17.05

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Kollege Loacker ist einverstanden, dass ich spreche. – Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, Anschläge und Studien belegen es: Antisemitismus ist europaweit eine tatsächliche Bedrohung für das jüdische Leben, aber auch für un­sere offene, freie Gesellschaft. Vier von zehn jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern erlebten in den letzten fünf Jahren wegen ihres Glaubens Belästigungen, Anfeindun­gen oder sogar tätliche Angriffe. Das belegt eine Studie der Europäischen Union aus dem letzten Jahr. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Mit unserem Fünfparteienantrag, der von Mandatarinnen und Mandataren aller Frak­tionen unterstützt wird, geben wir hier auch der schweigenden Mehrheit in Österreich eine Stimme: eine Stimme für Toleranz, eine Stimme gegen Intoleranz und auch eine Stimme gegen Antisemitismus. Wie auch der Deutsche Bundestag, setzen wir als ös­terreichischer Nationalrat hier gemeinsam ein klares Zeichen.

Aber Österreich und Deutschland wären zu wenig. Es ist ein Thema, das uns euro­paweit beschäftigen sollte. Daher habe ich auch in der letzten Sitzung der Parlamen­tarischen Versammlung des Europarats einen ähnlichen Antrag zu dem eingebracht, den wir heute hier diskutieren. Auch dieser Antrag fand in einer ersten Runde in allen Fraktionen, die in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vertreten sind, Unterstützer. Was mit dem Antrag im Europarat, in der Parlamentarischen Versamm­lung, passiert, das ist noch ungewiss. Ich jedenfalls werde sehr dafür kämpfen, dass wir auch im Europarat zu einer Entschließung kommen werden.

Eine eigene Frage in diesem Zusammenhang ist eine Bewegung, die 2005 ins Leben gerufen worden ist. Diese Bewegung heißt BDS: Boycott, Divestment and Sanctions, was so viel heißt wie Israel mit Boykott, mit Investitionsstopp und Sanktionen zu bele­gen, oder wie es in Erklärungen heißt: Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch zu iso­lieren. 2005 gegründet, wird diese Bewegung von weit mehr als hundert Organisa­tionen unterstützt. Unter diesen Organisationen sind auch von der EU als Terrororgani­sationen eingestufte Gruppierungen wie die Hamas, die im Palestinian BDS National Committee mitarbeiten.

Diese Bewegung darf man – das hat jüngst der Österreichische Presserat entschie­den – antisemitisch nennen. In der BDS gibt es zwar auch jüdische Vertreter, auf der anderen Seite stellen aber führende Vertreter der BDS das Existenzrecht von Israel auf dem jetzigen Territorium überhaupt in Frage. All das, was von dieser Bewegung kommt, ist für mich zweifelsohne ein Beitrag, um ein antisemitisches Klima zu schaffen, und daher treten wir mit unserem Antrag dieser Bewegung auch entschieden entge­gen.

Was ich erwähnen möchte, ist, dass der Nationalratspräsident im letzten Jahr eine Rei­he von Initiativen gesetzt hat. Ich darf nur drei nennen:

Es gibt schon die erste große Antisemitismusstudie. Diese soll es hinkünftig alle zwei Jahre geben, damit wir auch sehen, ob es in Österreich einen Fortschritt oder Rück­schritte gibt. Das ist das eine.

Das Zweite: Das Parlament soll in Zukunft einen international ausgeschriebenen Si­mon-Wiesenthal-Preis an Persönlichkeiten verleihen, die sich im Kampf gegen Antise­mitismus besonders verdient machen.

Und der dritte Punkt, der auch sehr wichtig ist: Unter der Ägide der Akademie der Wis­senschaften soll hier in Österreich ein unabhängiges, interdisziplinäres Forschungs­zentrum geschaffen werden, das sich wissenschaftlich mit Fragen des Antisemitismus auseinandersetzt.

Das heißt, das österreichische Parlament mit unserem Nationalratspräsidenten Wolf­gang Sobotka an der Spitze ist da aktiv – aktiver als andere Parlamente. Das Ent­scheidende ist aber, dass in diesem Kampf gegen Antisemitismus nicht nur die Politik aktiv ist, sondern es ist auch eine Aufgabe jeder Staatsbürgerin und jedes Staatsbür­gers, in unserer Gesellschaft alles zu tun, um diesen Tendenzen, die europaweit im Steigen sind, entschieden entgegenzutreten. Antisemitismus darf keinen Platz in unse­rer Gesellschaft haben! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

17.11

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Harald Troch zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.