11.15

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass noch immer Schülerinnen und Schüler hier sind – ich werde auch gleich zu euch sprechen. Zunächst freue ich mich aber, dass zwei Bundesminister hier sind, die sicher Hommes de Lettres sind, also mit denen man über Bücher reden kann. Timothy Snyder, Herr Bundesminister, kennen Sie sicherlich auch, ein amerikanischer Historiker, der auch in Wien unterrichtet hat – er hat viele gescheite Bücher geschrieben, auf ein anderes wer­de ich später noch zu sprechen kommen (der Redner zeigt ein Buch) –: „Über Tyran­nei. Zwanzig Lektionen für den Widerstand“. Lektion 1 kommt dann bei einer späteren Diskussion, Lektion 20 ist: „Sei so mutig wie möglich.“

Herr Bundesminister Faßmann, das sagt Ihnen doch etwas. Das haben Sie sicher Frau Wiesinger gesagt: „Sei so mutig wie möglich.“ – Und dann war sie es, und dann schmei­ßen Sie sie raus! (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich glaube, wir müssen die Dinge schon gemeinsam sehen: Da gibt es eine Frau Wie­singer, die Wahrheiten ausspricht, die manchen nicht genehm sind – auch der SPÖ ist ja vieles nicht genehm –, und da gibt es einen Professor Höbelt, da kann man schon zweifeln, ob das alles stimmt, was der sagt. (Abg. Michael Hammer: Das trifft auf Sie auch zu!) Aber ich würde aufstehen und stehe auch auf und sage: Herr Höbelt, hier ha­ben Sie nicht recht!, denn die Auseinandersetzung mit Herrn Höbelt müssen wir schon führen. Und jetzt sage ich einen Grund – und ich glaube, das muss auch allen Linken klar sein –, weil hier irgendjemand gesagt hat, Höbelt verwendet antisemitische Codes – das wird schon stimmen –: Was müssen wir unseren jungen Leuten beibringen? Was sind denn antisemitische Codes? Das müssen wir lernen, und sei es nur, dass wir es mit einem Lehrer wie Herrn Professor Höbelt lernen. Das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und wir müssen Widerspruch lernen. Ich war selbst Funktionär der Hochschülerschaft, und was haben wir dort gelernt? – Den Professoren zu widersprechen. Leider hat die ÖVP dann das UOG zurückgefahren, es gibt nicht mehr so viel Mitbestimmung. (Zwi­schenruf des Abg. Michael Hammer.) Die Mitbestimmung ist etwas ganz Wesentliches.

Ich komme auf ein anderes Buch von Professor Snyder zu sprechen, nämlich „Der Weg in die Unfreiheit“. Warum bin ich da so engagiert und, wenn Sie wollen, manchmal auch aufgeregt? Und warum bin ich überhaupt hier? – Liebe junge Freunde auf der Galerie, ich habe das schon mehrfach gesagt: Weil die Freiheit, die wir heute hier ge­nießen, in Österreich und in vielen anderen europäischen Ländern – nicht in allen; die FPÖ will ein Mediensystem wie in Ungarn, das ist illiberale Demokratie und das ist Kor­ruption; das wollen wir nicht, in Österreich ist es noch anders – gefährdet ist. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir hier so miteinander reden dürfen, dass wir mitein­ander reden können. Dafür müssen wir kämpfen, dafür müssen wir etwas tun. Und das müssen wir hier tun, das müssen wir an den Schulen tun, das müssen wir auch an den Universitäten tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Noch einmal: Ich widerspreche Herrn Höbelt ganz massiv in einem Punkt, was das Verbotsgesetz betrifft – das muss ja wohl klar sein; aber das zeigt auch ein Stück Ideologie –: Wer nicht akzeptiert, dass der Holocaust ein einmaliges Ereignis in der Geschichte war, der hat es nicht verstanden. – Das ist Ihr Problem, das weiß ich (Bei­fall bei Abgeordneten der Grünen), und deswegen ist er gegen das Verbotsgesetz. Da­zu müssen wir aber stehen, und das müssen wir immer wieder laut und deutlich sagen. Und wer dagegen ist, dass Zeitzeugen – und Gott sei Dank leben noch einige wenige – uns erklären, wie dieser Weg in die Unfreiheit begonnen hat – es hat nicht in Auschwitz begonnen, es hat bei den kleinen Schweinereien begonnen, es hat bei den Ausgren­zungen begonnen –, wer das heute nicht mehr hören will, der möchte verharmlosen. Und das will Höbelt natürlich, und deswegen muss man gegen ihn argumentieren und ganz massiv gegen ihn argumentieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ja, so ist es.

Übrigens: Höbelt sagt nicht nur Sachen, die Ihnen gefallen. Ich habe einmal ein Inter­view mit ihm gemacht, da hat er gesagt: Na klar hat die FPÖ antisemitische Wurzeln. – Das weiß Herr Höbelt. Na ja, sicher, er ist Historiker, das weiß er natürlich. Er weiß auch, dass die FPÖ massiv antiklerikal ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Horchen Sie zu! – Wenn Herr Strache – er ist ja Ihr Freund gewesen, jetzt ist er es nicht mehr, aber Sie werden ja wieder mit ihm konfrontiert werden – mit dem Kreuz aufgetreten ist, dann war das ja schlimmste Heuchelei, weil die Wurzeln der FPÖ natürlich antiklerikale sind. Das wissen wir auch. Das alles müssen Sie sich von Herrn Professor Höbelt anhören.

Deswegen ist es gut, dass man auch Professor Höbelt anhört, ihm aber widerspricht, auch an der Universität – mit Worten und ganz sicher nicht mit Steinen oder so einem Geschrei, wie Sie es hier gerne aufführen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), denn das bringt uns auch nicht weiter.

Ich komme noch einmal zurück auf Timothy Snyder. Vergessen wir nicht: Alles, was wir haben, ist gefährdet, und wir müssen dafür kämpfen. Wir müssen für unsere Freiheit kämpfen! Wir müssen für die Freiheit an den Universitäten kämpfen! Wir müssen für die Freiheit eines Informationsfreiheitsgesetzes kämpfen, denn das, was Sie mit Frau Wiesinger aufführen, das könnten Sie, wenn es das Informationsfreiheitsgesetz gäbe, schon nicht mehr machen, das ist ja ganz klar. Sie ist Beamtin, und wenn das nicht etwas ist, das die Sicherheit Österreichs gefährdet, dann darf sie es nicht nur sagen, dann muss sie es sogar sagen. Und in der Tat hat sie viele interessante Sachen ge­sagt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ich bin wirklich enttäuscht von Ihnen (in Richtung Bundesminister Faßmann), aber noch viel mehr von Herrn General­sekretär Netzer, der sagt: Bildungspolitik ist Parteipolitik. – Ja, wir wissen eh, dass es so ist, aber gerade von Ihnen hätte ich anderes erwartet. (Beifall bei den NEOS.)

Ich komme zum Schlusssatz: Herr Voltaire ist zitiert worden – ja, natürlich, der Geist der Aufklärung –, es war aber offenbar Beatrice Hall, eine Frau, die das gesagt hat. Es gibt aber ein anderes Zitat von Voltaire. Das habe ich Ihnen mitgebracht (in Richtung FPÖ weisend), und das passt zu Ihren Liederbüchern: „Alles, was zu dumm ist, um gesprochen zu werden, wird gesungen.“  Deswegen haben Sie Ihre Liederbücher. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner.)

11.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.