9.20

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte ZuseherInnen hier im Saal – liebe HTL Hallein – und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Ich denke, die vergangenen Wochen und Monate haben einmal mehr gezeigt, warum das Vorantreiben der Ökologisierung unserer Transportsysteme, vor al­lem im Bereich des Güterverkehrs, nicht nur sinnvoll, sondern schlicht notwendig ist. (Abg. Loacker: ... Vorarlberg!) Ich spüre die Notwendigkeit der Debatte auch hier im Hohen Haus, in diesem Raum, und ich glaube, das Thema dieser Aktuellen Stunde heute ist gut gewählt.

Wie drängend eine kurzfristig machbare politische Lösung ist, hat der Besuch der Kom­missarin Vălean in Tirol gezeigt. Ein Green Deal der EU-Kommission, das muss ein Handlungsauftrag sein – für Österreich, aber auch für die Kommission. Ich möchte des­wegen gleich am Anfang noch einmal klarstellen, dass die Bundesregierung – die ge­samte Bundesregierung – die Maßnahmen, die in Tirol getroffen wurden, vollinhaltlich unterstützt. Ich glaube, bei diesem Thema passt kein Blatt Papier zwischen den Bund und die Tiroler Regierung, das haben wir auf unterschiedlichen Ebenen auch der EU-Kommission vermittelt, das ist eine völlig logische Konsequenz der aktuellen Situation.

Österreich ist als Transitland extrem belastet, und das hat vielerorts wirklich zu einer unzumutbaren Situation für Mensch und Umwelt geführt. Wir haben ein Mengenpro­blem, wir sind gerade in einer sensiblen Region wie den Alpen tatsächlich am Rand ei­nes Kollapses. Die Zahl ist erwähnt worden: 2,5 Millionen Lkw am Brenner, mehr als auf allen anderen Alpenquerungen zusammen. Es geht nicht nur um den Brenner, da muss ich allen, die sich inzwischen zu Wort gemeldet haben, recht geben; wir müssen nach Oberösterreich schauen, wir müssen nach Kärnten schauen, wir müssen auch in die Steiermark schauen. Der Druck nimmt zu, und das ist nicht nur ein Problem für die menschliche Gesundheit, für die Ökosysteme, für die Klimabilanz, das ist auch ein Pro­blem für den Warenverkehr. Wir laufen angesichts dieser Entwicklung Gefahr, die not­wendige Akzeptanz in der Bevölkerung für den Gütertransport zu verlieren. Das sieht man auch an den Reaktionen in Tirol, die es gerade im Zusammenhang mit dem Be­such der Kommissarin gegeben hat.

Damit es nicht so weit kommt, damit wir nicht die Akzeptanz verlieren, braucht es rasch wirksame politische Maßnahmen im Sinne einer Paketlösung für den Brenner. Dazu hat sich die Bundesregierung bekannt, auf allen Ebenen, im Regierungsprogramm und in den konkreten Taten, dafür werde ich mich auch persönlich einsetzen. Wir können am Brenner die Zukunft der Güterverkehrspolitik in Europa bauen, wenn wir alle – frak­tionsübergreifend, Parlament und Regierung – an einem Strang ziehen.

Wir stehen vor großen Aufgaben: volle Energie in die unmittelbare Verlagerung von Lkw-Fahrten auf die Schiene, vor allem in sensiblen Gebieten, auf die Rollende Landstraße, rasches Vorantreiben der Lösung für die Korridormaut – eine der ganz drängenden Fragen –, die Strecke München–Verona an den Schweizer Gotthardkorridor anpassen. Auf EU-Ebene muss es wieder Bewegung hinsichtlich der Wegekostenrichtlinie und den raschen Beschluss des Mobilitätspakts geben, den wir unter österreichischer Prä­sidentschaft ausgehandelt haben. Es braucht mutige Politik im Zusammenhang mit dem langfristigen Schienenausbau. Konkret am Brenner, das ist allen Beteiligten klar, geht es nicht nur um die rasche Fertigstellung des Tunnels, der – wie wir wissen – sei­ne Wirkung nur dann entfalten kann, wenn auch die Zulaufstrecken und die Terminals in Italien und in Deutschland rechtzeitig fertiggestellt werden.

All diese Lösungen werden wir nicht allein stemmen, das wird nur gemeinsam mit un­seren Nachbarländern, mit den anderen EU-Mitgliedstaaten, mit der Schweiz und na­türlich auch mit der EU-Kommission möglich sein. Ich bin deswegen gegen eine Politik des Türenzuschlagens. Auch in dieser Frage bringen uns europäische Lösungen wei­ter. Selbstverständlich führe ich das Gespräch mit der EU-Kommissarin weiter, ich wer­de aber sehr deutlich machen, dass die Rolle der Kommission in diesem Bereich nicht die Rolle einer Moderatorin sein kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Rolle der Kommission kann nicht die einer Moderatorin sein, sondern sie hat einen aktiven Handlungsauftrag. Gerade weil sie ja die Meinung vertritt, dass der Brennerkor­ridor von europäischer Bedeutung ist, hat die Europäische Kommission eine aktive Rol­le einzunehmen. Ohne die Kommission werden wir in diesem Bereich nicht weiterkom­men, und das muss auch deutlich klargestellt werden. Wir haben in Österreich unseren Beitrag immer geleistet, auch in der Umsetzung des mit Deutschland und Italien be­schlossenen Zehnpunkteplans vom Juli 2019; da sind wir von unserer Seite auf einem guten Weg.

Darüber hinaus möchte ich Sie noch über die konkreten Aktivitäten, die wir in den letzten Wochen gesetzt haben, informieren: Die Gespräche mit den Amtskollegen und ‑kolleginnen in Deutschland und Italien sind am Weg. Bereits vereinbart ist auch ein Austausch mit dem EU-Umweltkommissar. Ich möchte gerade in dieser Hinsicht noch einmal daran erinnern: Die Tiroler Maßnahmen entstehen ja nicht aus einer Ab­wehrhaltung heraus, sondern aufgrund der Notwendigkeit, EU-Richtlinien einzuhalten, die Österreich dazu verpflichten, das Problem der Luftschadstoffe gerade entlang der Transitrouten in den Griff zu bekommen. Mit den ÖBB setzen wir die Hochlaufphase der Rollenden Landstraße fort. Wir erweitern die Kapazitäten von 250 000 Lkw auf 400 000 Lkw pro Jahr im April und auf 450 000 Lkw pro Jahr ab 1.1.2021. Die Rollende Landstraße ist gerade für kleinere Logistikbetriebe, die oftmals nicht über ausreichende Ressourcen für eine Umstellung des Betriebs verfügen, tatsächlich eine gute Möglich­keit, auf einer großen Teilstrecke den Gütertransport auf die Schiene zu verlagern.

Wir arbeiten im BMK mit großer Energie in Abstimmung mit Deutschland an der Um­setzung der Wegekostenrichtlinie, auch wenn Deutschland im Rat im Dezember dagegengestimmt hat. Wir sehen aber auch da die Kommission gefordert, auf Deutsch­land und auf Italien einzuwirken, einer Einigung zuzustimmen. Für Österreich – auch diesbezüglich waren wir immer sehr klar – hat eine Einigung dann einen Mehrwert, wenn es eine Möglichkeit zur vollen Anlastung externer Kosten gibt, auch betreffend CO2, und wenn es Verbesserungen in Fragen der Querfinanzierung und weiterer Punk­te gibt.

Betreffend Korridormaut gibt es tatsächlich ein positives Signal. Der Koordinator der Brenner-Corridor-Platform Pat Cox hat für den 18. März zu einem Treffen der Vorsit­zenden der Arbeitsgruppen eingeladen, um über eine gemeinsame Vorgehensweise zu diskutieren. Das ist auf Arbeitsebene nach dem überaus ernüchternden Besuch der Kommissarin in Tirol ein positives Signal. Selbstverständlich – auch das ist ein weiterer Punkt, der in diesem Zusammenhang wichtig ist – wird die Kommission eine deutlich aktivere Rolle einnehmen müssen, was die Vereinheitlichung des Bahnraums gerade im Bereich Gütertransport betrifft. Wir haben da deutlich Nachholbedarf, Chancen der Digitalisierung zu nützen, es geht aber auch um die Vereinheitlichung der Sprachen et cetera.

In Österreich – es wurde erwähnt – startet die Taskforce zur Steuerreform. Maßnah­men gegen den Lkw-Schwerverkehr und den Tanktourismus stehen ganz oben auf der Agenda. Ich kann Ihnen versichern: Wir hören die Tiroler Rufe und wir werden das Die­selprivileg und die damit zusammenhängenden Thematiken gerade im Hinblick auf den Transit dort sicher tabulos diskutieren. (Ruf: 40 Millionen ...!) Der Transport von Gütern ist sicherlich eines der zentralen Zukunftsthemen im Rahmen des Green Deal.

Gerade in Zeiten der globalen Klimakrise ist es wichtiger denn je, Lösungen zu finden, wie Güter als Teil des Wirtschaftskreislaufes transportiert und gleichzeitig Lärm, Ver­kehr, Luftschadstoffe und CO2-Ausstoß gesenkt werden können. Wir rechnen, wenn wir uns die Prognosen anschauen, mit einer weiteren Steigerung des Güterverkehrs um 30 Prozent bis 2030 – 30 Prozent bis 2030! –, insbesondere auf der Straße; Sie se­hen also, der Handlungsdruck ist groß.

Wir müssen da anhand der verkehrspolitischen Leitlinien agieren: vermeiden, verla­gern, verbessern, und an erster Stelle steht sicherlich, den Transportaufwand zu ver­meiden. Ich muss hier im Haus nicht erwähnen, dass Raumplanung in diesem Zusam­menhang ein zentrales Thema ist. Auch das Thema Kostenwahrheit betreffend Schie­ne und Straße ist eine der zentralen Fragen, bei der es unter anderem darum geht, unnötige Transporte in den Griff zu bekommen. Zweitens ist die Verlagerung auf kli­maverträgliche Verkehrsmittel wie Schiene und Binnenschifffahrt so weit wie möglich voranzutreiben.

Wir haben im Ministerium und in Österreich immer alles getan, um das Potenzial, den Rahmen, den wir haben, all das auszunutzen, um diese Verlagerung voranzutreiben, auch durch Finanzierungsmöglichkeiten. Wir werden das auch weiterhin machen, da­mit der Transport für den größten Teil der Strecken auf die Schiene gebracht wird, mit einer guten Kombination der ersten und der letzten Meile auf der Straße für die Ver­teilung in der Fläche, um die Ökologisierung tatsächlich voranzutreiben. Neue ressour­cen- und umweltschonende Technologien können die Umweltbilanz auch von schwer verlagerbarem oder nicht vermeidbarem Güterverkehr deutlich verbessern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben in Österreich das Ziel – und dieses Ziel eint uns, glaube ich –, den Anteil der Schiene am Güterverkehr von derzeit rund 30 Prozent deutlich zu steigern. Es ist an der Zeit, dass wir diesbezüglich eine echte Wende herbeiführen.

Das Bundesministerium für Klimaschutz wird das im Masterplan Güterverkehr ange­hen, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Ich lade Sie alle sehr herzlich zur Mitar­beit an diesem Masterplan ein. Ich habe diese Einladung auch schon an die Interes­senvertretungen ausgesprochen, weil mir der Dialog und die Zusammenarbeit mit dem Parlament und mit den Stakeholdern, gerade was dieses höchst sensible, für Öster­reich extrem wichtige und auch – und das ist ein Faktum – schwierige Zukunftsthema betrifft, ein Anliegen ist, damit wir gemeinsam in Bewegung kommen und im Sinne des Green Deals, im Sinne des Klimaschutzes hier gemeinsam Segel setzen für den Kli­maschutz.

In diesem Sinne bedanke ich mich für den Auftakt zu dieser Aktuellen Stunde und für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

9.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Bun­desrealgymnasiums Sankt Johann im Pongau recht herzlich begrüßen. – Herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit ab nun 5 Minuten beträgt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.