19.58

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Mei­ne Damen und Herren! Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit einem syrischen Priester gelesen. Dieser syrische Priester hat geschildert, wie friedlich Alawiten, Sunni­ten, Schiiten und Christen vor Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien zusammengelebt haben. Er hat gesagt, ich bin in der Schule neben Mädchen mit Kopftuch gesessen – er ist Christ – und niemand hat sich daran gestoßen. Als ich das gelesen habe, habe ich mir gedacht, das ist eine versunkene Welt. Sie ist zerstört durch Fundamentalis­mus, Extremismus, Radikalismus.

Wie kommt es dazu, dass es immer wieder gelingt, die Menschen auseinanderzudivi­dieren, dass es immer wieder gelingt, geradezu Hass und Abneigung zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen zu wecken und zu schüren? Wie kommt es dazu, dass fremde Gewohnheiten und Gebräuche abgelehnt werden, mit Hass verfolgt werden? – Ich habe gedacht, diese Frage müssen aber auch wir uns stellen, wenn es darum geht, ob das Kopftuch in der Volksschule verboten werden soll.

Begründet wird das im Gesetz damit, dass die soziale Integration gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten gefördert werden soll und dies der Wahrnehmung der verfas­sungsrechtlichen Grundwerte und der Bildungsziele sowie der Gleichstellung von Mann und Frau dient. Meine Frage dazu ist: Heißt das, dass Mädchen mit Kopftuch in der Volksschule ausgegrenzt werden? – Wenn dem so ist, muss man da nicht bei denen ansetzen, die ausgrenzen, und nicht bei denen, die ausgegrenzt werden? (Zwischenru­fe bei ÖVP und FPÖ.)

Inwiefern gefährdet es die Bildungsziele in der Volksschule, wenn Mädchen ein Kopf­tuch tragen? Lernen sie weniger leicht lesen, schreiben und rechnen? Sind sie dümmer als die anderen? Hindert sie das Kopftuch am Lernen? – Ich glaube das nicht.

Ich habe auch nicht gesehen, dass es dafür empirische Evidenz gibt. Sie haben das je­denfalls nicht angeführt (Beifall bei NEOS und SPÖ – Zwischenruf des Abg. Hauser), obwohl Sie, Herr Bundesminister – was ich ja besonders schätze –, ein Politiker sind, der evidenzbasiert handelt. In diesem Bereich vermisse ich eine solche Evidenz. (Ruf bei der FPÖ: Oje!)

Ich weiß natürlich, dass diese Gründe vorgeschoben sind, das wissen wir ja alle, und dass es in Wahrheit darum geht – Herr Kollege Taschner hat das ja auch schon ausge­sprochen –, ein Zeichen zu setzen, dass das islamische Kopftuch bei uns nicht er­wünscht ist. Was tun wir damit? (Abg. Taschner: Das ist verkürzt!) – Wir machen da­mit die Mädchen in unseren Volksschulen dafür verantwortlich, dass autoritäre Regime im Iran, in Saudi-Arabien, in Afghanistan Frauen unterdrücken. Wird dadurch die Situa­tion der Frauen in diesen Ländern besser? (Ruf bei der FPÖ: Na, aber hoffentlich in Österreich! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Dient das der Integration bei uns, wenn wir die kulturelle Identität der Musliminnen und Muslime bei uns damit in Frage stellen? Ist nicht der Schaden größer als der Vorteil? (Nein-Rufe bei der FPÖ.)

Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht dafür, dass Mädchen in der Volksschule ein Kopftuch tragen, aber ich bin dafür, dass alles getan wird, dass jedes Kind die Chance hat, seine Fähigkeiten zu entwickeln, egal, wo es hineingeboren ist, unter welchen Verhältnissen es aufwächst, auch wenn es nicht das große Los in der Geburtslotterie gezogen hat, wie wir alle hier, und dass Maßnahmen getroffen werden, die viel Geld kosten. Es ist schon gesagt worden, was alles getan werden könnte und muss. Das ist natürlich Sachpolitik, die etwas kostet. Sie bringt nicht den schnellen Beifall, aber sie ist das, was unserer Zukunft geschuldet ist und was eine verantwor­tungsbewusste Regierung machen sollte. Sie sollte auf eine solche Symbolpolitik, die nur Schaden anrichtet, die die Gesellschaft auseinanderbringt, die nur ein bestimmtes Klientel zufriedenstellt, verzichten. Das wäre mein Wunsch und meine Hoffnung. – Dan­ke. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

20.04

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.