10.21

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Hohes Haus! (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) – Wenn sich die SPÖ wieder beruhigt hat, könnte ich reden.

Ich bin einigermaßen sprachlos. Insofern fällt mir in diesem Zusammenhang das Reden schwer. Wir haben hier eine Situation, in der wir nach den Ibizavideos ein neues Parteienfinanzierungsgesetz diskutieren, in dem nichts, aber auch gar nichts in Bezug auf die Gedanken, die in den Ibizavideos gewälzt wurden, geändert wird. All das ist weiterhin möglich. Sie bewegen sich keinen Millimeter, um das zu verhindern! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich war auch einigermaßen sprachlos, als ich am Sonntag zu Mittag diesen Vorschlag, diese Einigung von SPÖ, FPÖ und der Liste JETZT bekommen habe. Es ist ein Vorschlag, der ursprünglich so unfassbar viele Fehler enthalten hat und damals so unfassbar verfassungswidrig war und wahrscheinlich teilweise immer noch ist, wobei ich mir gedacht habe, wie man sich auf so etwas einigen kann. Einerseits wird nichts von dem geändert, wovon wir in Bezug darauf wissen, was für Umgehungs­konstruk­tionen möglich sind, und andererseits wird ein so unfassbar schlechtes Gesetz vorge­legt.

Beispielsweise ist es weiterhin möglich, dass Parteien nahestehende Organisationen und Vereine in irgendeiner Art und Weise den Wahlkampf unterstützen, zwar nicht mit finanziellen Zuwendungen, aber halt durch irgendwelche Veranstaltungen. Wir haben es gehört, Kollege Nehammer hat es angesprochen: Ich muss nur eine mir nahe­stehende Organisation nehmen, sie bei meiner Partei aus dem Statut herausstreichen, sie neu gründen und sie vielleicht noch einmal daneben hinstellen, dann ist alles weiterhin möglich. Das ist das, was Sie weiterhin ermöglichen. Diejenigen, die ehrlich sind und ihre Vorfeld- und Teilorganisationen in ein Statut hineinschreiben, sind da die Dummen (Abg. Wöginger: Genau!), und diejenigen, die ausgfeanzt versuchen, sich andere Umgehungskonstruktionen zu schaffen, können das weiterhin tun – und das halte ich für eine Zumutung. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Eines der besonderen Schmankerl ist für mich diese begleitende Kontrolle von irgend­einem Senat, die Sie vorgeschlagen haben. Ich frage: Für wie dumm halten Sie denn die Österreicherinnen und Österreicher? – Wenn wir als Bürgerin, als Bürger während eines Wahlkampfs ernsthaft wissen wollen, was die Parteien ausgeben, wofür sie ihr Geld ausgeben, dann wird es ja wohl nichts bringen, wenn sich drei Gutachter zusam­mensetzen, sich anschauen, wie viele Inserate in den Zeitungen sind oder wie viele Plakatflächen man bei der Gewista gebucht hat. Das ist doch Augenauswischerei (Zwischenruf der Abg. Yildirim), das ist lächerlich und das hat mit Transparenz null zu tun, was Sie in diesem Zusammenhang vorschlagen. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Bezüglich der Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze haben Sie eine Ver­bes­serung zum Status quo gemacht, allerdings eine meiner Meinung nach zu geringe. Es ist eine Einschleifregelung in dem Sinne, dass man, wenn man nur ein bissel zu viel ausgibt, auch nur ein bissel Strafe zahlt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, die ÖVP hätte in Bezug auf die Höhe, die sie beim letzten Mal überschritten hat, eine ordent­liche Strafzahlung gehabt. Man könnte, wenn man politische Parteien ernsthaft davon abhalten will, dass sie die Wahlkampfkostenobergrenze überschreiten, mit ganz scharfen Sanktionsmechanismen reingehen. Wir schlagen 150 Prozent des Über­schrei­tungsbetrags für jede Überschreitung vor.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich persönlich bin ja der Meinung, dass man es umdrehen sollte; ich halte es eigentlich für eine Voraussetzung dafür, dass man sich an die Gesetze hält, wenn man Parteienfinanzierung bekommen will. Ich persönlich bin also der Meinung, dass man dann, wenn sich Parteien nicht an die Wahlkampf­kostenober­grenze halten, auch darüber diskutieren könnte, ob diese überhaupt Parteienfinan­zierung bekommen sollten. (Beifall und Bravorufe bei den NEOS. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, ihr genauso, alle hier herinnen! Es ist absurd, dass man sich nicht an Gesetze halten muss und dann auch noch entsprechende Parteienfinanzierung be­kommt.

Wir haben auch schon die Frage, wie man in diesem Zusammenhang den freien Wettbewerb behindert, angesprochen. Sie schlagen ja vor, dass neue politische Parteien 1,5 Millionen Euro an Spenden erhalten können sollen und nicht nur 750 000 Euro wie etablierte Parteien. Wir haben also eine Wahlkampfkosten­ober­grenze von knapp 7 Millionen Euro, aber eine neu gegründete politische Partei kann nur 1,5 Millionen Euro an Spenden einsammeln. Man könnte jetzt sagen, sie kann ja ein Darlehen aufnehmen. Sie wissen aber ganz genau, dass das Risiko dafür, dass eine Bank einer neuen politischen Partei ein Darlehen gibt, so hoch ist, dass eine Bank das nie machen wird. Das heißt, Sie zwingen neue politische Parteien dazu, dass sie in diesem Wahlkampf nur 1,5 Millionen Euro ausgeben; alle anderen dürfen aber weiter­hin 7 Millionen Euro ausgeben. Es wäre ja vollkommen absurd, wenn diese Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof hält. Ich kann Ihnen daher garantieren, wenn irgendje­mand das vor den VfGH bringt, dass der sagen wird, dass das eine Ungleichbehand­lung, eine unsachliche Differenzierung ist, und dass das auch fällt. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben ursprünglich – und da kommen wir zu den Fehlern; diesbezüglich muss ich mich auch bedanken, dass Kompromissbereitschaft vorhanden war – einen Fall nicht gesehen. Was ist mit einer politischen Partei, die in einer Vertretung ist und in einer anderen nicht? Was ist mit einer politischen Partei, die im Nationalrat sitzt, aber in den einzelnen Landtagen nicht? Welche Regeln gelten für sie? – Wir haben diesbe­züglich – vielen Dank dafür! – einen Kompromiss geschaffen, dass auch das berück­sichtigt wird, weil das sonst bedeutet hätte, dass man in einem Superwahljahr, in dem viele Landtagswahlen in Ländern stattfinden, wo etwaige neue politische Parteien noch nicht vertreten sind, keine Möglichkeit hat, einzuziehen.

Was nicht unter die Spendenobergrenze fällt – auch das ist wieder an Chuzpe kaum zu überbieten –, sind die Parteiabgaben. Wir wissen, dass viele politische Parteien – wir NEOS tun das nicht – ihre Mandatare zwingen oder sie freundlich bitten, eine Parteiabgabe oder eine Klubabgabe zu zahlen. Wenn man das in die Höhe treibt, dann kann beispielsweise die SPÖ Wien jedes Jahr knapp 1 Million Euro an Parteiabgaben einnehmen. Das Ganze ist übrigens auch noch von der Steuer absetzbar. Ich erinnere mich, dass Kollege Jarolim und vorhin auch Kollege Wittmann gesagt haben, dass der Steuerzahler das Ganze mitzahlt. – Ja, der Steuerzahler, die Steuerzahlerin zahlen Ihre Parteiabgaben mit, weil Sie die von der Steuer absetzen können. Bei der SPÖ Wien alleine sind das 1,09 Millionen Euro pro Jahr. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Yildirim.)

Im Übrigen fällt Folgendes, was auch weiterhin möglich ist, nicht unter die Obergrenze: Das ist natürlich das Firmenkonglomerat, auf dem die SPÖ Wien sitzt. Die Bilanz­summe aller Firmen, aller unternehmerischen Beteiligungen der SPÖ Wien ist 4,47 Mil­liarden Euro. Das ist alles weiterhin möglich; Sie erlauben auch diese Umgehungs­konstruktionen. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Dann ist da auch noch die ganze Sache mit den Expertinnen und Experten, die das kritisiert haben. Es war doch auch die SPÖ, die unter der schwarz-blauen Regierung immer wieder kritisiert hat, dass es keine Begutachtungen gibt, dass hier gehudelt wird. Alle namhaften Experten sagen, dass es ein schlechtes Gesetz ist. Die Rech­nungs­hofpräsidentin sagt, das ist ein schlechtes Gesetz; Sie haben aber auch kein Interesse daran, das ernsthaft zu diskutieren, und bringen das ganz schnell durch. Wir könnten ohne Weiteres eine Ausschussbegutachtung machen, so wie ich es auch beantragt habe. Sie hätten im Herbst immer noch Zeit, das entsprechend umzusetzen. Ich halte das in diesem Zusammenhang für keinen guten Parlamentarismus, und das ist auch der Grund dafür, dass am Schluss ein schlechtes Gesetz rauskommt.

Wir bringen einen sehr umfassenden Abänderungsantrag ein, der hoffentlich schon verteilt wird. Ich werde ihn in den Grundzügen erläutern. Das, was es nämlich wirklich braucht, gehen Sie ja nicht an: Das sind volle Einsichts- und Prüfungsrechte des Rechnungshofes, das ist ein Straftatbestand illegale Parteienfinanzierung, das ist ein laufendes Monitoring über die Wahlkampfausgaben während des Wahlkampfs, denn den lustigen Bericht von irgendeinem Expertensenat drei Monate später können Sie sich sparen. Das, was es braucht, ist überhaupt ein eigener Bericht über die Wahl­kampfkostenabrechnung, das sind tatsächlich abschreckende Sanktionen, wenn man die Wahlkampfkostenobergrenze überschreitet.

Meine Damen und Herren! Der ehemalige Bundespräsident Kirchschläger hat einmal von den Sümpfen und von den sauren Wiesen gesprochen, die trockenzulegen sind. Wissen Sie, was Sie hier machen? – Sie bewirtschaften diese Sümpfe, Sie bewirt­schaften diese sauren Wiesen – und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Sie sich für dieses Verhalten in Grund und Boden schämen sollten. (Beifall und Bravorufe bei den NEOS sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist verteilt und steht, weil er aus­reichend unterstützt ist, mit in Verhandlung.

Ich darf auf der Besuchergalerie den Pensionistenausschuss des ÖGB herzlich be­grüßen. – Herzlich willkommen im Hohen Haus, meine Damen und Herren! (Allge­mei­ner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofer. – Bitte.