12.41

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Da die Europäische Union ja insbesondere ein Ort der Rechts­staatlichkeit, der Freiheit und des Rechts ist, möchte ich vielleicht gleich vorweg sagen, dass das heute ein Tag der Freude für die Freiheit, für die Bürgerrechte und auch für den Parlamentarismus in Österreich ist. (Abg. Kickl: Für die organisierte Kriminalität ist das ein Freudentag!)

Der Verfassungsgerichtshof hat gerade verlautbart, dass nach einer Drittelbeschwerde der Abgeordneten der NEOS und der SPÖ der Bundestrojaner und die Kfz-Kennzei­chenerfassung als verfassungswidrig aufgehoben wurden. (Beifall und Jubelrufe bei den NEOS sowie Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist in erster Linie eine Absage an die umfassenden Überwachungsfantasien der Herren Kurz, Sobotka und Kickl und in zweiter Linie ein fulminanter Erfolg für die Frei­heit, für die Bürgerrechte der Menschen in Österreich und für unsere Demokratie. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich möchte mich an der Stelle insbesondere bei all jenen bedanken, die die letzten drei Jahre mitgeholfen haben, denn so lange hat dieser Kampf gegen Herbert Kickls Über­wachungsfantasien gedauert – wobei er ihn kurzzeitig ja auch einmal selbst gekämpft hat, bis er dann seine Meinung geändert hat –: Das sind ganz, ganz viele Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter aus dem NEOS-Parlamentsklub, das waren NGOs, das waren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und das war, gemeinsam mit uns NEOS, die Fraktion der SPÖ, damals federführend Hannes Jarolim, der hier leider nicht mehr Ab­geordneter ist. Ich möchte noch einmal ein ganz großes Danke sagen, weil dieser Tag der Freude für die Freiheit und für die Rechtsstaatlichkeit in Österreich etwas ganz Be­sonderes ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Um auf das konkrete Thema der Europäischen Union und die Herausforderungen zu­rückzukommen: Eine große Frage ist ja, ob man sich zuerst eher mit den inhaltlichen oder mit den strukturellen Fragen beschäftigt. Ich bin der Meinung, man muss sich mit beiden Fragen gleichzeitig beschäftigen, denn viele Änderungen der institutionellen Fragen werden auch dazu führen, dass man die inhaltlichen Fragen leichter wird be­antworten können.

Die Vertragsänderung von Lissabon ist jetzt knapp zwölf Jahre her, das heißt, wir ha­ben etwas zu hinterfragen, und Ursula von der Leyen hat mit ihrem Zukunftskongress etwas vorgeschlagen, das ich grundsätzlich sehr positiv finde. Wir NEOS haben immer schon eine breite Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in einem Konvent gefordert, um dort auch die Frage zu stellen, in welche Richtung die Europäische Union denn ge­hen soll.

Es gibt ein paar Dinge, die mir dabei besonders wichtig sind: In erster Linie geht es darum, dass das Europäische Parlament, das ja eigentlich ein sehr umfassendes Ar­beitsparlament ist, endlich die Rechte bekommt, die es auch haben sollte, nämlich das Recht, Gesetzesinitiativen voranzutreiben. Das Europäische Parlament ist die Institu­tion, die direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt ist, und dementsprechend ist es eigentlich absurd, dass man ihm diese Rechte vorenthält.

Wenn ich von direkt gewählten Institutionen spreche: Ich glaube, dass man sich auch darüber Gedanken machen sollte, ob man nicht auch andere Institutionen direkt wäh­len können sollte. Gerade das sehr unwürdige Schauspiel in den Hinterzimmern von Brüssel im Zusammenhang mit der Bestellung von Ursula von der Leyen hat wieder gezeigt, dass es wichtig wäre, dass man den Kommissionspräsidenten oder die Kom­missionspräsidentin auch direkt von den Bürgerinnen und Bürgern wählen lässt.

Wichtig ist die Frage, und das ist von unterschiedlichen Fraktionen schon angespro­chen worden, ob sich das Europäische Parlament endlich darauf einigt – das Parla­ment tut es ja an und für sich, es scheitert in der Regel am Rat –, dass es nur noch einen Sitz hat und nicht mehr zwei. Nicht nur in Zeiten des Klimawandels, sondern auch betreffend Fragen der Effizienz ist es nicht nachvollziehbar, wieso einmal im Monat Tausende Menschen von Brüssel nach Straßburg pendeln müssen und damit einerseits viel Geld verprassen und andererseits auch das Klima nachhaltig schädigen. Genau dieses Beispiel zeigt wiederum exemplarisch, wo die Europäische Union umfas­senden Aufhol- und Änderungsbedarf im institutionellen Bereich hat, nämlich in der Frage des Einstimmigkeitsprinzips.

Sind es bei der Frage des Single Seat die Franzosen, die sagen: Wir wollen das nicht!, sind es bei anderen Fragen andere Länder, die sagen: Ich blockiere da und setze ein Veto ein, damit nichts weitergeht! – Gerade bei Fragen betreffend schwerwiegende Grundrechtsverletzungen, bei schwerwiegenden Verletzungen der Grundwerte der Eu­ropäischen Union ist es auch so, dass ein Land dem anderen die Mauer macht und das Einstimmigkeitsprinzip dementsprechend echte Sanktionen unmöglich macht.

Natürlich sind solche tiefgreifenden Vertragsänderungen sehr komplex und werden viel Zeit brauchen, ich glaube aber, dass an diesen tiefgreifenden institutionellen Reformen kein Weg vorbeiführt. Wir stehen vor großen Herausforderungen in Europa, sei es der Klimawandel, sei es das Thema Rechtsstaatlichkeit oder sei es auch – und damit kom­me ich auch schon zum Schlusssatz – die Frage, wie wir es in Zukunft schaffen kön­nen, Grund- und Freiheitsrechte umfassend und nachhaltig zu gewährleisten, damit diese Überwachungsfantasien von ÖVP und FPÖ, denen der Verfassungsgerichtshof heute eine klare Absage erteilt hat, eben auch in Zukunft nicht weiter ausufern können. (Beifall bei den NEOS.)

12.46

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.