17.19

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema hätte man viele Bücher mitbringen können, ich habe eines von Leon Zelman mitgebracht (eine Ausgabe des Buches „Ein Leben nach dem Über­leben“ in die Höhe haltend); ich werde gleich erklären, warum.

Man kann auch Simon Wiesenthal nehmen – man muss auch Simon Wiesenthal le­sen –, zum Beispiel das Buch mit dem schönen Titel „Recht, nicht Rache“, oder „Ari heißt Löwe“ von Ari Rath oder auch „Unfassbare Wunder“, in welchem Alexandra Fö­derl-Schmid sehr viele Schicksale von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, beschrieben hat.

Warum habe ich Leon Zelman mitgebracht? – In diesem Buch ist Folgendes zu lesen: Aufgewachsen als kleiner Bub in einem Schtetl in Polen, ist er dann in jungen Jahren nach Łódź ins Ghetto gekommen, und er beschreibt so ergreifend, wie die Entmensch­lichung dort stattgefunden hat, wie es darum ging, dass man den Juden klarmacht: Ihr seid keine Menschen! – Die Entmenschlichung. Dann beschreibt er, wie er seinen Bru­der in Auschwitz verloren hat und dann nach der Befreiung auf einmal in einem Spital in Bad Ischl liegt und das erste Mal wieder eine Hand spürt, die ihn berührt. Also wenn Sie das gelesen haben, werden Sie sehen: Das kann man nicht einfach irgendwie le­sen, das ist schon etwas Besonderes.

Ich erinnere mich an viele Gespräche mit Leon Zelman, und ich erinnere mich an ein Zitat, das er mehrfach gesagt hat, er hat nämlich gesagt: Du wirst sehen, irgendwann werden sie wieder auf Menschen losgehen; das werden nicht wir Juden sein, wir sind ja viel zu wenige. Sie werden sich andere herausnehmen, sie werden sich wieder Fein­de suchen, weil sie etwas begründen wollen, weil sie ein gewisses politisches System aufbauen wollen. – Damit müssen wir uns beschäftigen.

Was passiert denn heute? – Wenn ich im Internet sehe, dass ein lokaler Politiker das Foto eines Afrikaners, der halt nicht so schöne Zähne hat, hernimmt und dann sagt: Er will sich nur auf unsere Kosten die Zähne reparieren lassen!, dann ist das einfach Hetze. Das können wir auch nicht unkommentiert lassen, wir müssen darüber reden. Wir müssen schauen, wo Menschen heute wieder ausgegrenzt werden. Das ist der Anfang. Das Nächste ist, dass sie entmenscht werden, und dann ist es ja auch ganz einfach, solche Menschen zu vernichten.

Das ist das, was wir erlebt haben. Das ist das, wovon ich als junger Mensch immer gedacht habe, das ist sicher nie wieder möglich, weil das so unfassbar ist und weil das so unbegreiflich und so monströs ist. Je älter ich geworden bin, umso mehr befürchte ich, dass es sehr wohl wieder möglich ist.

Weil Eva Blimlinger von Bildung gesprochen hat – auch das ist in all diesen Büchern ja beschrieben –: Manche der schlimmsten Wärter in Auschwitz, manche der grässlichs­ten Menschen, die dort Menschen umgebracht haben, waren sehr gebildet, waren sehr gut ausgebildet, aber was ihnen jedenfalls gefehlt hat, war jede Form von Herzens­bildung. Deswegen müssen wir auch darauf achten, nicht nur zu versuchen, die histori­schen Fakten zu begreifen, so schwierig das ohnehin ist, sondern auch zu begreifen, was Herzensbildung für die jungen Menschen, aber nicht nur für die jungen Menschen, bedeutet. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

17.22

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Martin Engelberg. – Bitte.