14.12

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Die konstituierende Sitzung des Nationalrates bietet ja auch immer die Möglichkeit, ein bisschen zu reflektieren und sich über die grundsätzlichen Fragen des Parlamenta­ris­mus auszutauschen. Ich würde Ihnen da ganz gerne ein paar Gedanken mitgeben, die einerseits für mich als sehr überzeugten Parlamentarier, aber auch für uns NEOS insgesamt handlungsleitend sind.

Es gibt in Österreich leider nicht sehr viele wirklich zukunftsgerichtete, ambitionierte Visionen. Es gibt sehr oft das Motto – das ist ein berühmtes österreichisches Motto –: Weil es immer schon so war! (Abg. Meinl-Reisinger – erheitert –: Stimmt!) Gerade wir als Parlament sollten uns damit nicht zufriedengeben. Gerade hier im Hohen Haus ist es leider so, dass dieses Motto sehr oft sehr stark durchdringt und wir uns, weil es immer schon so war, daran orientieren.

Ich glaube, dass wir als Parlamentarier uns viel eher der Verantwortung bewusst sein müssen, die wir bekommen haben. Wir sind die direkt gewählten Abgeordneten. Wir sind die Repräsentanten der Bevölkerung, und wir haben eine Verantwortung, gute, bessere Gesetze zu machen, als wir es teilweise früher gemacht haben. Wir brauchen ein handlungsfähiges, ein selbstbewusstes, ein starkes österreichisches Parlament. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Erinnern wir uns zurück: Der Schöpfer unserer Bundesverfassung Hans Kelsen – die Eleganz der Bundesverfassung wird ja auch immer wieder angesprochen – ist auch davon ausgegangen, dass das Parlament eine starke Rolle in der österreichischen Demokratie haben soll. Er ist sogar davon ausgegangen, dass es die zentrale Institution der Demokratie in Österreich sein soll. Ich glaube, dass Hans Kelsen recht hatte. Was würde passieren, wenn wir Hans Kelsen jetzt auf der Straße treffen und fragen würden: Haben Sie sich das so vorgestellt? Wie sehen Sie denn den Zustand des österreichischen Parlaments? – Ich bin überzeugt davon, dass er sehr enttäuscht wäre, weil es sicher nicht seiner Idee von Parlamentarismus entspricht, wie das österreichische Parlament leider sehr oft arbeitet.

Fakt ist, dass das österreichische Parlament sich sehr oft als verlängerte Werkbank der Bundesregierung sieht. Fakt ist, dass wir es hinnehmen, wenn wir oft nicht den notwendigen Respekt von Bundesregierungen entgegengebracht bekommen, sei es bei parlamentarischen Anfragen, die ja oft sehr mangelhaft beantwortet werden, sei es bei der Frage, wie Regierungsvorlagen ohne Begutachtung irgendwie durch dieses Haus durchgewurschtelt werden, damit man möglichst schnell zu entsprechenden Gesetzen kommt. Fakt ist auch, dass wir deswegen leider sehr oft schlechte Gesetze machen.

Wir machen auch deswegen schlechte Gesetze, weil wir die Expertinnen und Exper­ten, die in Österreich zur Genüge vorhanden sind, viel zu wenig einbinden und viel zu wenig auf sie hören. Wir machen auch oft deswegen schlechte Gesetze, weil wir uns von der Öffentlichkeit treiben lassen, anstatt lang und breit über gewisse Pros und Kon­tras zu diskutieren und uns zu überlegen, wie wir vielleicht bessere Lösungen, auch für die Zukunft, nicht nur für ein Morgen, sondern auch für ein Übermorgen, zustande bringen können. Wir machen auch oft deswegen schlechte Gesetze, weil wir den parla­mentarischen Diskurs in Wirklichkeit nicht sehr ernst nehmen, weil wir nicht intensiv länger über Fragen diskutieren und ernstzunehmendere Debatten machen.

Wenn man deutschen Politikerinnen oder Politikern zuhört, dann hört man immer wieder, dass die Bundestagsabgeordneten in einer Zeitung sagen, sie machen jetzt einmal einen Vorschlag, um eine Debatte anzustoßen. So etwas gibt es in Österreich nicht. Lange, ausgiebige Debatten wie im Deutschen Bundestag, wo in den Aus­schüs­sen über Parteigrenzen hinweg intensiv diskutiert wird, wo in den Medien ernsthaft diskutiert wird, in der Öffentlichkeit diskutiert wird, so etwas ist in Österreich de facto undenkbar.

Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn wir länger und intensiver gemeinsam über gewisse Fragen diskutieren, nicht nur eine größere Akzeptanz der Gesetze schaffen werden, sondern auch bessere Gesetze zustande bringen, und ich glaube, da sollten wir uns am Deutschen Bundestag ein Vorbild nehmen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, wir müssen unsere Rolle als Parlamentarier in Zukunft wieder ernster nehmen. Wir müssen uns, so wie es in der Bundesverfassung auch vorgesehen ist, wieder stärker behaupten und als Parlamentarier selbstbewusster auftreten. Ich glaube auch, dass wir uns von diesem typisch österreichischen, leicht behäbigen Motto: Weil es immer schon so war!, wirklich verabschieden müssen, gerade im Zusammenhang mit dem Parlament. Ich bin überzeugt davon, dass uns das guttun würde, ich bin überzeugt davon, dass das Österreich guttun würde, ich bin überzeugt davon, dass das den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich guttun würde, und ich bin vor allem überzeugt davon, dass es diesem Hohen Haus guttun würde, wenn wir endlich mit diesem ewigen, mit diesem behäbigen Motto: Weil es immer schon so war!, abfahren würden.

Deswegen: Versuchen wir gemeinsam intensiver, sinnvollere Lösungen für die Zukunft zu finden und vielleicht nicht immer nur an morgen und bis zur nächsten Wahl zu denken, sondern auch an übermorgen und darüber hinaus! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

14.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Köstinger. – Bitte.