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Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Die Finanzverwaltung steht vor großen Herausforderungen, hin­sicht­lich einiger davon wurde schon etwas beschlossen, hinsichtlich einiger davon solle noch etwas beschlossen werden, und zwar nicht nur die Finanzverwaltung betreffend, sondern das komplette Finanzressort.

Verzeihen Sie mir, wenn ich das sage – und Sie können mir dann vorwerfen, dass ich mein Amt und meine Kompetenz überschreite –, aber Max Weber hat vor ziemlich genau hundert Jahren, glaube ich, drei Qualitäten der Politik genannt: zum Ersten die Leidenschaft für die Sache, zum Zweiten das Verantwortungsgefühl in Bezug auf die Auswirkungen und zum Dritten das Augenmaß als rationalen Gegenpol zur emotio­nalen Leidenschaft; und er hat, glaube ich, außerdem das Postulat aufgestellt, dass alle drei Qualitäten immer und auch immer gleichzeitig gegeben sein müssen.

Sie haben heute noch eine Abstimmung vor sich, und ich würde Sie bitten, nicht für das Budget des Jahres 2019, nicht für den Ehrgeiz des Herrn Müller und auch nicht für das Seelenheil des Finanzministeriums, sondern für – wenn Sie so wollen – unsere ge­meinsame Zukunft, für die Herausforderungen der nächsten Jahre die richtige Entscheidung zu treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Megathemen der Finanzverwaltung – und jetzt komme ich zu einem Thema, betref­fend das mich, das weiß ich sehr wohl, ein bisschen die Leidenschaft treibt; ich hoffe, nicht das Augenmaß verloren zu haben – sind die Digitalisierung, die Globalisierung, die Polarisierung im Verhalten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und auch die Altersstruktur und die demografische Entwicklung unserer Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter. Ich denke, und davon bin ich wirklich auch persönlich felsenfest überzeugt, dass es angesichts dieser Herausforderungen auch neue Lösungen, unter anderem eben neue Strukturen, braucht.

Für digitale Konzerne macht es nämlich keinen Unterschied, ob sie Umsätze im Bur­gen­land, in Vorarlberg oder in Wien im 1. oder im 2. Bezirk machen. Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen wollen ihre Arbeitnehmerveranlagungen und ihre Familienbeihilfen­angelegenheiten dort erledigen, wo sie gerade sind, und zwar dann, wenn sie Zeit haben, und das ist im Regelfall nicht dort, wo sie wohnen, sondern das ist sehr häufig dort, wo sie erwerbstätig sind oder sich sonst gerade aufhalten. Dass sich Steuer­betrüger nicht an irgendwelche örtlichen Zuständigkeiten halten, versteht sich, denke ich, wohl von selber.

Mit dem vorliegenden, und das kann ich authentisch sagen, aus der Verwaltung hervorgegangenen Konzept für eine Reorganisation der Finanzverwaltung soll die österreichische Finanzverwaltung zukunftsfit gemacht werden. Wir bewegen uns, wenn Sie das so beschließen, Hohes Haus, hier auch durchaus in Richtung einer euro­päischen Entwicklung. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Kollegen – ich werde um halb neun wieder in einem Finanzamt sein, wo ich auch herkomme – bedeutet das die Chance auf eine gleichmäßige Arbeitsbelastung, auf qualitative Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die Möglichkeit, sich zu spezialisieren, so wie es die Beratungsseite, die Unternehmen mittlerweile auch tun. Für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet das – und ich kann Ihnen das auch ver­sprechen – schnellere Erledigung im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerver­an­lagung, der Familienbeihilfe, einfach aufgrund der gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf ganz Österreich. Für die Unternehmen bedeutet das, klare Ansprechpartner zu haben, schnellere Verfahren, erweitertes Serviceangebot, Auskünfte und so weiter.

Damit all das möglich ist, soll es neue Strukturen geben. Das sind jetzt natürlich nur die Strukturen – und wie Sie alle wissen, steckt hinter einer Reform, einer Reorganisation, einer Modernisierung natürlich viel mehr, als nur neue Kästchen zu machen –, die Strukturen aber, die geschaffen werden sollen, wurden schon genannt: ein Finanzamt Österreich mit einer durchgängig digitalisierten Arbeitnehmerveranlagung zum Beispiel. Es laufen jetzt schon fast 70 Prozent über FinanzOnline, die restlichen 30 Prozent werden österreichweit eingescannt; da ist es egal, ob ich diese Arbeitnehmer­veran­lagung in Wien, in Oberwart oder in Bregenz erledige. Als Bearbeiter hat man überall die gleichen Unterlagen auf dem Bildschirm, was ein Vorteil für Unternehmen und für Bürger ist. Jedes Mal – und das sind Hunderttausende Mal in Österreich –, wenn je­mand seinen Wohnsitz, und sei es nur in Wien vom 1. in den 2. Bezirk, oder den Unternehmenssitz verändert, gibt es eine Aktenabtretung. Das heißt, man muss sich beim Finanzamt melden und das Finanzamt muss den Akt von A nach B schicken. All das sind Dinge die, denke ich, nicht mehr der heutigen Zeit entsprechen.

Es gibt zweitens in diesem Modernisierungsgesetz, in diesem Reorganisationsgesetz ein Finanzamt für Großbetriebe, wobei auch die abgabenbehördliche Kompetenz mit der Prüfungskompetenz zusammengeführt wird und somit ganz einfach schnellere Verfahren möglich sind, da nicht mehr zwei Einheiten zuständig sind, und auch eine höhere Rechtssicherheit gegeben ist.

Zum Zollamt Österreich muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass wir, wenn Sie Maß­nahmen aus dem Abgabenänderungsgesetz, dem Steuerreformgesetz beschließen, wie insbesondere den Wegfall der 22-Euro-Regelung, das in einer Zollverwaltung mit neun lokal zuständigen Zollämtern – außer Sie beschließen eine kräftige Personal­erhöhung – nicht schaffen werden. Wir brauchen dazu ein Zollamt Österreich.

Das vierte neue Amt wird das Amt für Betrugsbekämpfung sein, damit wir dem nationalen und dem internationalen Abgabenbetrug entgegenwirken. Es ist dabei auch völkerrechtlich immer ein Ansprechpartner gefordert. Erhebungs- und Strafkom­peten­zen sollen zusammengeführt werden, um diesem immer spezialisierteren Steuerbetrug wirklich spezialisiert entgegenwirken zu können. – So viel zum vierten Amt.

Das fünfte Amt – das nicht Teil dieses Gesetzpaketes ist – ist der Prüfdienst für lohn­abhängige Abgaben und Beiträge, der Teil der Sozialversicherungsreform war.

Ich bin zwei Antworten, ich glaube, nicht schuldig geblieben, aber ich habe sie offenbar nicht gut genug formuliert. Eine andere Lösung, die Herr Abgeordneter Rossmann eingefordert hat, wollte ich sagen und ich hatte geglaubt, es gesagt zu haben, scheitert daran, dass wir in Österreich mit der monokroatischen Verwaltung, einem verfas­sungsmäßigem Gebot, das Recht auf den gesetzlichen Richter verbunden haben und dass sich daraus eben örtliche Zuständigkeiten ergeben. Wir müssten daher entweder mit Dienstzuteilungen oder eben mit Aktenabtretungen arbeiten, was ein relativ hoher – ein möglicher, aber ein hoher – bürokratischer Aufwand wäre.

Die zweite Klarstellung betrifft das Einvernehmen mit der Personalvertretung. Ich hatte gestern wieder den kompletten Zentralausschuss wegen vieler Themen bei mir. Es gab weder gestern noch in der Zeit davor, seit dieses Thema auf dem Tapet ist, ein so­genanntes §-10-Personalvertretungsgesetzverfahren. Im Gegenteil: Wir haben ver­sucht, und ich glaube, es ist auch gelungen, die gesetzliche Personalvertretung sehr, sehr breit einzubinden. Sie können auch einige Aussendungen des Zentralaus­schus­ses nachlesen – zumindest von meiner Seite aus, wenn sie der Zentralausschuss freigibt. Natürlich gibt es da und dort Bedenken, es gibt da und dort Punkte, die der Per­sonalvertretung wichtig sind. Wir haben versucht, diesen Punkten zu entsprechen und haben daher auch, glaube ich, wirklich Zustimmung – es ist keine Zustimmung im Sinne des PVG, aber ich nenne es Zustimmung  erhalten.

Noch eine letzte Klarstellung, weil auch das im Raum gestanden ist: Die Standorte, auch jetzt nicht im Gesetz, sondern in einer Verordnung, bleiben erhalten. Und die Stärkung des ländlichen Raumes: Was das heißt, können Sie jetzt schon in drei Finanzservicecentern in den Bundesländern sehen – die werden wir aufstocken –, die können Sie an einem spezialisierten Team zum Beispiel im Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart und an anderen Maßnahmen, die aufgrund dieser rechtlichen Konstruktion eben eines Finanzamts Österreich noch möglich sein werden, sehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

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