16.28

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Das ist ja jetzt kein alltägliches Schauspiel, dass eine Fraktion eine Dringliche Anfrage an eine Ministerin richtet, die der eigenen Partei ange­hört. Offensichtlich gibt es da Kommunikationsschwierigkeiten, sonst hätte man sich das auch direkt ausrichten können. So können wir an der FPÖ-internen Kommunika­tion teilhaben – ist ja auch nett.

Was mich dabei verwundert, ist, Frau Ministerin, wenn Sie die Antworten auf die Fra­gen von Kollegin Belakowitsch in einem Tempo vorlesen, wie wir das von Ministern ge­wohnt sind, die genervterweise der Opposition Fragen beantworten (Abg. Heinisch-Hosek – erheitert –: Das stimmt!) und das dann so schnell heruntertexten, dass man möglichst schlecht mitschreiben kann und nicht mitkriegt, was sie alles beantwortet haben und was nicht – aber gut. (Abg. Rosenkranz: Wollen Sie die Rechte der Parla­mentsparteien beschneiden?)

Was wir hier herinnen auch sehen, ist ein ganz lustiger Streit zwischen den drei Tradi­tionsparteien darüber, wer die noch sozialdemokratischere Sozialpolitik macht, wer noch mehr Steuergeld unter die Leute bringt und wer noch mehr und noch besser Geld hinauspulvert, wo wir doch eh schon 106 Milliarden Euro an Sozialausgaben haben.

Man lobt sich für eine Steuerreform. Angeblich entlastet diese Steuerreform jetzt total und es profitieren vor allem die Kleinen. Jetzt ein ganz einfaches Rechenbeispiel: Die ersten 11 000 Euro, die Sie im Jahr verdienen, sind steuerfrei, und zwar seit dem Jahr 2009. Im Jahr 2021, wenn die, wie Wolfgang Katzian richtig gesagt hat, längste Steuerreform der Welt dann einmal zu greifen beginnt, werden diese 11 000 Euro aber aufgrund der Inflation 14 000 Euro sein. Das heißt, Sie müssen 14 000 Euro verdienen, damit Sie die 11 000 Euro aus dem Jahr 2009 wertmäßig haben. Steuerfrei werden aber auch im Jahr 2021 noch 11 000 Euro sein. Sie werden 3 000 Euro versteuern, die wertmäßig vorher nicht zu versteuern waren. Das ist kalte Progression!

Jetzt geht die Regierung her und senkt den Steuersatz auf diese 3 000 Euro von 25 Pro­zent auf 20 Prozent. Dafür, geschätzte Wählerinnen und Wähler, sollten Sie sich jetzt bei der Regierung bedanken; dafür, dass Sie einen Betrag versteuern müssen, den Sie früher nicht versteuert haben, nur eben mit 20 Prozent und nicht mehr mit 25 Prozent. Also das machen Sie wirklich super! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Noll.)

Die Menschen sind nicht so blöd, wie Sie glauben, und merken schon, dass sie da auf den Arm genommen werden. Bevor die kalte Progression nicht abgeschafft ist, können Sie sich mit Ihren kosmetischen Instrumenten schleichen. (Abg. Zanger: Was? – Ruf bei der ÖVP: Was war das jetzt? – Heiterkeit bei NEOS, SPÖ und JETZT.) – Schlei­chen darf man sagen, für schleichen hat noch niemand einen Ordnungsruf bekommen. Es gibt aber auch Premieren, schauen wir einmal!

Kollegin Belakowitsch rühmt sich der sinkenden Arbeitslosigkeit. Jetzt frage ich mich aber – und das kann man weder der Dringlichen Anfrage noch dem Redebeitrag der Kollegin Belakowitsch oder dem Redebeitrag der Frau Ministerin entnehmen –: Welche konkreten Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, glauben Sie, haben zur sinkenden Ar­beitslosigkeit geführt? Oder war es vielleicht die Konjunktur? Ist es vielleicht so, dass die Firmen gut wirtschaften, dass das Geschäft läuft, dass sie händeringend Arbeits­kräfte suchen, die sie gar nicht bekommen, und dass die Arbeitslosigkeit in Wirklichkeit noch viel niedriger sein könnte, wenn man rechtzeitig in Bildung investiert hätte und die Menschen, die arbeitslos sind, auch die Qualifikation hätten, die man für die offenen Stellen so dringend benötigt? Das haben Sie nicht gemacht, aber Sie rühmen sich ein­mal Ihrer großartigen Erfolge.

Jetzt kommt die von Frau Kollegin Belakowitsch ausgeführte Senkung der Arbeitslo­senversicherungs- und Krankenversicherungsbeiträge für Kleinverdiener. Am idealsten profitieren Sie von diesen Maßnahmen, wenn Sie im Monat brutto 1 350 Euro verdie­nen – 1 350 Euro. Das ist aber kein typisches Vollzeitgehalt, weil Vollzeitkräfte in Ös­terreich im Schnitt 2 900 Euro brutto verdienen. Die Durchschnittsbuckler oder Durch­schnittshackler, die 40 Stunden die Woche arbeiten gehen, haben von Ihren Geschen­ken gar nichts. Was Sie fördern, sind Teilzeitkräfte. (Abg. Hanger: Das stimmt ja ein­fach nicht!) Das ist wahr, das sind Teilzeitkräfte. Ich bin Personalverrechner, ich kann Ihnen das vorrechnen, Kollege Hanger. (Ruf bei der ÖVP: Wirklich ein schlechter! – Abg. Hanger: Aber wie die kalte Progression berechnet wird, haben Sie keine Ah­nung!)

Die Teilzeitkräfte profitieren, aber das passt ja ins schwarz-blaue Familienbild. Wenn der Mann Vollzeit arbeiten geht und die Frau einen Teilzeitjob hat, dann entlasten wir die und dann profitiert die Familie mit dem klassischen Rollenbild – sie ist daheim und kocht zu Mittag. Optimal! Das wollen Sie haben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Gödl: Freie Wahl! Wahlfreiheit! Hast du schon einmal was von Freiheit gehört, Kollege Loacker?)

Kommen wir zu den Pensionen: Ich habe genau zugehört, als heute angekündigt wor­den ist, dass weitere Pensionsgeschenke geplant sind. Man muss sich vorstellen, das österreichische System schaufelt auf verschiedenen Ebenen im Jahr 55 Milliarden Eu­ro an Pensionen um. Ein Teil davon ist durch Beiträge finanziert, aber 21 Milliarden Eu­ro gelangen über verschiedene Kanäle aus dem Budget in die Pensionen, weil die Bei­träge das Volumen nicht decken. Gleichzeitig doktern Sie über ein Jahr lang an der Mindestsicherung herum, die insgesamt nicht einmal 1 Milliarde Euro kostet; 55 Milliar­den Euro Pensionen, und Sie machen ein Riesentheater wegen der Mindestsicherung in der Höhe von nicht einmal 1 Milliarde Euro! – Das ist Ihre Sozialpolitik: eine gigan­tische Themenverfehlung! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Dass die Österreicher im Schnitt im selben Alter in Pension gehen wie einst im Jahr 1970 – nur dass wir heute Gott sei Dank viel älter werden –, blenden Sie aus. Da gibt es keine einzige Maßnahme, nicht einmal mikroskopisch klein; gar nichts gibt es da. Dann wird ausgewiesen, das Pensionsantrittsalter steige. – Ja, weil Sie den Hunds­torfer-Trick weiter verwenden – das ist die sozialdemokratische Kontinuität der Regie­rungen, die schwarz-blauen machen es gleich wie vorher die rot-schwarzen – und die Invaliditätspensionen von unter 50-Jährigen herausrechnen, können Sie ein steigendes Pensionsantrittsalter ausweisen. Wenn Sie aber das sogenannte integrierte Pensions­antrittsalter anschauen, bei dem diese Invaliditätspensionen von unter 50-Jährigen drin­nen sind, sehen Sie, dass es seit 2014 stagniert. Sie haben keinen Millimeter zusam­mengebracht. (Beifall bei den NEOS.)

Dann rühmen Sie sich in bester sozialdemokratischer Tradition, dass Sie die kleinen Pensionen mehr erhöht haben als die großen. Mit welchem Nebeneffekt? – Menschen, die 20 Jahre in Deutschland und 20 Jahre in Österreich gearbeitet haben und daher nur eine Teilpensionsleistung in Österreich erhalten, bekommen eine größere Pen­sionserhöhung, weil sie vielleicht einen Tausender aus Deutschland kriegen und einen Tausender aus Österreich, und die, die 40 Jahre in Österreich gearbeitet haben, be­kommen die kleinere Erhöhung. – Das haben Sie gemacht! Umgekehrt natürlich ge­nauso: Der Deutsche, der zehn Jahre in Österreich und 30 Jahre in Deutschland ge­arbeitet hat, bekommt auf seine österreichische Rumpfpension auch diese außeror­dentliche Erhöhung, die Sie beschlossen haben. – Ja, grandios!

Das Beste ist – da muss ich den Sozialdemokraten einen Punkt geben, den Sie nicht bekommen –, dass Sie es bei Ihrer Pensionserhöhung verabsäumt haben, die Erhö­hung der Luxuspensionen zu deckeln. Wenn ein Landesbeamter vielleicht nebenher noch als Sachverständiger selbstständig tätig war – das soll ja vorkommen – und ein selbstständiges Einkommen hatte, dann bekommt er auf seine Selbstständigenpension auch Ihre Sondererhöhung, weil das nicht mit seiner Landesbeamtenpension zusam­mengerechnet wird. Das ist Ihre supersoziale Politik, weil Sie das System nicht einmal vollständig durchblicken. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Belakowitsch: Gott sei Dank haben wir den Loacker, der es verstanden hat!)

Ich darf Ihnen noch ein Zitat vorlesen: „Der Weg zur sozialen Gerechtigkeit war mit immer höheren öffentlichen Ausgaben gepflastert, ohne Rücksicht auf Ergebnisse oder die Wirkung der hohen Steuerlast auf Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung oder pri­vate Ausgaben. Qualitätvolle soziale Dienstleistungen sind ein zentrales Anliegen der Sozialdemokraten, aber soziale Gerechtigkeit läßt sich nicht an der Höhe der öffent­lichen Ausgaben messen. Der wirkliche Test für die Gesellschaft ist, wie effizient diese Ausgaben genutzt werden und inwieweit sie die Menschen in die Lage versetzen, sich selbst zu helfen.“

Wer hat das geschrieben? – Das haben die Sozialdemokraten Tony Blair und Gerhard Schröder 1999 in ihr gemeinsames Wahlpapier für die Europawahl hineingeschrieben. Sie verfolgen aber immer noch den alten sozialdemokratischen Weg aus der Zeit vor Schröder und Blair, bei dem es darum geht, wie man noch mehr Geld hinauspulvern kann. Die Steuerzahler sind Ihnen egal. (Beifall bei den NEOS.)

16.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.