12.31

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! (Abg. Hanger: Bru­no, Abschiedsrede?) Herr Finanzminister! Hohes Haus! Egal ob es die Schuldenbrem­se deutschen oder schweizerischen Zuschnitts ist, sie bleibt immer ein politisches und kein ökonomisches Projekt. Sie ist ökonomisch unverantwortlich, weil sie, Herr Kollege Haubner, sehr wohl eine Investitionsbremse ist. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!)

Das Projekt ist insbesondere in Zeiten negativer Zinsen auf Staatsanleihen unvernünf­tig, denn jeder, der über Grundkenntnisse der Volkswirtschaftslehre verfügt, muss in Zeiten wie diesen Staatsanleihen begeben, um öffentliche Investitionen durchzufüh­ren – und wir haben einen hohen Investitionsbedarf, insbesondere im Klimaschutzbe­reich.

Die deutschen Ökonomen haben kapiert, dass sie einen Fehler gemacht haben – üb­rigens auch jene, die damals sehr laut für die Schuldenbremse geschrien haben. Heute wollen sie sich davon verabschieden. Einer dieser Ökonomen, der nie Befürworter war, der heute im Sachverständigenrat sitzt, empfiehlt Österreich dringend, davon Abstand zu nehmen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe ein neues Buch gelesen, Carl Christian von Weizsäcker, „Sparen und Inves­tieren im 21. Jahrhundert“, soeben erschienen, und er, auch ein deutscher Ökonom, spricht sich ebenfalls gegen eine Schuldenbremse aus. Warum? Was sind seine The­sen? – Wir haben ein Überangebot an Kapital. Es wird im 21. Jahrhundert zu viel ge­spart und zu wenig investiert, und da gibt es nur eine Lösung (Abg. Hanger: Schulden machen! Schulden machen!): Der Staat muss in die Bresche springen. (Abg. Haubner: Schulden machen!) Der Staat muss sich dauerhaft verschulden. – Carl Christian von Weizsäcker ist kein linker Ökonom, aber einer, der ökonomisch denkt und der die Schuldenbremse einzuordnen weiß. Wenn Sie diese Argumente alle ernst nehmen, dann gibt es nur eines (Abg. Hanger: Schulden machen!): Verschrotten Sie diesen Ini­tiativantrag!

Und da Sie, meine Damen und Herren von FPÖ, ÖVP und NEOS, keine Verfassungs­mehrheit haben, möchte ich an dieser Stelle an die vier sogenannten wilden Abge­ordneten appellieren, diesem Antrag zur Schuldenbremse nicht zuzustimmen!

Da heute mein letzter Parlamentstag ist, möchte ich meine restliche Redezeit dafür be­nutzen, ein paar persönliche Worte des Abschieds zu Ihnen zu sprechen.

Ich bin 2006 als Quereinsteiger, als Budgetexperte in dieses Haus gekommen – mit viel Idealismus, mit viel Kampfgeist. Die Desillusionierung setzte freilich rasch ein. Ich glaube, mich erinnern zu können, es war eine der ersten Sitzungen des Budgetaus­schusses, da kam eine ÖVP-Abgeordnete, spätere Ausschussvorsitzende, auf mich zu und fragte mich, ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als durch meine vielen Fragen die Ausschusssitzung unnötig in die Länge zu ziehen. Na bumm, das hat gesessen! Was sie aber nicht ahnen konnte, war, dass das bei mir genau zum Gegenteil und nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. (Abg. Hanger: Aber die Frage war berechtigt!) – Im Gegenteil, Herr Kollege, Sie wissen es genau, das spornte mich an, im Budgetaus­schuss immer wieder kritische Fragen zu stellen (Abg. Hanger: Wir haben leiden müs­sen!), um die Diskussionen zu führen, von denen ich glaube, dass sie notwendig sind.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, weil ich stets der Meinung war und bin, dass in den Ausschüssen um Gesetze und Berichte mit gut begründeten Argumenten ge­rungen und gekämpft werden muss, und dafür muss und soll man sich ausreichend Zeit nehmen.

Die Wirklichkeit ist leider eine andere. Die von mir gewünschten Gladiatorenkämpfe, wenn man sie so nennen will, haben in Wirklichkeit nie stattgefunden. Ausschüsse, in denen alles schon im Vorfeld abgekartet ist und die Regierung offenbar immer alle Weisheit dieser Welt hat, meine Damen und Herren, sind sinnlos. Dass die Abgeord­neten der jeweiligen Regierungsfraktionen bei diesem abgekarteten Spiel stets mit­spielten, hat mich empört, ist aber leicht erklärbar mit dem Klubzwang, dem Verzicht auf die Ausübung des freien Mandats. Nicht selten führte das dazu, dass Sie in den Ausschüssen nichts anderes taten, als die Meinung des Ministers, Ihres Ministers, zu bekräftigen.

Was mich in den Ausschusssitzungen besonders gestört hat, war der Umgang des Ausschusses, der Regierungsfraktionen mit Oppositionsanträgen und den Vertagun­gen. Was da an Argumenten vorgetragen wurde, war mitunter derart peinlich, dass es schon wehgetan hat.

Ich habe mir daher nicht selten gewünscht, dass Ausschusssitzungen öffentlich wer­den, damit die Leute draußen mitverfolgen können, wie viele schwachsinnige Argu­mente da an Begründungen für die Vertagung von Initiativanträgen, durchaus guten Initiativanträgen, vorgebracht werden. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn wir in den Ausschüssen keine sinnvollen Diskussionen führen und das Parla­ment die verlängerte Werkbank der Regierung ist, dann halte ich das für grob fahr­lässig. Ich halte das auch für demokratiepolitisch gefährlich. Demokratie braucht den Diskurs und Demokratie braucht auch Zeit.

Ich wünsche mir, meine Damen und Herren, dass Sie das in Zukunft ändern, denn wenn Sie das nicht ändern, dann geben Sie dem Parlamentarismus keine Chance, dann hat der Parlamentarismus verspielt. Dann wird sich die Frage, wie das Parlament arbeiten kann und soll, irgendwie lösen, aber gewiss nicht in einem guten Sinn.

Wenn dann noch das Kontrollrecht der Abgeordneten durch verwässerte Antworten, Antwortverweigerungen oder gar falsche Antworten der Minister auf parlamentarische Anfragen ausgehebelt wird – in anderen Ländern, etwa in Deutschland, wäre das übri­gens ein Skandal –, dann wird es noch einmal kritischer. Wenn wir also diese Kontroll­rechte nicht ausreichend wahrnehmen können und wenn Sie, meine Damen und Her­ren, das in Zukunft nicht ändern, dann fällt ein wichtiger Grund weg, warum es über­haupt ein Parlament gibt und warum es verfassungsmäßig garantierte Kontrollrechte der Abgeordneten gibt.

Das freie Spiel der Kräfte in den letzten Wochen hat dem Hohen Haus zumindest an­satzweise zu einem lebendigeren Parlamentarismus verholfen. Das hat ein wenig Hoff­nung gegeben, die aber durch die Kritik der Medien, der Wirtschaftsforscher, der Poli­tikberater rasch verflogen ist, da diese stets von der Gefahr teurer Budgetbeschlüsse und schwindender Budgetüberschüsse sprachen: Nein, Politik abseits der Trampelpfa­de mit einer Regierung ohne Mehrheit im Parlament, das darf nicht sein; gut und richtig ist nur, was eine Regierung vorgibt und eine gesicherte Parlamentsmehrheit abnickt.

Ich bin ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Demokratie, meine Damen und Herren, und ich werde das bleiben. Ich werde mich weiterhin für die sozial Schwachen ein­setzen. Ich werde für sie weiterkämpfen, denn ich bin der Meinung, dass es noch viel zu tun gibt.

Abschließend bedanke ich mich bei allen, die mich in diesen insgesamt knapp zehn Jahren hier im Hohen Haus begleitet haben, die mich unterstützt haben. Bedanken möchte ich mich im Besonderen bei allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klubs, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hauses. Ihnen allen wünsche ich persönlich alles Gute. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

12.39

Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. Ihnen auch alles Gute, Herr Klubobmann!

Ich möchte Ihnen zur Geschäftsordnungsdebatte, die vorhin stattgefunden hat, bekannt geben, dass mir die Schreiben seitens der Parlamentsdirektion jetzt übermittelt wurden und dass ich die in der Geschäftsordnungsdebatte vorgebrachte Kritik, nämlich dass der angeforderte Prüfbericht zu dem am 1. Mai abgehaltenen Familienfest 2019 dem Parlament nicht vorliegt, so bestätigen kann. Es wird in den Schreiben seitens Bundes­ministerin Patek darauf hingewiesen, dass es sich ihrer Auffassung nach um einen so umfassenden Bericht handelt, dass sie ihn nicht zeitgerecht dem Parlament übermitteln kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Geh, das ist ja - -! – Rufe bei SPÖ und NEOS: Das ist ein Skandal! – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein Skandal!)

Ich würde daher, wenn Sie damit einverstanden sind, die nächste Präsidialkonferenz – und den Präsidenten natürlich – ersuchen, sich mit dieser Frage zu befassen. Ansons­ten ist es aber natürlich ein sehr wichtiges Thema, wie die Exekutive mit der Legisla­tive, die Regierung mit dem österreichischen Nationalrat umgeht, aber das ist ein The­ma, Herr Klubobmann Zinggl, das ich auch in der nächsten Präsidialkonferenz anspre­chen werde – in der Hoffnung, dass so etwas nicht mehr vorkommt.

Nun gelangt Herr Abgeordneter Erwin Angerer zu Wort. – Bitte. (Abg. Duzdar: Wir wol­len den Bericht sehen! – Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)