11.27

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­kanzlerin! Geschätzte Ministerinnen und Minister auf der Regierungsbank! Ich darf Ihnen alles Gute wünschen und selbstverständlich auch unsere Zusammenarbeit an­bieten. Für Sie ist eines hier natürlich neu: dieses parteipolitische Hickhack, das wir jetzt miterlebt haben; für uns ist neu, dass die Minister und Ministerinnen mit uns reden wollen. Das ist neu, und es freut uns auch ganz besonders, dass Sie hier einen kons­truktiven Weg gehen und diesen konstruktiven Weg hoffentlich auch die nächsten Mo­nate überleben. Dieser konstruktive Weg findet nur mit Legislative und Exekutive statt, wie der Herr Innenminister es auch gesagt hat, hier muss es also einen Austausch mit den Oppositionsparteien, mit den freien Kräften geben.

Nun, ich will Ihnen eine Geschichte erzählen, Herr Innenminister: Ich war vor zwei Ta­gen im Leutschacherhof in der Nähe von Seefeld. Das ist ein Betrieb, ein Ausbildungs­betrieb, das ist natürlich auch ein Tourismusbetrieb. Berufe im Tourismus stehen näm­lich auch auf dieser Mangelberufsliste. Dort gibt es auch Lehrlinge, und unter diesen Lehrlingen sind auch Lehrlinge, die in einem Asylverfahren stehen, die vielleicht den Status haben, dass sie erstinstanzlich abgelehnt wurden, die aber vor 2018 eine Lehre begonnen haben. Darunter gibt es den besonders krassen Fall, dass ein Lehrling, den ein Unternehmer, nämlich Christian Wandl, drei Jahre lang ausgebildet hat, am Tag der Europawahl von der Polizei abgeholt wurde und am nächsten Tag schon im Flieger nach Hause saß.

Jetzt geht es um folgendes Thema: Er hat drei Jahre hier gelernt, der Unternehmer hat in die Ausbildung investiert, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich engagiert, damit dieser junge Mann, der integrationswillig ist, auch eine gute Ausbildung be­kommt, die deutsche Sprache gut lernt, und dann wird er zwei Monate beziehungswei­se sechs Wochen vor der Lehrabschlussprüfung abgeholt und nach Hause geschickt.

Das ist nicht nur unvernünftig, das ist ein menschlicher Wahnsinn, und das ist es auch, was mich zu dem Punkt bringt, was Sie jetzt tun könnten – das ist nämlich, einen Ab­schiebestopp zu erwirken –, und gleichzeitig, was das Parlament, was die Abgeordne­ten hier herinnen tun könnten: Das wäre, unserem Vorschlag, der schon seit 2015 vor­liegt und der eine Drei-plus-zwei-Regelung zum Inhalt hat, zuzustimmen. (Beifall bei den NEOS.) Das wäre der richtige Punkt, den wir dann sozusagen in die Legislative bringen und den Sie dann exekutieren könnten.

Was war nämlich der Fall? Ich glaube, man kann schon sagen, dass die ÖVP in der Vergangenheit hier vor der FPÖ in die Knie gegangen ist. Sie könnten heute auch bei meinem, bei unserem Entschließungsantrag mitgehen. Es gibt nämlich auch ein Be­dürfnis der Wirtschaft, ein Bedürfnis der Unternehmerinnen und Unternehmer.

Wenn ich nur meinen Bezirk Pongau hernehme: Da gibt es über 400 offene Lehrstellen und nur 23 eine Lehrstelle Suchende – und dann gibt es auf der anderen Seite viele junge Menschen, die in diesem Land sind, die sich integrieren wollen, die sich vielleicht hier eine Existenz aufbauen wollen, und die lässt man zum einen nicht lernen und zum anderen schiebt man die, die schon in einer Lehre sind, ab. Das, was der ehemalige Innenminister getan hat, ist nämlich das Feigste: Er hat sich jene geholt, von denen er gewusst hat, wo sie wohnen und wo sie arbeiten. Das war überhaupt kein guter Schachzug, sondern das war reiner Populismus.

Da möchte ich einen Mann zitieren, der leider heute nicht hier ist: Eine Populismus­sperre ist ein starkes Zeichen für Nachhaltigkeit und Vernunft, hat (in Richtung ÖVP) Ihr wahlwerbender Parteiobmann gesagt. Wenn Sie die Populismussperre einsetzen wollen, dann müssen Sie heute im Sinne der Wirtschaft vom Knien wieder aufstehen und bei unserer Drei-plus-zwei-Regelung mitmachen – anderenfalls wird das nichts –, auch im Sinne der Unternehmerinnen und Unternehmer, die viel Geld darin investiert haben und die auch ein Zeichen gegen den Fachkräftemangel setzen wollen. Das könnte die ÖVP heute machen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Noll.)

Ich glaube, es ist Zeit: Wenn wir, die NEOS, von A bis Z, von Anstand bis Zukunft re­den, dann reden wir auch von klaren Zeichen: von Abschiebestopp bis zu einem ge­regelten Zuwanderungsgesetz. (Beifall bei den NEOS.) Nur so kann es gehen! Und es muss uns allen klar sein, dass das ausschließlich mit unseren Kindern nicht machbar ist, sondern dass wir dafür auch eine vernünftige Zuwanderungspolitik benötigen. Das ist ein Ziel, das Sie auch im Sinne der Wirtschaft zu verfolgen hätten.

Nun möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehre für Asylwerbende ermöglichen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass jugendliche Asylwer­bende, die eine Lehre absolvieren, diese beenden können. Es soll eine Regelung nach dem Vorbild der ‚Drei Plus Zwei‘ Regelung in Deutschland für Asylwerbende eingeführt werden.“

*****

Ich bitte um Ihre Vernunft und um Ihre Zustimmung. Die ÖVP ist schon einmal – bei der Raucherregelung – vernünftig geworden, und jetzt kann sie bei diesem Entschlie­ßungsantrag ruhig auch mitgehen. (Beifall bei den NEOS.)

11.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Lehre für Asylwerbende ermöglichen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 80. Sitzung des Nationalrats über Erklärung der Bundeskanzlerin – TOP 1

Im Sommer des Jahres 2018 wurde von Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck ein Erlass aufgehoben, der es bis dahin möglich machte, dass Asylwerbende, die jün­ger als 25 Jahre alt waren, eine Lehre in einem Mangelberuf beginnen durften. Durch die Rücknahme des gemeinhin als "Bartenstein-Erlass" bekannten Erlasses aus dem Jahr 2012 hat man damit vielen jungen Menschen die Chance genommen, eine be­rufliche Qualifikation zu erwerben. Der folgende Aufschrei und die Empörung waren groß - nicht nur von Seiten der Zivilgesellschaft und NGOs, sondern auch von Wirt­schaftstreibenden aus unterschiedlichsten politischen Lagern.

Asylwerber_innen ist der Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich ohnehin nur in sehr eingeschränkter Form möglich. Derzeit ist im Ausländerbeschäftigungsgesetz vorgese­hen, dass Personen, die seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen sind, einer Beschäftigung nachgehen können, sofern eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wur­de. Dieser Arbeitsmarktzugang ist aber auf den Bereich der Saison- und Erntearbeit begrenzt.

Durch die Abschaffung der Möglichkeit für Asylwerber_innen unter 25 Jahren, eine Lehrausbildung zu beginnen, sofern ein nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht, wurde eine gut funktionierende Integrationsmaßnahme nicht nur aus integrationspoliti­scher, sondern auch aus arbeitsmarkpolitischer Sicht ad absurdum geführt.

NEOS wollen daher ein System ähnlich der in Deutschland gültigen "Drei Plus Zwei" Regelung einführen. Dort können asylwerbende Lehrlinge nämlich während ihrer Aus­bildung nicht abgeschoben werden, und haben im Anschluss an die abgeschlossene Ausbildung das Recht noch zwei Jahre im erlernten Beruf zu arbeiten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass jugendliche Asylwer­bende, die eine Lehre absolvieren, diese beenden können. Es soll eine Regelung nach dem Vorbild der "Drei Plus Zwei" Regelung in Deutschland für Asylwerbende einge­führt werden."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Alma Zadić. – Bitte.