14.30

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es geht um Art. 142 Abs. 2 lit. b, da geht es darum, dass in der Verfassung eine Klagemöglichkeit vor dem Verfassungsgerichtshof vorgesehen ist, wenn bei Amtstätigkeit schuldhafte Rechtsverletzungen entstehen.

Es ist also nicht so, dass wir etwas Neues erfinden, sondern wir haben einen Para­grafen in der Verfassung, der es ermöglicht, eine Ministeranklage zu machen, aber nur mit der Mehrheit des Parlaments.

Da die Mehrheit auch immer die Regierung stellt und die hier im Hohen Haus sitzenden Abgeordneten der Regierungsfraktionen nicht gegen den eigenen Minister eine Ankla­ge erheben werden, ist es totes Recht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Man kann sagen, man schafft diesen Paragrafen ab – das wäre eine der Möglichkeiten –, oder man sagt, man belebt ihn wieder. Ich bin da auf der Seite des Kollegen Noll und dafür, ihn wie­derzubeleben.

Warum bin ich dafür? – Weil sich in den letzten 17 Monaten einiges an der Begeg­nungsform hier im Parlament geändert hat. Man hat das Parlament ganz einfach miss­achtet, man hat das Parlament durch eine äußerst überhebliche Vorgangsweise teil­weise ausgeschaltet. Ich erinnere daran, dass man Vorhaben in die falschen Aus­schüsse gegeben hat, ich erinnere daran, dass man Begutachtungsfristen so verkürzt hat, dass bei 212 betroffenen Gesetzen eine Begutachtungsfrist von zwölf Tagen ein­geräumt wurde.

Ich erinnere daran, dass man versucht hat, es möglich zu machen – die Sozialminis­terin hat es eingebracht , dass Vollzugshandlungen bereits gesetzt werden können, bevor ein Gesetz erlassen wird. Das geht in Richtung klaren vorsätzlichen Verstoßes gegen den Artikel 18 der Bundesverfassung. Dort steht nämlich, dass die Vollziehung nur aufgrund von Gesetzen arbeiten darf.

Wenn man solche Verstöße, die wirklich an Vorsatz grenzen, in 17 Monaten perma­nent vor Augen geführt bekommt, auch die Missachtung des Parlaments durch den Bundeskanzler, dann muss man sagen, das war heute wohltuend, dass eine Bundes­regierung antritt und sagt: Wir suchen den Konsens, wir versuchen, mit allen in Kontakt zu bleiben, wir versuchen, den größtmöglichen Konsens herzustellen, und suchen nicht den Dissens. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist das, was sich in den letzten 17 Monaten geändert hat, nämlich dass eine Be­gegnungsform hier Einzug gehalten hat, die ich vorher nicht kannte. Ich bin seit 22 Jah­ren hier, man hatte immer wieder versucht, einen Großteil der Gesetze gemeinsam zu beschließen, man hatte immer wieder versucht, einen Konsens zu finden – mehr als 30 oder 40 Prozent der Abstimmungen sind sogar einstimmig ausgefallen –, das hat sich in den letzten 17 Monaten wirklich geändert.

Wenn man beginnt, die Verfassung mit vorsätzlichen Anträgen hinzubiegen, und weiß, dass man verfassungswidrig handelt, dass man sozusagen die Vollzugshandlung dem Gesetzesbeschluss vorwegnimmt, dann halte ich es für gerechtfertigt, diesen Art. 142 Abs. 2 lit. b zu einem Minderheitsrecht zu machen, zu einem Recht von einem Drittel der Abgeordneten.

Das ist nicht deswegen, weil wir jetzt gescheiter geworden sind, sondern um einer Dis­senspolitik vorzubeugen, um einer Konsenspolitik wieder das Wort zu reden, um wie­der an den Tisch zurückzukehren, den der Bundeskanzler verlassen hat, den er be­wusst verlassen hat. Er hat auch die Gespräche mit den Sozialpartnern verweigert. Er will ganz einfach die alleinige Macht, er versucht mit allen Methoden, sie zu erreichen. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.)

Das ist auch der Grund für die Neuwahl. Da jetzt die Umfragen gut sind, machen wir jetzt Neuwahlen. Wir gehen solange wählen, bis das herauskommt, was er will. – Das ist Machtpolitik, und dieser Machtpolitik gehören Grenzen gesetzt. Eine dieser Grenzen wäre, dass man wieder zur Gesetzlichkeit der Vollzugshandlungen zurückkehrt. (Beifall bei der SPÖ.)

14.35

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.