgefährdung?

20.       Werden im Zuge der „Entlastung Österreich“ wirklich alle Österreicherinnen und Österreicher, insbesondere auch Geringverdiener, entlastet?

21.       Weshalb kommt es im Zuge der Steuerreform nach einer ersten Entlastung im Juli 2018 zu einer neuerlichen Senkung der Sozialversicherungsbeiträge?

22.       Wo wird die neue Grenze für die Entlastung bei den Krankenversicherungsbei­trägen eingezogen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Abgeordneter Belakowitsch als erster Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Ge­schäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.