9.27

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher zu Hause! Wir erleben nicht nur krisenhafte Tage, sondern auch dra­­matische Tage. Ich möchte heute besonders die Zuseherinnen und Zuseher ansprechen, weil wir in der Bundesregierung das einhellig so betrachten und die vorgeschlagenen Maßnahmen, die gesetzt werden sollen, und auch den Appell an die Freiwilligkeit Ihres Verhaltens, genauso sehen und unterstützen. Danke für den Zusammenhalt auch in der Bundesregierung.

Zunächst aber ist der Dank an jene besonders wichtig, die schon angesprochen wur­den: an die HelferInnen – ich fange bewusst so an – im Gesundheitssystem, die Kran­kenpflegerInnen, die ÄrztInnen, die Pflegerinnen und Pfleger, auch die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt noch im Schulbetrieb helfen – der ja ganz anders organisiert wird –, die da sind, damit jene, die unbedingt noch in die Arbeit müssen, ihre Kinder gut betreut wissen. Es ist so oft von den Supermarktkassiererinnen die Rede, jetzt eben auch, aber noch einmal anders: Ich glaube, in diesen schwierigen Zeiten, in denen es zusammenhalten und zusammenhelfen heißt, sind die viel strapazierten und apostro­phierten Supermarkthelferinnen in Wahrheit die Heldinnen des Alltags unserer Tage, und dafür gebührt ihnen wirklich Verneigung und Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Ich kann mich den Appellen nur anschließen: Im Wesentlichen wird es uns helfen, wenn wir die sogenannten sozialen Kontakte – das Thema ist mittlerweile berühmt geworden, vielleicht ist das für manche zu abstrakt; wir haben schon Hinweise darauf bekommen – auf ein Minimum reduzieren. Ich will das jetzt nicht alles wiederholen, aber die, die unbedingt in Kontakt sein müssen, auch in den Geschäften für die Ver­sorgung, in den Banken, in den Drogeriemärkten, in den Trafiken: Halten Sie Abstand! Das ist das, was am meisten hilft. Wir haben es vielleicht auch nicht alle rasch genug verstanden, wir versuchen es jetzt. Bitte halten Sie sich daran! Machen Sie nur mehr die notwendigsten Erledigungen außerhalb Ihrer Wohnung, und treffen Sie sich dann, wenn Sie rausmüssen, auf keinen Fall in kleineren oder größeren Gruppen!

Warum sage ich das? – Wir haben ganz bewusst Berichte über Beobachtungen ein­geholt und mussten bis Freitag und gestern Mittag – am Abend war die Situation laut Berichten anders – immer wieder vernehmen, dass viele das offensichtlich noch nicht ganz verstanden haben und dass sich große Gruppen in den Parks, auf der Mariahilfer Straße geradezu drängen. Das kann es nicht sein, und ich sage dazu: Das darf auch nicht mehr sein! Wir werden alles daransetzen, das zu unterbinden, wenn es freiwillig nicht geht.

Ich habe auch ein Ressort, das Sportressort. Ich will Sie da nicht langweilen, ich möchte nur sagen, was ich meine, wenn ich sage, wir sind wild entschlossen: Bis Freitag haben mich Nachrichten erreicht, dass Sportvereine – die kleineren, unten – immer noch Trainingseinheiten für Kinder und Jugendliche abhalten wollen – ja aber hallo!, aufwachen! –, mit dem Hintergedanken im Übrigen – da wird es nämlich be­sonders brutzlig –, dass die Kinder und die Jugendlichen gegebenenfalls ja nicht ein­mal Symptome oder keinen besonderen Krankheitsverlauf haben. Ja das ist doch völlig pervers und absurd!

Es muss doch darum gehen – das müssen jetzt einmal alle verstanden haben –, dass wir unterbinden, dass die Trägerinnen und Träger das Virus weiterverbreiten, und das sind natürlich gerade die Kinder, die das durch ihr Sozialverhalten weitertragen, und zwar genau dorthin, wo es am wenigsten hingehört, nämlich zu den Älteren und gesund­heitlich Vorbelasteten et cetera.

Wer das nicht versteht, dem sage ich – ich kann jetzt einmal nur von den Sportver­einen sprechen, um ein Beispiel zu geben; ich habe da keine Anweisungsbefugnis –: Wir werden uns das anschauen, von den großen Verbänden bis hinunter, und wer das ab Montag, also ab morgen, nicht einhält, der kann sich einmal für Jahre von För­derungen verabschieden – von denen schütten wir nämlich genügend aus (Beifall bei Abgeordneten von Grünen, SPÖ und NEOS) –, sowohl die Vereine, die diese Betriebe organisieren, als auch die Sportstättenbetreiber, die ja um Beträge in Millionenhöhe anstehen, um Sportstätten auszuweiten und neu zu bauen. (Zwischenrufe der Abge­ord­neten Martin Graf und Wurm.)

Ich meine das ernst. Es sollen sich alle daran halten, und die, die sich nicht daran halten, dürfen auch mit Konsequenzen rechnen. (Abg. Kickl: Dann braucht es aber auch klare Vorgaben!) – Wenn Sie von der FPÖ sich da äußern, dann kann ich Ihnen sagen: Wir sind wild entschlossen. (Abg. Kickl: Klare Vorgaben!) Ja, natürlich auf­grund klarer Vorgaben! (Abg. Kickl: Hat es aber nicht gegeben! Abg. Meinl-Reisinger: Ja, klare Vorgaben, aber auch Unterstützung!)

Wir haben es ja gerade gehört: Es hat sich ab morgen keine dieser Trainingseinheiten mehr abzuspielen. Das ist ja ganz logisch, wir haben es ja eben gehört. Das ist mir wirklich ein Anliegen: draußen nur mehr das Notwendigste erledigen, wie wir es gesagt haben!

Was die Arbeitsplätze betrifft, in diesem Sinn auch ein Appell an die Unternehmerinnen und Unternehmer, die ja nach der jetzigen Gesetzeslage ausschlaggebend sind: Sie sollten bitte überlegen und dafür sorgen, dass nur mehr die allernotwendigsten Dienst­leistungen und Produktionen veranlasst werden, damit möglichst viele Menschen zu Hause bleiben können.

Noch einmal das Motto: Jetzt heißt es zusammenhalten und zusammenhelfen! Warum ist das so wichtig? – Weil das die mit Sicherheit zielführendste Maßnahme ist. Momen­tan ist die treffsicherste Maßnahme, die möglichst viele betrifft – und sie wurde aus­geweitet –, aufgrund der Übertragungswege keine weiteren sozialen Kontakte zu pflegen, die nicht unbedingt notwendig sind. Wir Menschen haben offensichtlich das Problem – dazu hat die Evolution noch nicht ausgereicht –, dass wir nicht wissen, was eine exponentielle Zunahme ist; ich sage dazu: explodierende Zunahme von Fällen – das versteht man vielleicht eher.

Wenn wir denken, wir haben in den nächsten Tagen – Montag oder Dienstag – 1 000 Fälle (Abg. Meinl-Reisinger: Es sind heute schon 800!), dann sieht es mit der weiteren Zunahme folgendermaßen aus: Manche haben das so im Kopf, dass es dann einmal in einem bestimmten Zeitraum 2 000 Fälle sind, dann 3 000, dann 4 000. So ist es aber nicht. Es gibt einen Verdoppelungszeitraum, der momentan bei circa drei Tagen liegt. Wenn wir das hernehmen, dann heißt das: 1 000, 2 000, 4 000, 8 000, 16 000, 32 000, 64 000, 128 000. (Abg. Meinl-Reisinger: Es sind 52 Stunden! Zwei Tage!) Das sind Annahmen, ja, ich will es nur einmal klarmachen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber das ist falsch! Zwei Tage!) – Ja, wenn der Verdoppelungszeitraum kürzer ist, dann geht es noch schneller. In dieser Rechnung hätten wir jedenfalls An­fang, Mitte April die 100 000er-Grenze gerissen.

Jetzt denke ich und denken wir das von hinten nach vorne durch: Es geht ja um die Kapazitätsgrenzen im Gesundheitssystem, das ist ja das Ausschlaggebende! Wir müssen den Kollaps beziehungsweise die Kernschmelze der intensivmedizinischen Versorgung verhindern. Wenn wir 100 000 Fälle haben, dann werden wir sehen, was das für die schwersten Krankheitsverläufe, die statistisch natürlich ein geringer Teil davon sind, und jene, die intensiv behandelt werden müssen, heißt. Wir wollen Ver­hältnisse wie in der Lombardei oder in Bergamo verhindern. Lesen Sie sich die Berichte von den Ärztinnen und Ärzten dort durch! Rudi Anschober, der, denke ich, jetzt noch zu Wort kommt, sagt immer – ich darf ihn an dieser Stelle zitieren –, es liest sich wie Lageberichte aus Kriegsgebieten. Das muss uns doch zu allem Handeln antreiben.

Ich möchte noch kurz auf das Hilfspaket für Arbeitsplätze, Wirtschaftsstandort und weitere Beschäftigungssicherheit eingehen. Die Reihenfolge der zu verwendenden Mittel ist: als Erstes Gesundheit schützen – das wird auch noch etwas kosten –, zweitens Beschäftigung – also Arbeitsplätze sichern, Unternehmerinnen und Unternehmer unter­stützen –, und drittens schon für den Wiederaufbau, für den Neustart, vielleicht da oder dort für ein Durchstarten Hoffnung geben. Das verbinden wir mit dem ange­sprochenen 4-Milliarden-Euro-Paket.

Was heißt es, wenn gesagt wird, Liquidität herstellen, Arbeitsplätze sichern und in Härtefällen helfen? – Wir haben mehrere Instrumente zur Verfügung. Diese 4 Milliar­den Euro sind im Übrigen frisches Geld, anders als woanders, und wir werden genau für folgende Maßnahmen sorgen: Die Unternehmerinnen und Unternehmer sollen dadurch über die Runden kommen, dass sie die entsprechende Liquidität haben. Das kann man durch die Stundung von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen et cetera machen, dadurch, dass man Kredite garantiert, Direktkredite gibt oder eben auch Fondsauszahlungen gewährleistet.

Wir halten das vom Prinzip her für wichtig: Wenn wir dem Einzelnen helfen, helfen wir auch dem Ganzen, weil dadurch die Wirtschaft nicht austrocknet.

Wenn wir den Blutkreislauf der Wirtschaft aufrechterhalten wollen, dann muss das Geld im Wirtschaftskreislauf bleiben, und wenn die Einzelnen jetzt Geld bekommen, dann bleibt es auch insgesamt dort. Es wird das Budget natürlich nicht zu halten sein, das ist völlig klar, aber ein ausgeglichenes Budget ist in Zeiten wie diesen natürlich völlig nachranging; ich sehe das genau so wie der Finanzminister. Wir werden aber weitere Maßnahmen brauchen, die auch noch Geld kosten werden, um aus dieser Krise rauszukommen und entsprechende Investitionen zu tätigen. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.39

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte.